Weltweit macht Trinkwasser nur drei Prozent der gesamten Wassermenge aus, in Europa ist es kaum ein Prozent. In der Februarausgabe 1999 des Unesco-Kuriers berichtete die Organisation, dass die Wasserreserven pro Kopf weltweit innert 50 Jahren um mehr als die Hälfte gesunken sind. Aufgrund des Bevölkerungswachstums und des steigenden Wasserverbrauchs nimmt diese Tendenz immer noch zu.
Regenwassernutzung
Die Nutzung von Regenwasser geht zurück auf die Zeit der Römer und ist bis heute eine verbreitete Technik. In einigen Ländern wie Belgien wird das Regenwasser zum grossen Teil für die Haushaltnutzung gesammelt. In anderen Ländern wie etwa in Frankreich darf das Regenwasser im Haushalt, nicht aber als Trinkwasser verwendet werden. «Fachgerecht gelagertes und regelmässig genutztes Regenwasser weist eine physika-lisch-chemische Zusammensetzung auf, die für alle Anwendungen geeignet ist», erklärt Alain Delplanque, Wassertechniker und Installateur für Wasseraufbereitungssysteme in Domdidier im Kanton Freiburg. Alain Delplanque hat in der Schweiz mehrere Einrichtungen zur Regenwassernutzung installiert. Eine davon befindet sich bei Familie Guillaume in La Côte-aux-Fées im Neuenburger Jura. Auf diesem Bio-Betrieb wird das Regenwasser für die Tierhaltung und den Hausbedarf genutzt. In zwei Tanks zu je 20 m 3 wird das Wasser von rund 500 m 2 Dachfläche gesammelt. «Im Winter beträgt der Wasserbedarf des Viehs ungefähr 1000 Liter pro Tag. Das Regenwasser, das wir seit 2014 nutzen, wird durch vier Filterstufen geleitet und danach trinken wir es ohne eine zusätzliche Massnahme zu treffen», erklärt Stéphane Guillaume.
Qualität von Regenwasser
Regenwasser ist durch seinen geringen Kalkgehalt weich, was verhindert, dass sich Kalk in Leitungen anreichert und Kalkablagerungen in Geräten wie Waschmaschinen und Geschirrspülern auftreten. Ausserdem wird der Bedarf an Wasch- und Reinigungsmitteln gesenkt. Durch die Regenwassernutzung wird weniger Grundwasser benötigt und das Abwasser enthält weniger Schadstoffe. Der Ersatz von gekauftem Mineralwasser durch Regenwasser ohne Zusatzstoffe spart ebenfalls Geld. «Regenwasser ist von Natur aus weich, mineralstoffarm und nahezu pH-neutral, somit ideal für die Körperpflege und die Dusche», ergänzt Alain Delplanque. «Es enthält auch deutlich weniger Schadstoffe als Wasser aus dem Leitungsnetz.»
Einrichtung und Wassermengen
Eine Standardinstallation wie sie Alain Delplanque vorschlägt, umfasst einen üblicherweise erdverlegten Tank, der das Wasser vor Licht schützt und zudem eine gleichmässige Temperatur gewährleistet. Das gewonnene Wasser wird ausschliesslich vom Dach und nicht vom Boden in den Speicher geleitet. Beim Tankeinlauf fliesst das Wasser durch einen Vorfilter, bestehend aus einem 0,44 mm Edelstahl-Filtersieb, mit dem Verunreinigungen zurückgehalten und durch einen Überlauf ausgeschieden werden. Anschliessend gelangt das Regenwasser durch einen 0,1 mm Saug-Schwimmfilter vom Klarwasserbereich im Tank in die Wasser leitung. Ein 0,025 mm Filter und ein Aktivkohle system an der Gebäudezuleitung schliesst die Regenwasserbehandlung ab. «Auf Wunsch kann zusäztlich eine 0,0001 Mikrometer-Osmoseanlage für jenes Wasser installiert werden, das in der Küche genutzt und auch als Trinkwasser konsumiert wird. Wenn das gesamte Nutzwasser Trinkqualität aufweisen muss, ist eine UV-Entkeimung eine gangbare Möglichkeit», erläutert Alain Delplanque. «Die vier Filterstufen genügen im Allgemeinen, um eine gute Wasserqualität zu erreichen», erklärt der Experte, der seit 20 Jahren im Bereich Regenwassernutzung tätig ist. In der Praxis ermöglicht ein 10 m grosses Zisternenvolumen zur Wassergewinnung von 100 m 2 Dachfläche die Wasserautonomie für einen Haushalt von vier bis fünf Personen. Durchschnittliche bis hohe Jahresniederschläge und eine regelmässige Verteilung sind die Voraussetzung, um die Autonomie zu erreichen.
Wasserverbrauch
Gemäss einer Studie des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches SVGW sinkt der Wasserverbrauch in der Schweiz seit einigen Jahren. Im Jahr 2017 stieg er trotzdem auf 142 Liter pro Person und Tag an. Unter Berücksichtigung des Verbrauchs während der Freizeit, am Arbeitsplatz und im Urlaub erreicht der Wasserverbrauch pro Kopf sogar 163 Liter. Über die Hälfte davon wird im Badezimmer und für die Toilettenspülung benötigt.
Haushalte, die eine Anlage zur Regenwassergewinnung für den Eigenbedarf installieren, dürfen dieses Wasser für den gesamten häuslichen Gebrauch – einschliesslich der Küche und als Trinkwasser – nutzen. Aus Sicherheitsgründen ist ein Zugang zum Netzwasser unerlässlich. Es ist vorgeschrieben, ein System zu installieren, das verhindert, dass Regenwasser in die öffentlichen Wasserleitungen gelangt. Zudem sind die geltenden kantonalen Vorschriften einzuhalten.
Die Regenwassernutzung ist auf Alpbetrieben oder Einzelhöfen üblich und bietet sich auch als interessante Alternative bei Neu- oder Umbauten an. Wirtschaftlichkeit ist bei einer solchen Anlage nicht unbedingt das Hauptkriterium, Einsparungen können aber über die gesamte Lebensdauer von Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen und Geschirrspülern realisiert werden. Und nicht zuletzt wird damit auch ein Zeichen zum Wohl der Umwelt gesetzt.