Die Rolle der Hochstammbäume hat sich in den letzten 100 Jahren gewandelt. Nach dem zweiten Weltkrieg wich die Tafelobstproduktion auf Hochstämmern einer eher extensiven Mostobstproduktion. Auch die Bereitstellung von ökologischen Dienstleistungen durch diese Bäume steht vermehrt im Fokus.
Hochstamm-Baumpflege – muss das sein?
Doch spielt es für die Biodiversität überhaupt eine Rolle, ob Hochstammbäume gepflegt sind? Oder sind nicht gerade ungepflegte Bäume ökologisch besonders wertvoll?
Diese Frage wurde schon öfters gestellt. Doch ein lebendiger Obstgarten und wertvolle Hochstammbäume sind das Resultat von jahrelanger, guter und fachgerechter Pflege. Viele Landwirtinnen und Landwirte setzen sich jedes Jahr für den Erhalt der Hochstammbäume ein, sei es zur Vernetzung, zum Erhalt des Landschaftsbildes, zur Selbstversorgung, zur Produktion von Verarbeitungsobst oder manchmal auch von Tafelobst.
Ein Platz zum alt werden
Um Jungbäumen ein gutes Wachstum zu ermöglichen, ist eine fachgerechte Pflege ab dem ersten Standjahr unerlässlich. Vorgängig muss ein optimaler Standort gewählt werden. Der Boden sollte locker, tiefgründig, mittelschwer und durchlässig sein. Bei leichten Böden muss in trockenen Jahren gegebenenfalls bewässert werden. Um Frostschäden zu vermeiden, sollten Obstbäume nicht in Mulden oder Senken gepflanzt werden. Der optimale Standort ist sonnig und windoffen. Dadurch trocknet das Blattwerk nach Niederschlägen schneller ab und der Druck von Pilzkrankheiten verringert sich.
Gesunde Sorten
Die Sortenwahl ist eine der herausforderndsten Aufgaben und trägt entscheidend zum Anbauerfolg bei. Sorten, die einst als robust und pflegeleicht galten, kommen im Zuge neuer Krankheiten wie Marssonina unter Druck. Die Wahl richtet sich nach dem Verwendungszweck, der Standorteignung und der Anfälligkeit gegenüber Krankheiten. Aber auch die Ertragsmöglichkeiten und der zu erzielende Verkaufspreis sind erfolgsentscheidende Faktoren. Im Mostobstanbau werden meist Sorten mit guter Saftqualität angebaut. Als Spezialmostapfelsorten gelten beispielsweise Bohnapfel, Heimenhofer, Schneiderapfel, Remo, Rewena und andere. Jede Sorte hat jedoch Vor- und Nachteile. Während gewisse Sorten robust gegenüber Feuerbrand oder Schorf sind, können sie bei Marssonina oder Krebs eine grosse Anfälligkeit zeigen. Eventuell kommen sie auch erst spät in Ertrag oder weisen einen schwachen Wuchs auf. Es ist empfehlenswert, vor einer Pflanzung, mit der kantonalen Fachstelle Kontakt aufzunehmen, um eine optimale Sortenwahl zu treffen.
Drei Massnahmen zum Erfolg
Für eine gesunde Baumentwicklung braucht ein junger Hochstammbaum nur drei Dinge: eine gute Erziehung, eine gute Ernährung und ein gesundes Wurzel- und Laubwerk. Eine gute Erziehung wird mit einem fachgerechten Baumschnitt erreicht. Ein frisch gepflanzter Baum muss jährlich geschnitten und formiert werden. Nur so kann eine stabile Baumkrone aufgebaut werden.
Der Aufbau erfolgt während den ersten zehn bis 15 Jahren, entweder nach der Oeschbergkrone oder nach einer anderen gewünschten Baumform. Nach Erreichen der Vollertragsphase kann auf den Unterhaltschnitt umgestellt werden. Dieser wird mindestens alle zwei bis drei Jahre durchgeführt. Damit die Nährstoffversorgung des Baumes sichergestellt ist, wird die Baum scheibe mit verrottetem Mist oder Kompost gedüngt. Auf Biodiversitätsförderflächen ist das bis zum zehnten Standjahr erlaubt. Es ist zu beachten, dass Bäume auf extensiven Wiesen einer grossen Gefahr durch Mäuse und Nährstoffunterversorgung ausgesetzt sind. So ist es besser, die extensive Wiese neben den Obstbäumen anzulegen und nicht unter den Obstbäumen. Um den Mäusedruck zu minimieren, sollten die Wurzeln geschützt, die Mäuse regelmässig bekämpft werden und sollte die Baumscheibe grasfrei sein.
Manchmal braucht es mehr
Je nach Sorte und Standort sind Pflanzenschutzbehandlungen nötig zum Schutz der jungen Blätter. Die Hauptkrankheiten beim Apfel sind Schorf, Mehltau, Feuerbrand und, seit einigen Jahren in gewissen Regionen, auch Marssonina. Bei anfälligen Sorten oder bei Vorjahresbefall erfolgen die Behandlungen meist ab dem Austrieb, beispielsweise mit Kupfer. Bei infektiöser Witterung sind weitere Behandlungen bis in den Sommer mit geeigneten Pflanzenschutzmitteln in Erwägung zu ziehen. Während der Blütezeit stellt Feuerbrand in Regionen mit hohem Druck ein Risiko dar. Im Bio-Anbau kommt im Austrieb ebenfalls Kupfer und danach zum Beispiel Myco-Sin in Kombination mit Schwefel zum Einsatz. Es ist sicherzustellen, dass durch vorbeugende Massnahmen wie das Entfernen des Falllaubs und des Fallobsts im Herbst der Krankheitsdruck durch Pilzkrankheiten möglichst tief gehalten wird. Besonders gut zu kontrollieren sind bei Jungbäumen ebenfalls die Blattläuse. Die Kontrolle und gegebenenfalls Bekämpfung sollte je nach Blattlausart vor und nach der Blüte stattfinden.
Auch ausgewachsenen Bäume wollen gepflegt werden
Die Pflege von ausgewachsenen Obstbäumen konzentriert sich auf einen regelmässigen Schnitt, um den Baum auszulichten und zu verjüngen. Der Baum sollte möglichst lange vital bleiben und regelmässig qualitativ gutes Obst hervorbringen. Hierzu sind ebenfalls die Hauptkrankheiten zu bekämpfen. Je nach Verwendungszweck kommt die Bekämpfung des Apfelwicklers oder anderer lokaler Schädlinge dazu.
Pflege lernen
Besuchen Sie einen mehrtägigen Fachkurs in Ihrer Region, um die spannende Pflege von Hochstammobstbäumen zu erlernen. Informationen zu Kursangeboten sind bei den Fachstellen Obst erhältlich.
Weitere Infos zum Behandlungszeitpunkt von Schorf, Feuerbrand und Marssonina finden Sie unter: www.agrometeo.ch oder unter www.bioaktuell.ch ➞ RIMpro. Beachten Sie die möglichen Pflanzenschutzstrategien oder regionalen Pflanzenschutzempfehlungen der kantonalen Fachstellen oder des FiBL.
Blattfallkrankheit Marssonina
Die Blattfallkrankheit Marssonina wird durch einen Pilz verursacht. Ein Befall mit dem Pilz kann in Bioapfelanlagen, bei Hochstammbäumen, Hausgärten und Obstbaubetrieben bei reduziertem Einsatz von Fungiziden zu Blattflecken und frühzeitigem Blattfall führen. Die Verbreitung ist lokal unterschiedlich. Im Herbst sollte das Falllaub entfernt oder gemulcht werden. Tonerdepräparate (Myco-Sin) zeigten gegen Marssonina im Bioanbau die besten Resultate. Im IP-Anbau wird die Krankheit meist bei der Schorfbekämpfung miterfasst. In Anlagen mit starkem Befall kann es jedoch auch sein, dass sich eine Bekämpfung als sehr schwierig erweist. In diesem Fall ist es angebracht, mit der Fachstelle Kontakt aufzunehmen. Als anfällige Sorten gelten leider auch schorfresistente Sorten wie Topaz, Otawa und Rubinola.
Weiterführende Informationen www.inforama.ch