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Landleben

Mit Zandern zu neuen Ufern

Im ehemaligen Milchviehstall des Betriebs Erlimatt in Zeglingen (BL) hat ein ungewöhnlicher Wandel stattgefunden. Wo früher Milchkühe standen, tummeln sich heute Zander in modernen Wasserbassins. Mit viel Innovationsfreude wurde der leerstehende Stall zur Fischzucht umfunktioniert.

Die Schuppen des Zanders sind klein und eng anliegend, wodurch die Haut relativ glatt wirkt. Daher sind sie auch schwerer von der Haut zu lösen.

Die Schuppen des Zanders sind klein und eng anliegend, wodurch die Haut relativ glatt wirkt. Daher sind sie auch schwerer von der Haut zu lösen.

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Redaktorin UFA-Revue

Text: Dr. Katharina Kempf

Im Milchviehstall ist es ruhig und warm. Nur vereinzelte Lämpchen an der Decke spenden etwas Licht. Hin und wieder durchbricht ein lautes Plätschern die Stille. Dieses Geräusch stammt jedoch nicht von einer Kuh, die ihren Durst stillt, sondern von den Zandern, die 2017 in den Stall eingezogen sind. Die Wasserbassins mit den Fischen stehen auf dem Betrieb Erlimatt in Zeglingen (BL). Der Hof und die Aquakultur «Zeglinger Zander» gehören Reto Rickenbacher und seiner Familie.

Aber zuerst ein Blick in die Vergangenheit: Als Reto den elterlichen Hof in vierter Generation übernahm, bewirtschaftete er neben der Mutterkuhhaltung auch Obstbaumanlagen als zweiten Betriebszweig. Auf die Frage der UFA-Revue, warum er sich für die Zanderzucht entschied habe, antwortet Reto Rickenbacher: «Im Gegensatz zu meinem Vater hatte ich keine echte Leidenschaft für die Obstproduktion mit Kirschen, und zudem bereitete die Kirschessigfliege zunehmend Probleme.» Also musste eine Alternative gefunden werden – und die schwamm ihm bei seinen Recherchen quasi von selbst ins Netz. Reto entschied sich nach Bauchgefühl und ohne lange zu «studieren» für die Zanderzucht. «Ich hatte viel Glück, dass es kaum Probleme gab und schnell gut funktionierte», schmunzelt er.

Der Wolf unter den Fischen

Der Zander wurde zum Fisch des Jahres 2025 gekürt. Ursprünglich eingewandert, lebt er seit etwa 60 Jahren in der Schweiz und fühlt sich in Seen wie dem Murten-, Bodensee oder Lago di Lugano sowie in Flüssen und Kanälen heimisch. Als geschickter Jäger verlässt er sich auf seine scharfen Augen und die empfindliche Seitenlinie, um Beute aufzuspüren. Ähnlich wie Wölfe jagt er oft in Gruppen und koordiniert seine Angriffe. Während der Laichzeit baut das Männchen ein Nest, lockt ein Weibchen an und bewacht die Eier bis zum Schlüpfen der Jungfische. Der Zander gehört zur Familie der Barsche und ist sowohl als Speise- als auch als Sportfisch äusserst begehrt. Sein festes, weisses und grätenarmes Fleisch gilt als besonders schmackhaft und leicht zuzubereiten.

Vom Kuhstall zum Fischstall

Die Familie Rickenbacher hatte vor 20 Jahren die Milchviehhaltung aufgegeben und der Stall stand seitdem leer. Reto wandelte ihn in eine hochmoderne Fischzuchtanlage um. Heute tummeln sich dort in 15 Becken (4 grosse mit je 7,2 m3, 8 kleine mit je 3,5 m3 und 3 Quarantänebecken) über tausend Fische. Die Wasserqualität wird streng kontrolliert: Es stammt aus dem Leitungsnetz und hat Trinkwasserqualität. Dies ist zwar teurer, bringt aber Vorteile hinsichtlich Qualität und Sicherheit. Das Wasser aus den Bassins wird in einer eigenen Kläranlage gereinigt und jede Stunde 1,5-mal umgewälzt. Das ist wichtig, da Fische vor allem Ammonium ausscheiden. Dieses wird von der Biologie der Kläranlage – den guten Bakterien – in Nitrit und schliesslich in Nitrat umgewandelt. Diese erwünschten Bakterien haften an kleinen Kunststoffwürfeln mit siebartiger Struktur, wodurch sie eine sehr grosse Oberfläche bieten. UV-Licht sorgt für Keimfreiheit, und als Clou verhindert Regeneriersalz aus der LANDI Kalkablagerungen. Die Wassertemperatur wird auf etwa 22 °C gehalten, und mit Bicarbonat wird der pH-Wert stabilisiert. Doch auch wenn alles reibungslos klingt, musste die Familie Rickenbacher anfangs experimentieren. Das nötige Wissen brachte Reto aus seiner Ausbildung in Aquakultur an der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) Wädenswil mit.

Ein «verschläckter» Fisch

Zander leben von Natur aus in Gruppen, was sie zu perfekten Kandidaten für die Aquakultur macht. Die kleinen Zander, die gerade einmal 20 g wiegen, kauft Reto Rickenbacher aus einer Zucht in Rafz (ZH). Nach ihrer Ankunft in Zeglingen werden sie über ein automatisches System stündlich mit pelletiertem Trockenfutter aus Fischmehl gefüttert. Das ist wichtig, da Zander als Raubfische recht wählerisch beim Fressen sind. Damit sie sich nicht gegenseitig «anknabbern», ist es notwendig, die Gruppen in den Bassins ein- bis zweimal im Monat zu sortieren. Seien die Wachstumsunterschiede zu gross, besteht die Gefahr von Kannibalismus, erklärt Reto. Sind alle Fische gleich gross, wird es ruhiger im Becken. Auch die eher flache Beckentiefe von 80 cm hat hier einen positiven Effekt.

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Reto Rickenbacher

«Sind die Wachstumsunterschiede zu gross, besteht die Gefahr von Kannibalismus.»

Reto Rickenbacher, Landwirt

Gibt es in solchen Aquakulturen auch Probleme mit Krankheiten? Der Landwirt berichtet, dass seine Zander bisher kaum betroffen waren. Hautprobleme oder Parasiten in den Kiemen können auftreten, doch dem kann durch das Aufsalzen des Wassers auf 0,5 % entgegengewirkt werden. Zweimal im Jahr kontrolliert ein Fischspezialist die Haltung und den Gesundheitszustand der Tiere. Zusätzlich gibt es Besuche der Lebensmittelkontrolle, die sich jedoch vor allem auf das Endprodukt, das Filet, konzentrieren. Dieses wird vakuumiert und eingefroren.

Ein Jahr bis zum Zielgewicht

Wann ist die Schlachtung so weit? Der Landwirt erklärt, dass die Zander mit einem Alter von 12 bis 15 Monaten geschlachtet werden. Dann haben sie ein Gewicht von etwa 800 g erreicht. In diesem Alter sind sie noch nicht geschlechtsreif, was für die Gewichtszunahme von Vorteil ist. Später wird das Futter nicht mehr effizient verwertet. Letztlich ergeben 1,4 kg Futter etwa 1 kg Fleisch.

Die Schlachtung erfolgt wöchentlich. Dazu werden die Tiere mit Strom betäubt und anschliessend durch einen Kiemenschnitt getötet. Danach werden die Fische maschinell und von Hand entschuppt. Beim anschliessenden Filetieren bleibt eine Ausbeute von etwa 43 %. Der Rest ist leider nicht gefragt und wird in einer Biogasanlage in Pratteln verwertet.

Vom Filet zum Foodtruck

Die Familie Rickenbacher verkauft den Zander hauptsächlich als Filet direkt auf dem Markt in Sissach, über den Onlineshop, an Restaurants oder auf Anfrage. Ganze Fische? Die will fast niemand. Dafür sind die knusprigen Fischknusperli aus dem neuen Foodtruck besonders beliebt. Kunden schätzen den regionalen Fisch mit garantierter Qualität.

Reto Rickenbacher erzählt amüsiert, dass die Nachfrage geografische Muster zeigt: In flussnahen Städten wie Olten sei das Interesse besonders hoch. Möglicherweise liegt es daran, dass die Menschen dort einen engeren Bezug zu frischem Fisch haben.

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Zander besitzt wenig Gräten, die sich beim Filetieren leicht entfernen lassen.

Die Zander sind ein Familienprojekt

Doch trotz guter Produktionszahlen sucht Reto Rickenbacher noch nach Wegen, seine Produktion weiter zu optimieren. 2024 produzierte er 5000 Fische, doch sein Ziel liegt bei 6000 bis 7000 – was mit seiner Anlage machbar wäre. Er arbeitet mit Experten der ZHAW Wädenswil daran, Optimierungspotenziale zu identifizieren. Die Fischzucht in der Schweiz ist noch ein kleines Pflänzchen, aber sie wächst. Um sich gut zu vernetzen und auf dem neuesten Stand zu bleiben, ist der Landwirt Mitglied im Verein Schweizerischer Aquakultur.

Reto verbringt im Schnitt etwa eine Stunde pro Tag bei den Zandern, die restliche Zeit widmet er den Mutterkühen. Dass er sich seine Zeit so gut einteilen kann, liegt auch daran, dass seine Frau Marisa, sein Vater Hans und seine Mutter Heidi gemeinsam an einem Strang ziehen. 

Betriebsspiegel Erlimatt Zeglingen

Bewirtschaftet seit 2018 von Reto und Marisa Rickenbacher

LN: 36 ha Landwirtschaftliche Nutzfläche

Tiere: 27 Mutterkühe (Natura-Beef), 4 Schwarznasenschafe, Zanderzucht

Ackerbau zur Versorgung der Tiere: 1 ha Mais, 6 ha Acker und der Rest Grünflächen

www.zeglingerzander.ch

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