Seit dem 1. Mai 2019 gilt für landwirtschaftliche Fahrzeuge mit einer Sichtfeldeinschränkung durch Vorbaugeräte eine neue Verordnung. Zuvor sah der Gesetzgeber keine Massnahmen vor, welche die Sicht bei Fahrzeugen auf der Strasse mit einem vorderen Überhang von über vier Meter (Länge von der Mitte der Lenkvorrichtung aus gemessen) regeln. Diese Lücke wurde nun geschlossen. Jedes Fahrzeug dieses Typs muss mit einem Kamerasystem ausgestattet sein, das an der Frontseite befestigt und an einen Monitor angeschlossen ist.
Maschine mit Frontanbau
Für landwirtschaftliche Maschinen mit einem vorderen Überhang von unter drei Meter sind Sichtgeräte nicht erforderlich.
«Bei einem Überhang von drei bis vier Meter hingegen ist an den seit Mai 2019 verkauften Maschinen das Anbringen von weitwinkligen, in V-Form montierten Seitenblickspiegeln obligatorisch, die je eine Spiegelfläche von mindesten 500 cm 2 aufweisen müssen. Vorher betrug die Mindestfläche 300 cm 2 , aber dieses Mass ist nicht rückwirkend. Die Seitenrückspiegel müssen im Querformat angebracht werden. Beträgt der vordere Überhang zwischen vier und fünf Meter, ist das Montieren eines in der Schweiz zugelassenen Kame-ra-Monitor-Systems Vorschrift», erklärt Didier Banderet von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) und ergänzt, dass der vordere Überhang eine Länge von fünf Meter nicht überschreiten dürfe.
Zugelassene Kameras
Zurzeit sind vom Bundesamt für Stras sen (Astra) nur zwei Kameratypen zugelassen: Die Motec-Systeme, die Remund-Berger installiert, und die von BlaserVisio montierten Mekra Lang-Systeme. Laut Schätzungen beider Unternehmen sollten zwischen 2000 und 4000 Fahrzeuge mit diesem Kamera-Monitor-System ausgestattet werden. «Nach unserer Einschätzung sind weniger Fahrzeuge ausgerüstet worden, als es eigentlich sein müssten. Viele Landmaschinen sind noch nicht standardmässig ausgestattet», erklärt Urs Berger von der Remund-Berger AG in Oberbottigen. Gleich tönt es bei BlaserVisio: «Wir gehen aktuell von 2000 Landwirtschaftsfahrzeugen aus, die ausgerüstet werden müssten. Zehn Prozent davon haben wir bereits ausgerüstet, die übrigen 90 Prozent fahren nach wie vor mit unzulässigen Vorbaumassen umher. Diese riskieren im besten Fall eine Anzeige oder bei einem Unfall sogar massive rechtliche und versicherungstechnische Probleme. Auch dann, wenn sie am Unfall gar nicht schuld sind», warnt Lukas Graf, Inhaber der W. Blaser AG in Burgdorf. Bei einem Unfall werde für ein nicht zugelassenes Fahrzeug natürlich keine Sicherheitsleistung erbracht. «Die ersten Kameras wurden in diesem Sommer montiert. Uns wurde mitgeteilt, dass auf dem Markt noch nicht genügend zugelassene Geräte erhältlich sind und die Produktion noch den gesetzlich verlangten technischen Vorschriften angepasst werden muss», vermeldet der Schweizerische Verband für Landtechnik (SVLT). Weiter lässt er verlauten, dass die Landwirte noch etwas Zeit benötigen, um sich mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen vertraut zu machen.
Kameramontage
Die Seitenblick-Kameras des Kame-ra-Monitor-Systems sind möglichst weit vorne anzubringen und dürfen vom vordersten Punkt des Zusatzgerätes höchstens 2,50 Meter zurückversetzt sein. Auf dem Front anbaugerät sind zwei Kameras zu montieren, damit ein sicheres Einbiegen in vorfahrtsberechtigte Strassen und Kreuzungen gewährleistet ist. Die Kameras ermöglichen einen Blick auf die nächste sowie weiter entfernte Umgebung. Zudem verfügen diese zugelassenen Kameras über ein beidseitig beschichtetes, entspiegeltes Glas sowie über ein streulichtoptimiertes Objektiv. Dadurch werden Reflexionen auf ein Minimum beschränkt. Dies ist besonders bei tiefem Sonnenstand oder grellen Autoscheinwerfern wichtig. «Um eine gute Übersicht sicherzustellen, muss der Monitor eine Grösse von mindestens sieben Zoll aufweisen», ergänzt Didier Banderet. In den von der BUL angebotenen Kursen für Sicherheit im landwirtschaftlichen Strassenverkehr werden diese Neuerungen berücksichtigt.
Weitere Sicherheitshinweise
Im Fall eines vorderen Überhangs von mehr als vier Meter muss im Übrigens das Vorbaugerät mit einem rundum oder vorwärts und rückwärts wirkenden gelben Gefahrenlicht ausgestattet sein (VTS Art. 78 Absatz 3, Art. 109 Absatz 6). Auf dem Fahrzeugausweis sind keine entsprechenden Angaben erforderlich. «Mit der Kamera allein ist das Problem nicht gelöst, es braucht auch ein Gefahrenlicht. In der Praxis hat sich gezeigt, dass das gelbe Gefahrenlicht ebenso wichtig ist wie die Kameras», ergänzt Urs Berger.
Nebst Sicherheitsfragen gehören die Kontrollkameras, mit denen beispielsweise Kartoffelroder oder Mähdrescher ausgestattet sind, zum Arbeitsalltag. In diesem Bereich wurde der Grimme SmartView an der Agritechnica 2019 mit dem Innovation Award in Silber ausgezeichnet. Dieses Videosystem bietet eine umfassende Übersicht dank einer Zoomund Slow-Motion-Funktion sowie einer Live-Bildübertragung mit WLAN auf mobile Endgeräte mit grossem Bildschirm, wodurch eine bessere Kontrolle gewährleistet ist. Ab 2020 ist das SmartView System für den selbstfahrenden Kartoffelroder Ventor 4150 serienmässig erhältlich. Für den gezogenen EVO 280 Bunkerroder ist diese Ausrüstung optional erhältlich.
Montage der Kameras und des Monitors
Der Monitor muss im Cockpit in einer Weise angebracht sein, dass:
- die Sicht des Fahrers in keiner Weise beeinträchtigt ist
- die Positionierung zweckmässig ist und die Aufgabe des Fahrers erleichtert wird
- die gewählte Montagestelle möglichst geringen Vibrationen ausgesetzt ist
Die Kameras müssen am Fahrzeug oder Gerät in einer Weise angebracht sein, dass:
- die direkte Sicht des Fahrers nicht beeinträchtigt wird
- der gesamte Winkel der Kamera genutzt werden kann
- der Fahrer ein seitliches Blickfeld hat
- die Montage an einer vibrations armen Stelle erfolgt