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Landleben

Seidenproduktion in der Schweiz

Seide gilt seit Jahrhunderten als «Stoff der Könige». Ursprünglich in China entdeckt, verbreitete sie sich später aus dem asiatischen Raum in die ganze Welt. Nach einer hundertjährigen Pause ist die Seidenproduktion und -verarbeitung vor fünfzehn Jahren in die Schweiz zurückgekehrt.

Beim Seidenspinner handelt es sich um einen eher unauffälligen Nachtfalter.

Beim Seidenspinner handelt es sich um einen eher unauffälligen Nachtfalter.

(Swiss Silk)

Publiziert am

freie Journalistin

Das Schloss Salenegg in Maienfeld (GR) ist das älteste Weingut Europas. Helene von Gugelberg trägt seit 1997 die Verantwortung für das Anwesen, das seit mehr als 300 Jahren im Besitz ihrer Familie ist. Seither hat sie das Schloss und das Land rundum nicht nur verwaltet, sondern aktiv gestaltet und wirtschaftlich selbstständig in die Zukunft geführt. Vor der imposanten Kulisse des Schlosses pflanzte die initiative Schlossherrin vor zehn Jahren 120 Maulbeerbäume. Pro Specia Rara war damals auf der Suche nach alten Maulbeerbäumen und so hörte sie vom neu gegründeten Verein Swiss Silk. Die Bodenverhältnisse erwiesen sich als ideal für die weissen Maulbeerbäume. Zudem überzeugte von Gugelberg die zeitliche Autonomie, es mit der Aufzucht der Seidenraupen zu wagen.

Grosses Fressen der Raupen

Helene von Gugelberg merkte rasch, dass die Aufzucht der Insekten anspruchsvoll ist. Dank der Unterstützung vom Verein Swiss Silk musste sie nicht alle Fehler selbst machen. Man muss sehr sauber und gewissenhaft arbeiten, damit möglichst viele saubere Kokons als Endprodukt anfallen. Deren Inhalt sei ein einziger Seidenfaden von bis zu 2000 m, so von Gugelberg. Seidenraupen fressen ausschliesslich die Blätter des weissen Maulbeerbaums. Im Zuchtraum muss eine kontrollierte Feuchtigkeit und Temperatur gewährleistet sein. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit dort könne nämlich leicht Schimmelpilz entstehen.

Eine Standardeinheit von 20 000 Seidenraupen frisst bis zur Verpuppung rund 600 kg Blätter. Diese werden frisch geerntet und täglich zwei- bis viermal verfüttert. Am Anfang erhalten die kleinen Raupen noch feine, zarte Blättchen. Später, wenn das «grosse Fressen» einsetzt, wie von Gugelberg es nennt, können auch frische, grosse und trockene Blätter verfüttert werden.

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Nach drei Wochen ist die Verwandlung der Raupe zum Nachtfalter abgeschlossen.

(Swiss Silk)

Raupen häuten sich viermal

Helene von Gugelberg züchtet zweimal im Jahr, jeweils im Frühsommer und vor der Traubenernte 5000 Seidenraupen. Die 2,5 g Eier, die sie dafür benötigt, hat ihr Ueli Ramseier, Präsident von Swiss Silk und Initiator der Schweizer Seidenproduktion, zuvor aus Italien geliefert. Einmal geschlüpft, beginnen die «Frischlinge» zu fressen und vervielfachen ihr Gewicht während der kommenden 30 Tage um das 10 000-fache. Wegen der enormen Gewichtszunahme müsse die chitinisierte Körperdecke viermal abgeworfen und erneuert werden. Chitin ist ein Biomolekül, ähnlich der Cellulose. Am Ende des fünften Alters (nach der vierten Häutung) sei die Raupe spinnreif. Die fingerdicke Raupe sei jetzt ungefähr zehn Zentimeter lang und fünf Gramm schwer. Zudem alles andere als hübsch, erklärt von Gugelberg. Die Raupe bilde in den zwei Drüsen am Unterkiefer das Protein Fibroin. Indem sie ihren Kopf von Seite zu Seite bewegt, entsteht der Kokon. «Dieser Prozess dauert ungefähr drei bis vier Tage», sagt die Produzentin. Anschliessend werden die Kokons bei 110 °C in einem speziellen Trocknungsgerät getrocknet und bei Swiss Silk für die Verarbeitung abgeliefert.

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Seidenraupen beim Einspinnen.

(Swiss Silk)

 

 

«Die Futterherstellung muss frei von Insektiziden erfolgen.»

Helene von Gugelberg, Seidenproduzentin

Nachhaltig von Schweizer Seide

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Helene von Gugelberg

(zvg)

Seidenprodukte aus der Schweiz sind ein wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiges Produkt. Die Herstellung des Futters müsse vollkommen frei von Insektiziden erfolgen, da das Immunsystem der Seidenraupen äusserst empfindlich auf Umweltstörungen reagiert, erklärt Helene von Gugelberg. Swiss Silk legt grossen Wert auf wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Die Produktion und Verarbeitung der Seide wurde vom ersten Tag an mit in der Landwirtschaft geltenden Vergütungen abgerechnet. Nur so sei die Wirtschaftlichkeit gegeben und werde nicht durch Freiwilligenarbeit verfälscht. Auch werden die Nebenprodukte zu hundert Prozent verwertet. Ein grosser Teil des Seidenproteins, etwa fünfzig Prozent der Gesamtproduktion, geht heute in die Medizintechnik, wo Membrane und Implantate für die Orthopädie und die Zahnmedizin hergestellt werden. Auch in der Kosmetikindustrie wird Seidenprotein wegen der pflegenden Eigenschaften gerne genutzt. Zu guter Letzt wird der Kot als Dünger eingesetzt und die verpuppten Larven werden als proteinreiches Tierfutter verwertet.

Fakten zur Produktion von Seide in der Schweiz

– 2020 wurden etwa 250 kg Kokons produziert. In den Jahren 2021 bis 2023 war die Produktion tiefer, unter anderem aufgrund von Verlusten durch Hagel und Hitze beim Transport der Eier.

– Man unterscheidet zwischen Haspelseide (der lange Faden wird in einem Zug vom Kokon abgewickelt), Schappseide (Reste des bereits abgehaspelten Kokons) und der Verwertung der Seidenproteine in der Medizin und der Kosmetik.

– Swiss Silk schätzt das Schweizer Marktpotenzial auf eine Tonne Kokons.

– Aktuell gibt es 15 Produzenten für Schweizer Seide, drei sind Hobbyproduzenten.

– Die Kokons werden in der eigenen Manufaktur weiter verarbeitet. Sowohl dort als auch auf einigen Betrieben werden Führungen angeboten.

– Gemäss Ueli Ramseier produziert der Verein Swiss Silk nicht zu einem Weltmarktpreis, sondern für eine Nische. Die Produkte können online oder bei einigen Produzenten gekauft werden. Zudem arbeitet der Verein mit verschiedenen Marktpartnern zusammen.

Weitere Informationen unter www.swiss-silk.ch

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