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Landleben

Kaffee ist Pflicht - Was die Schweiz in Pflichtlagern hält

Was, wenn die Schweiz in einer Notlage nicht mehr ausreichend Rohstoffe zu Nahrungszwecken importieren kann? Dann wird auf sogenannte Pflichtlager ausgewichen, welche den Bedarf der Bevölkerung an Rohstoffen für eine Zeit decken. Doch einige der dort gelagerten Güter sind auf den ersten Blick nicht lebensnotwendig. Oder etwa doch?

Kaffee im Pflichtlager

Kaffee und Zucker – zwei unverzichtbare Pflichtlagerbestände (Bild: Pixabay)

Publiziert am

Community Managerin, UFA-Revue

Text: Luana Werdenberg

Spätestens seit der Coronapandemie oder dem Ausbruch des Ukraine-Krieges ist der Begriff «Pflichtlager» im Volksmund angekommen. Die Schweiz ist auf Importe von Rohstoffen aus dem Ausland angewiesen, da der Selbstversorgungsgrad nur rund 50 Prozent beträgt. Werden diese Lieferungen unterbrochen und es entsteht eine schweizweite Mangellage, eben beispielsweise aufgrund eines Krieges, greift der Staat auf diese Lagerreserven zurück. Diese werden vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung BWL überwacht.

Es gibt dabei vier Kategorien von Pflichtlagern: Ernährung, Energie, Heilmittel und Industrie. Das BWL schliesst mit Unternehmen Pflichtlagerverträge ab, die die Unternehmen dazu verpflichten, von einem bestimmten Gut eine definierte Menge an einem vorgesehenen Ort zu lagern. Diese Güter sind Eigentum der Unternehmen, werden regelmässig umgeschlagen und von den betroffenen Unternehmen über ihre regulären Absatzkanäle verkauft. Zudem überprüft das BWL die Lager stichprobenartig.

Süsse Energiereserven

Im Bereich Ernährung werden einerseits direkt konsumierbare Nahrungsmittel wie Reis, andererseits auch zu verarbeitende Produkte wie Hartweizen oder Brotgetreide als Pflichtlagerbestand gehalten. «Pflichtlager bezwecken die Vorratshaltung lebensnotwendiger Güter zur Überbrückung von Krisen und Mangellagen», so steht es auf der Website von Réservesuisse, der Selbsthilfeorganisation aller Unternehmen, die Nahrungs- und Futtermittelpflichtlager führen. Aber es finden sich auch, auf den ersten Blick, im Notfall eher verzichtbare Lebensmittel in den Pflichtlagerbeständen. Zum Beispiel Zucker.

Dass von Kaffee niemand satt wird, ist klar.

Mit Zucker alleine kann man schliesslich keine ganze Mahlzeit ersetzen. Jedoch kann Zucker in einer Notsituation helfen, den Kalorienbedarf rasch zu decken. «Ausserdem eignet sich Zucker gut als Pflichtlagerprodukt, weil er lange haltbar ist», meint Thomas Grünwald, Mediensprecher des BWL. Lebensnotwendig bedeutet auf Lebensmittel bezogen: Der Körper benötigt Nährstoffe und Energie aus der Nahrung, um zu überleben. Letzteres ist also durch den Zucker gedeckt. Aber wie sieht es mit Kaffee, dem sogenannten schwarzen Gold aus?

Dass von Kaffee niemand satt wird, ist klar. Warum also wird ein Produkt gelagert, das erst noch von weit her importiert wird? Manch einer mag spötteln: Lasst uns noch schnell einen leckeren Milchkaffee trinken, während die Welt aus den Fugen geraten ist.

Kaffee-Land Schweiz

Gemäss Procafé Vereinigung zur Förderung von Kaffee werden rund 50 bis 55 Prozent des weltweiten Kaffeehandels über die Schweiz organisiert. Über 85 000 t Rohkaffee wurden im Jahr 2023 zum Eigenbedarf importiert. Bereits im 16. Jahrhundert entdeckten Kaufleute das lukrative Geschäft mit Kaffee. Sie importierten die braune Bohne und andere Rohstoffe aus Kolonialländern in Afrika und Asien und verkauften diese weiter.

Hinzu kommen zwei Schweizer Erfindungen, die den Kaffeemarkt verändert haben: löslicher Kaffee und Aluminium-Kapseln, beides Erfindungen des Westschweizer Konzerns Nestlé. Diese Produkte werden nach wie vor in der Schweiz hergestellt und weltweit exportiert. Das macht die Schweiz zu einer der grössten Kaffeehändlerinnen weltweit.

Über die Landesgrenzen hinaus ist die Schweiz auch für ihre hervorragenden Kaffeemaschinen bekannt.

Kaffee – für die Schweiz überlebenswichtig

2019 schlug eine Vernehmlassung vor, das Pflichtlager von Kaffee aufzuheben, da dieser keine Kalorien liefert. Die Rückmeldungen ergaben aber eine klare Aussage zur Wirkung des Kaffees. Das koffeinhaltige Heissgetränk ist immens wichtig für die Psyche und die Moral der Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Der Bundesrat hat daher beschlossen, die Pflichtlager für Kaffee weiterhin aufrechtzuerhalten.

Herr und Frau Schweizer trinken unglaublich gerne Kaffee. Fast 95 l Kaffee werden hierzulande jährlich pro Person konsumiert. Das entspricht rund 633 Tassen im Jahr oder fast zwei Tassen täglich. Somit trinkt die Schweizer Bevölkerung mehr Kaffee als Süssgetränke (rund 88 l pro Jahr).

Ändern sich die Essgewohnheiten, werden Sortimentsanpassungen vorgenommen.

Aber die Beliebtheit eines Produkts entscheidet nicht über die Pflichtlagerbestände. Welche lebenswichtigen Güter eingelagert werden, entscheidet der Bundesrat. Es geht vorwiegend darum, welche Güter den durchschnittlichen Bedarf der Schweizer Bevölkerung in einer Krisensituation über einen bestimmten Zeitraum decken können. Trotzdem hat die Bevölkerung einen Einfluss darauf, welche Produkte vom Bund bestimmt werden. Auf die Frage, warum Reis eingelagert wird und nicht eine einheimische Alternative, entgegnet Grünwald: «Die Zusammensetzung der Pflichtlager orientiert sich auch an den Essgewohnheiten der Bevölkerung. Reis ist für viele in der Schweiz ein Grundnahrungsmittel.» Sollten sich diese Essgewohnheiten aber wesentlich ändern, würden Sortimentsanpassungen durchgeführt.

Kakao, Kohle und Krisenmanagement

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in der Schweiz ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Die Pflichtlager enthielten nicht nur lebensnotwendige Nahrungsmittel oder Medikamente, sondern auch alltägliche Güter wie Seife, Kohle, Metalle oder Schrauben. Dass im Land der Schoggi auch Kakao eingelagert wurde, verwundert nicht.

Die Pflichtlagerbestände sind heute auf einen Zeitraum von rund vier Monaten ausgelegt. Dies war aber nicht immer so. Bis nach dem Kalten Krieg waren die Lagerbestände höher, sodass die Schweiz zwölf Monate auskommen würde.

Aber könnte die Schweiz abgeschnitten von allen Importen heute tatsächlich überleben? Dies sei von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, insbesondere, ob nur Nahrungsmittel oder auch Energieträger betroffen sind, gibt das BWL an. Und solche Krisen entstehen nicht nur durch Kriege oder Pandemien. Äussere Einflüsse wie Unwetter, Erdbeben oder Überschwemmungen, wie sie diesen Herbst in Osteuropa vorkamen, aber auch technische Störungen können die logistische Versorgung über mehrere Tage lahmlegen. Das BWL empfiehlt daher jedem Haushalt, sich auch zu Hause einen Notvorrat anzulegen, um sich im Ernstfall immerhin für eine Woche selbst verpflegen zu können – ohne externe Unterstützung. Dazu startete Anfang Oktober 2024 eine Informationskampagne in Zusammenarbeit mit Detailhändlern, um die Bevölkerung für diese wichtige Thematik zu sensibilisieren (www.notvorratsrechner.bwl.admin.ch). «Ein Notvorratsrechner hilft allen Interessierten, ihren individuellen Vorrat zu berechnen. Auch informiert ein interaktives Lehrvideo insbesondere jüngere Personen über die Notwendigkeit eines Notvorrats», erklärt Grünwald.

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