Beim Einstieg in die Themenrunde hat Daniel Kellenberger, Professor für nachhaltiges Bauen und Experte in verschiedenen nationalen Plattformen, erklärt, wie die technischen Entwicklungen ursprünglich auf den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich ausgerichtet waren. Der technologische Fortschritt in diesen Bereichen macht heute deutlich, dass bei der Gestaltung auch andere Aspekte zu berücksichtigen sind. Tatsächlich werden bei der Nachhaltigkeitsbeurteilung, die zunächst auf Energiefragen zugeschnitten war, heute auch Themen einbezogen, die zu allen drei Säulen der Nachhaltigkeit gehören: Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Für die Branche ist die Klimafrage von grösster Bedeutung, doch dürfte für diese Herausforderungen nur ein proaktiver Ansatz mit einer globalen Sicht entsprechende Lösungen bringen.
Spezifische Herausforderung zur Nachhaltigkeit
Die Prinzipien der Nachhaltigkeit und die von Kellenberger vorgestellten Instrumente sind eine Inspiration für die Landwirtschaft. Die Anforderungen an Betriebs gebäude unterscheiden sich jedoch von jenen für Wohn- oder Bürogebäude. Bereitgestellte Werkzeuge müssen auf die besonderen Bedürfnisse der Landwirtschaft zugeschnitten sein. Ziel des Projekts «Vision für nachhaltiges landwirtschaftliches Bauen 2030» ist, einen praktischen Leitfaden für Landwirte, Berater und Planer zu entwickeln.
Gemeinsame Visionen für Nachhaltigkeit
Marc Gilgen und Beat Steiner von Agridea haben die neuesten Ergebnisse des Projekts vorgestellt. So wurde für landwirtschaftliche Gebäude zusammen mit den betroffenen Akteuren eine gemeinsame Vision für Nachhaltigkeit entwickelt, in der eine Reihe von Themen, Kriterien und Indikatoren konkretisiert wurden, die gemäss den drei Säulen der Nachhaltigkeit gegliedert sind. Eine anklickbare Version des Leitfadens dient nun als Grundlage zur Entwicklung des endgültigen IT-Tools.
Dieser Leitfaden dient als Hilfestellung, um die richtigen Fragen zu stellen, und unterstützt den Planungsprozess, indem das Thema Nachhaltigkeit von der Projektidee bis zu deren Umsetzung miteinbezogen wird. Er richtet sich an alle Projektbeteiligten und möchte benutzerfreundlich sein mit der Möglichkeit zur Selbstbeurteilung – um die Nutzerinnen und Nutzer zu sensibilisieren –, mit einem Bereich zur Projektbewertung und einem Bereich zur künftigen Entwicklung eines direkten Links mit Fachinformationen sowie guten Beispielen.
Nächste Projektetappen «Vision 2030»
In enger Zusammenarbeit mit den potenziellen Nutzern (Landwirte, landwirtschaftliche Beraterinnen, Planerinnen, Ämtern, Lieferanten usw.) wird das Beratungsvorgehen analysiert und optimiert. Abhängig von der Finanzierung können der praktische Leitfaden und die verschiedenen Instrumente innerhalb von zwei Jahren verfügbar sein. Vision 2030
Von der Idee zur Praxis
Der packende Erfahrungsbericht von Peter Trachsel, Bio-Milchproduzent in Seon (AG) und Präsident der IG Weidemilch, vermittelt ein anschauliches Bild über die Integration von Nachhaltigkeit in den Bauprozess. Der Milchviehbetrieb mit 44 Kühen in der Talzone setzt auf eine nachhaltige Strategie mit einer Low-Cost-Ausrichtung, die auf eine vollständig raufutterbasierte Fütterung ohne Kraftfutter ausgerichtet ist. Die Ziele der Strategie sind klar: spezialisierter Milchbetrieb, kontinuierliche Kostensenkung, mehr Management und wenig Technik, gutes Gleichgewicht zwischen Privat- und Berufsleben, hohe Arbeitsproduktivität (Einkommen / Akh).
Die Stallerweiterung – Liegeboxen/Fütterungsbereich/Krananlage – unterstützt diese Strategie und umfasst auch einschneidende Entscheidungen wie etwa das Gruppenmelken im bestehenden Anbindestall. Die Investitionskosten wurden unter anderem durch einen hohen Anteil an Eigenleistungen gesenkt. Die nachhaltige Strategie als Voraussetzung für die Projektidee wird von Eric Meili von Meiliagroplan propagiert, der das Projekt betreut hat.
Mit Blick auf die positive Wirkung des Projekts auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit meint Trachsel zusammenfassend: «Mit einer Low-Cost-Strategie und entsprechenden Bauten ist es möglich, selbst mit einem kleinen Betrieb ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.»
Aus der Praxis
«Persönliche Werte integrieren»
Empfehlungen an Bauherren für eine eigene Betriebsstrategie
– Eine genaue Zielvorstellung für sich selbst entwickeln (persönliche Zukunftsvision).
– Persönliche und Unternehmenswerte formulieren, welche die eigenen Grundsätze beinhalten.
– Es lohnt sich, Spezialisten beizuziehen, die beim Festlegen der eigenen Strategie helfen.
Empfehlungen für Planer und Baufachleute
– Immer darauf bestehen, dass der Auftraggeber seine Strategie eindeutig definiert und dabei seine Bedürfnisse sowie die familiären und finanziellen Möglichkeiten berücksichtigt.
– Genügend Zeit für die Entwicklung der Strategie einplanen.
– Dem Bauherrn aufmerksam zuhören und dessen Träume verwirklichen.
– Eine gute Zusammenarbeit erfordert gute Beziehungen auf zwischenmenschlicher Ebene.
– Den Landwirt aus seiner Betriebsblindheit befreien.
– Sobald das Gebäude errichtet ist, werden die Folgekosten für die nächsten Jahre ausgelöst und jede weitere Veränderung am Gebäude löst neue hohe Kosten aus.
– Es ist eher problematisch, alles in die Hände des Bauexperten zu geben.
– Es empfiehlt sich, weitere Spezialisten beizuziehen, um die Strategie und das Projekt zu optimieren.