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Pflanzenbau

Kartoffelkäferinvasion im Zürcher Weinland

Mitte Juli 2020 sorgen die Kartoffelkäfer für enorme Schäden an den Kartoffelkulturen. Innert weniger Tage werden Teile ganzer Kartoffelfelder durch die Käfer und Larven kahlgefressen. Wenn nicht gehandelt wird, droht ein Totalausfall.

Die rund ein Zentimeter langen Kartoffelkäfer sind gut erkennbar

Die rund ein Zentimeter langen Kartoffelkäfer sind gut erkennbar

(Roland Müller)

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In gewisser Hinsicht lässt sich die Heuschrecke, welche aktuell in Afrika und Asien wütet und schwerste Krisen auslöst mit dem Kartoffelkäfer vergleichen. Wo diese beiden Schädlinge in Massen auftreten, sind die angerichteten Frassschadbilder die gleichen.  Zurück bleiben völlig kahlgefressene Kulturen, bei der Heuschrecke tragische Hungersnöte und bei den Kartoffeln Totalausfälle. Der gefrässige Kartoffelkäfer, welcher erstmals 1811 in Colorado auf Nachtschattengewächsen festgestellt wurde, verursacht als Larve wie auch Käfer einen Blattrand- und Lochfrass. Seine ursprüngliche Herkunft gab ihm auch bei uns den Übernamen Coloradokäfer. Ohne Gegenmassnahmen kann er bei einem Massenauftreten auf den betroffenen Kartoffelfeldern einen Totalschaden verursachen. Dank der konsequenten Bekämpfung in der Nachkriegszeit konnte er bei uns in Schach gehalten und fast zum Verschwinden gebracht werden.  Doch in letzten Jahren hat er sich wieder etablieren können. Verschiedene Anbauformen vernachlässigten die konsequente Bekämpfung. Zugleich fand er in Durchwuchskartoffelstauden in Folgekulturen vielfach einen neuen Lebensraum, um grössere Populationen aufzubauen. Entsprechend ist er jetzt auch wieder zu einem erstzunehmendem Problem geworden.

Sein Auftreten auf Kartoffelfeldern ist nun wieder vermehrt der Fall. Die typischen, gut erkennbaren rund 10 Millimeter langen Käfer haben einen bräunlichen Kopf mit schwarzen Punkten und über den Rücken ziehen weisse und dunkle Streifen. Pro Tag frisst er rund 10 cm2 Blattfläche. Die ähnlich grossen Larven, welche aus den auf der Blattunterseite abgelegten Eiern schlüpfen, sind zunächst leuchtend rot und später rotgelb. Seitlich zeigen sich je zwei Reihen dunkler Flecken. Sie sind aber deutliche gefrässiger als die Adulten und fressen pro Tag gar das Vierfache an Blättern.

Die Käfer haben sich im vergangenen Winter tief in den Boden eingegraben und werden ab rund 10 Grad Bodentemperatur wieder an der Oberfläche aktiv. Nach der Paarung legen die Weibchen auf die Blattunterseiten 20 bis 30 einzelne Gelege mit je 10 bis 30 Eiern ab. Es dauert dann etwa 15 Tage, bis aus den Eiern die Larven schlüpfen. Diese wiederum leben  rund drei Wochen in dieser Form, wobei sie sich dreimal häuten. Zum Ende ihrer Larvenzeit lassen sie sich fallen und graben sich wenige Zentimeter in den Boden ein. Nach weiteren 14 Tagen schlüpft daraus die Adulte und somit eine neue Generation der Kartoffelkäfer.

Schüler mussten sammeln

Der Kartoffelkäfer war über Jahrzehnte ein grosses Problem und konnte die Versorgungssicherheit mit einem der wichtigsten Grundnahrungsmittel gefährden oder gar in Frage stellen. Im Kalten Krieg wurde von biologischer Kriegsführung gesprochen, weil beispielsweise in der DDR immer wieder der Vorwurf laut wurde, dass der Westen ganz gezielt diesen Schädling über den ostdeutschen Kartoffelfeldern abgeworfen hätte. Doch auch bei uns gab es bei der konkreten Bekämpfung nur eine Option, nämlich das Ablesen der gefrässigen Käfer und Larven. Entsprechend standen oftmals tagelang ganze Schulklassen im Einsatz, um diese auf den Kartoffelfeldern einzusammeln und damit die Entwicklung der Population einzudämmen.  Im Buch über Menschen am Schellenberg (FL) ist folgendes aus dem Jahre 1933 zu lesen: „Als der Käfer die Schweiz erreichte, wurde sogleich nach einem Bekämpfungsmittel geforscht. Vorerst wurden überall Flugblätter verteilt und die Leute aufgefordert, die Larven und Käfer von den Kartoffelstauden abzulesen.  In den Schulen wurden die Schüler auf das Ablesen des Käfers vorbereitet, was bedeutete dass Schulklassen mit ihren Lehrern tagelang Käfer und Larven ablasen, auch im Schellenberger Riet“.

Eine ähnliche Aussage findet man in einer alten Fachzeitschrift aus der DDR: „In organisierten Suchtrupps sammelten die Menschen, oft auch Schulkinder, die Käfer von den Blättern der Kartoffelpflanzen, ertränkten sie in einer Dose mit Petroleum oder Altöl, zündeten sie an oder warfen sie den Hühnern zum Frass vor“. Heute ist diese Bekämpfungsform in unseren Breitengraden wohl völlig unvorstellbar. Wer möchte wohl die Ferienzeit mit einem tagelangen Einsatz im Kartoffelfeld tauschen. Denn in den letzten Jahrzehnten werden dafür Pflanzenschutzmittel eingesetzt, welche dem Käfer den Garaus ausmachte oder ihn wenigstens in Schach halten konnte. Doch dafür muss bei einem Befall zuerst die eher hoch angesetzte Schadschwellen erreicht werden, indem pro Are ein bis zwei Befallsherde oder 30 Prozent der Pflanzen mit jungen Larven befallen sind.  Dabei kommt im konventionellen Anbau wie auch im Biolandbau unter anderem ein breit angewendete Insektizid mit dem Wirkstoff Spinosat zum Einsatz. 

Quelle: Roland Müller

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