UFA-Revue: Welches Potenzial hat die Landwirtschaft für die Produktion von erneuerbarer Energie?
Christian Bach: Wenn man sich das Wald-, Biogas- und Grüngutpotenzial anschaut und die vielen Dachflächen, die für Photovoltaik zur Verfügung stehen, dann ist das Potenzial auf alle Fälle gross. Angesichts der Klimaerwärmung einerseits und des Energiebedarfs andererseits müsste es das Ziel sein, dieses Potenzial auszunutzen. Das energetische Potenzial für die Biogaserzeugung alleine liegt bei gegen 5000 GWh.
Sollte sich die Landwirtschaft nicht auf ihr Kerngeschäft, die Nahrungsmittelproduktion beschränken?
Dieses Potenzial steht in einem direkten Zusammenhang mit der Nahrungsmittelversorgung, und es ist enorm gross. In dieser Grössenordnung ist es das zweitgrösste Ausbaupotenzial, das wir haben, nach Photovoltaik. Es ist auch im Sinne der Landwirtschaft, wenn diese Kreisläufe geschlossen werden. Zudem gibt es wohl kein besseres «Upcycling», als Gülle und Grüngutabfälle in Energie umzuwandeln. Wie es aber in der Landwirtschaft heute läuft – nämlich eine kleine Biogasanlage nebenbei zu betreiben – ist sicher kein zukunftsfähiges Modell.
Wie sieht das Modell der Zukunft aus?
Die Landwirtschaft sollte eine schweizweite Strategie entwickeln, wie man das energetische Potenzial entwickelt. Dafür müssten sich Landwirte und Landwirtinnen zusammentun und Allianzen schmieden. Die einen haben grosse Dachflächen, die anderen produzieren viel Gülle, die dritten verfügen über Biogasanlagen usw. Wenn es nicht gelingt, Allianzen zu bilden und die Systeme zu koppeln und grösser zu machen, wird ein Ausbau kaum möglich sein. Dabei geht es um verschiedene Energieträger wie Ökostrom, Biogas, Pflanzenöl, Holz oder Fernwärme. Neben Nahrungsmitteln auch Energie zu produzieren, ist ein Thema, das die Branche meines Erachtens genauer anschauen sollte.
Die Politik scheint von Biogas nicht überzeugt zu sein, oder zumindest nicht genug?
Das sehe ich auch so; deshalb ist die jetzige Situation unbefriedigend. Dabei zeigen wichtige Transporteure, beispielsweise im Detailhandel, grosses Interesse für Biogaslastwagen, welche eine CO 2 -Reduzierung gegenüber Diesellastwagen um rund 80 Prozent ermöglichen. Ohne Gleichbehandlung bei der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) mit anderen CO 2 -armen Antriebskonzepten wie Elekt-ro- oder Brennstoffzellenantrieb wird sich das aber nicht umsetzen lassen. Das Parlament hat einer solchen Idee im letzten Jahr zwar zugestimmt; sie ist aber in der aktuellen Gesetzesrevision nicht enthalten.
Im Grunde fehlt ein Gesamtenergiekonzept für die Landwirtschaft, um von Fossilenergie unabhängig zu werden?
Solange es für fossilen Diesel in der Landwirtschaft eine Mineralölsteuerbefreiung gibt, wird es kaum möglich sein, sich von Fossilenergie zu trennen. Die Landwirtschaft setzt zudem teilweise auch spezielle Maschinen ein, die nicht so einfach elektrifiziert oder mit Biogas betrieben werden können. Dort kommt nur biogener oder synthetischer Diesel infrage. Dazu bräuchte es wiederum Wirtschaftlichkeits- und Versorgungskonzepte.
Was die Motoren angeht, wie sieht die Zukunft für Landwirtschaftsmaschinen aus?
In gewissen Bereichen wird es möglich sein, elektrische Maschinen zu betreiben. Nicht aber für die grossen Maschinen, und das sind genau die relevanten CO 2 -Emittenten. Für sie werden auch in Zukunft Verbrennungsmotoren eingesetzt werden, allerdings nicht mehr mit fossilem Diesel, sondern mit erneuerbaren biogenen Treibstoffen wie HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) oder strombasiertem, synthetischem Diesel.
Können die aktuellen Motoren mit solchen Treibstoffen funktionieren?
Ja, mit HVO gibt es keine Einschränkung, auch nicht für die Lagerhaltung im Winter, im Gegensatz zu herkömmlichem Biodiesel. Der synthetische Diesel, der mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt wird, stellt ebenfalls kein Problem für bestehende Motoren dar. Die Technik ist auch hier, wie in vielen anderen Bereichen, nicht der Engpass. Das Problem ist die Wirtschaftlichkeit. Daran muss gearbeitet werden. Europaweit beträgt die HVO-Produktion Millionen von Litern. Auch hier ist nicht die Technik der limitierende Faktor. Es braucht auch auf der wirtschaftlichen Seite entsprechende Lösungsansätze.
Was sind die konkreten Ansätze?
Wir haben ein einfaches Umlagekostenmodell angeschaut und berechnet, um wie viel man Fossiltreibstoffe verteuern müsste, um diese bis 2050 vollständig durch synthetische Treibstoffe zu ersetzen. Das Resultat ist, dass eine Umlage lediglich etwa 10 Rappen pro Liter Diesel betragen müsste. Anders als bei der CO 2 -Abgabe würde dabei das Geld nicht an die Bevölkerung zurückverteilt, sondern zur Verbilligung von synthetischen Treibstoffen eingesetzt. Bis 2050 würde sich synthetischer Diesel insgesamt auf rund Fr. 2.40 pro Liter verteuern, inklusive heutiger Mineralölbesteuerung.
Zur Person
Christian Bach ist Leiter der Abteilung «Fahrzeugantriebssysteme» an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungs anstalt (Empa) in Dübendorf (ZH) und diplomierter Automobil-Ingenieur der Fachhochschule Biel. Er ist Lehrbeauftragter im MAS «Mobilität der Zukunft» an der ETH und für «Verkehrstechnik, Politik und Regulierung» an der HSLU sowie Mitglied verschiedener Expertengruppen.