Text: Wolfram Lempp und Alex Kunz
Rund 80 Prozent aller Blütenpflanzen werden durch Insekten bestäubt. Als Antwort auf die Vielfalt dieser Pflanzen hat die Natur eine Vielzahl an unterschiedlichen bestäubenden Insekten hervorgebracht.
Gemeinsam besser bestäuben
Diese Tatsache bietet der Landwirtschaft einen grossen Vorteil, denn einige Bestäuber mit unterschiedlichen Eigenschaften können unter kontrollierten Bedingungen gezüchtet und so, je nach Bedarf, gezielt eingesetzt und kombiniert werden. Letzteres hat auch einen weiteren Vorteil: Verschiedene Bestäuber miteinander eingesetzt, motivieren sich sozusagen gegenseitig zu einer Leistungssteigerung, was sich in einer signifikanten Verbesserung von Qualität und Quantität der Ernte niederschlägt.
Honigbienenvölker haben schon seit geraumer Zeit ihren berechtigten Platz in der Landwirtschaft, da sie einen wichtigen Bestäubungsbeitrag bei einer Vielzahl von Kulturpflanzen im Feldbau, Obstbau sowie im Gemüsebau und Beerenanbau leisten. Zusätzlich werden vermehrt auch einheimische Wildbienen und Hummeln eingesetzt. Diese Bestäuber kommen von Natur aus in unserer Landschaft vor und stellen bei Freilassen keine Gefahr für die Biodiversität dar.
Lokale Zucht einheimischer Bestäuber
In der Schweiz selbst werden erfolgreich Bestäuber für den Einsatz in der Landwirtschaft gezüchtet. Dadurch fallen kurze Transportwege an und die Versorgungssicherheit ist auch in Krisensituationen gewährleistet. Dabei ist es wichtig, dass Kreisläufe geschlossen werden.
So werden beispielsweise am Standort von Agroline Bioprotect in Aesch (BL) die Wildbienen kokons, welche die gezüchteten und gezielt eingesetzten Wildbienen in ihrem Niststand nach getaner Bestäubungsleistung produziert haben, gereinigt und überwintert.
Im Folgejahr sind die Kokons dann pünktlich zu Blühbeginn der jeweiligen zu bestäubenden Kulturen bereit. Um Verpackungsmaterial zu reduzieren, sind die Wildbienen-Niststände und Boxen der Hummeln wiederverwendbar.
Wildbienen bestäuben nicht «wild»
Wildbienen wie die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta), welche ab etwa 4 °C und auch bei leichtem Regen fliegt, ergänzt die Honigbiene sehr gut. Vor allem im Freiland erfreuen sich Wildbienen grosser Beliebtheit als Bestäuber von Obst- und Gemüseanlagen: Die ausgeprägte Blütentreue und das regelmässige Wechseln der Baumreihen erlauben eine effiziente und gründliche Bestäubungsleistung. Als typische Frühlingsbiene ist die Gehörnte Mauerbiene ab März aktiv und eignet sich somit optimal für alle frühblühenden Stein- und Kernobstkulturen.
Hummeln arbeiten mit eigener Technik
Hummeln werden aufgrund ihrer Eigenschaften besonders gerne für die Bestäubung in Gewächshäusern eingesetzt. Sie fliegen bereits ab 3 °C und sind auch bei schwachen Lichtverhältnissen aktiv. Als weiterer positiver Effekt ist die sogenannte «Buzz-Bestäubung» zu nennen, eine Technik, mit welcher Hummeln unter anderem Tomatenpflanzen besonders erfolgreich bestäuben. Dabei erzeugt die Hummel mit ihren Flügeln eine Vibration und schüttelt so den Pollen aus den Staubbeuteln der Pflanze heraus. Da die zur Bestäubung eingesetzten Hummeln zudem eine lange Zunge haben, können sie tiefe Blüten besonders gut bestäuben.
Wildbienen ergänzen die Honigbiene sehr gut.
Die richtige Wahl treffen
Es macht sich bezahlt, den Einsatz der unterschiedlichen Bestäuber für die vorherrschenden Kulturen zu diskutieren und deren Kombination in Betracht zu ziehen. Neben den Vorteilen der verschiedenen Bestäuber sind auch weitere wichtige Parameter im Auge zu behalten. Es gilt das Kosten -Nutzen-Verhältnis abzuwägen. Aber auch biologisches Wissen ist entscheidend für eine erfolgreiche Produktion. So zum Beispiel die Frage nach der Temperatur der Blüte, der Stand des Blütenansatzes, das Risiko einer Überpopulation der Bestäuber oder auch, auf Seite der Kulturpflanze, die Nährstoffversorgung, um die Blütenqualität für die Bestäuber zu verbessern. Ein konkretes Beispiel wäre die Bor-Versorgung bei Obstbäumen. Dies fördert die Winterhärte der Knospe respektive Blüte und verbessert die Blütenqualität. Hier ist es oft hilfreich, fachkundige Unterstützung zu Rate zu ziehen, um frühzeitig die bestmögliche Bestäubungsstrategie zu ermitteln und zu planen.
Weitere Mitwirkende am Artikel: Elke Demessieur, Beratung Nützlinge und Biokompetenz, Agroline