Ältere Menschen kennen die Wildpflanzen, die in ihrer Umgebung in grosser Zahl wachsen, als Nahrungs- und Heilressource sehr gut. «Es reicht, die Natur zu beobachten und sie kennenzulernen, um ihre Schätze zu entdecken und sich mit ihr verbunden zu fühlen. Das Sammeln in der Natur ist sowohl für den Körper als auch für den Geist beflügelnd und stösst bei der Bevölkerung auf wachsendes Interesse», erklärt François Couplan, Ethnobotaniker und Wildpflanzenspezialist. Der Wissenschaftler, der auch Radiomoderator ist, hat der UFA-Revue verraten, wie, wo und wann richtig gesammelt wird. Das Grundprinzip lautet: Die natürlichen Ressourcen erfordern Umsicht und Rücksichtnahme, ansonsten können sich die Pflanzen nicht mehr richtig erneuern oder sterben sogar aus. Nachfolgend also die Grundregeln für ein respektvolles Sammeln, das weder Natur noch Mensch gefährdet.
Während des Sammelns
- Gesunde, ungezieferfreie Pflanzen wählen
- Mit einer Stofftasche oder einem Weidekorb sammeln
- Mindestens 1 ⁄3 des Bestandes an der Sammelstelle stehen lassen
- Keine allein stehende Pflanze sammeln
- Keine Pflanzen entwurzeln
- Jungpflanzen nicht beschädigen
- Nur benötigte Menge sammeln
- Samen für die Vögel im Herbst / Winter übrig lassen
Welche Pflanzen sind interessant?
«Zuerst muss bestimmt werden, welche Pflanzen uns interessieren», erklärt François Couplan. «Es sollen nur jene Pflanzen gesammelt werden, die mit Sicherheit identifiziert werden können.»
In der Schweiz gibt es ein breites Kursangebot über Wildpflanzen. Es ist auch möglich, mehr zu diesem Thema aus Büchern zu erfahren. Es ist sogar empfehlenswert, ein solches Buch beim Sammeln von Wildpflanzen bei sich zu haben. Man muss auch wissen, dass es geschützte Pflanzen gibt, die man nicht sammeln darf und halbgeschützte Pflanzen, die man nicht entwurzeln darf. Die Anhänge zwei und vier der Verordnung über den Natur- und Heimatschutz (NHV), die auf der Website des Bundes eingesehen werden kann, listen die auf Bundes- und Kantonsebene schützenswerten Pflanzenarten auf. Zudem gibt es auch regionalspezifische kantonale Verordnungen, die Auskunft über die zugelassenen Sammelmengen geben.
Vorsicht vor Verwechslungen
Es gibt nachweislich Fälle von Personen, die sich beim Sammeln vergiftet haben. Es ist daher sehr wichtig, das Sammelgut wirklich zu kennen. Der Gute Heinrich wird beispielsweise oft mit dem sehr giftigen Gefleckten Aronstab verwechselt. Wie können solche Fehler vermieden werden? Leider existiert derzeit keine offizielle Stelle, welche die Pflanzen der Sammler kontrolliert, wie dies bei den Pilzen der Fall ist. Um unglückliche Vorfälle zu vermeiden, gilt es daher, sehr vorsichtig zu sein. Wildpflanzen sind sehr reich an Wirkstoffen und müssen daher mit Zurückhaltung genossen werden. Werden sie in zu hohen Mengen verzehrt, kann dies zu leichten, jedoch unangenehmen Verdauungsstörungen führen.
Wichtig ist, hochwertige Pflanzen zu sammeln. «Pflanzen werden vorzugsweise an naturbelassenen Orten statt an mit Kohlenwasserstoff belasteten Strassenrändern gesammelt», fährt François Couplan fort. «Wegränder, die von Hunden benutzt werden, die dort ihr Geschäft erledigen, sollten ebenfalls gemieden werden. Auch ist darauf zu achten, dass nur gesunde, ungezieferfreie Pflanzen gesammelt werden. Dazu genügt es, unter die Blätter zu schauen, denn dort verstecken sich die Insekten besonders gerne. Und vor dem Konsum müssen die Pflanzen gut mit klarem Wasser abgespült werden.»
Sammeln, aber wie?
Bei Wildpflanzen – wie bei Pilzen – gilt es, ihren Lebensraum und die Pflanze selbst zu erhalten, damit sie im Folgejahr nachwachsen kann. Im Jura beispielsweise darf nur eine Handvoll Wildpflanzen gesammelt werden und es ist verboten, beim Sammeln Werkzeuge zu verwenden. François Couplan hält diese Einschränkung für zu restriktiv und nennt das Beispiel der Brennnessel. «Selbst wenn sie in grösseren Mengen gesammelt wird, gefährdet dies ihren Neuaustrieb nicht.» Bei den anderen Arten rät er, nicht sämtliche Pflanzen der gleichen Art an demselben Ort zu sammeln und mindestens einen Drittel des Bestandes stehen zu lassen. Auch sollte eine allein stehende Pflanze nicht eingesammelt werden. Ausserdem sollten Pflanzen nicht entwurzelt werden, es sei denn, sie werden ihrer Wurzeln wegen gesammelt.
Beim Sammeln junger Triebe oder Blätter hält man die Pflanze vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger fest, wenn man sie wegzupft, um sie nicht zu beschädigen. Wichtig ist, dass jeweils nur die benötigten Mengen gesammelt werden, da die Pflanzen nicht lange haltbar sind. Gewaschen und in Plastikbeuteln werden sie im Kühlschrank gelagert. Beim Sammeln sollte auf Plastikbeutel verzichtet werden, da die Pflanzen so stärker schwitzen und schneller welken. Empfehlenswert ist die Verwendung einer Stofftasche oder eines Weidekorbs. Im Herbst ist es sinnvoll, einige Samen und getrocknete Beeren an den Bäumen zu belassen. Sie dienen im Winter vielen Tieren als Hauptnahrung und es wäre schade, ihnen diese vorzuenthalten.
Einige Tipps zum Sammeln von Wildpflanzen für Herbst und Winter
Der Wegerich (Plantago major, Breitwegerich, und Plantago lanceolata, Spitzwegerich) kann das ganze Jahr über gesammelt werden. Die jungen Blätter können roh im Salat genossen werden, während ältere Blätter gekocht gut schmecken. Blanchiert man die Blätter vor deren Zubereitung, schmecken sie weniger bitter. Spitzwegerichsirup hilft bei Husten und fördert den Auswurf.
Die Grosse Klette (Arctium lappa) erkennt man an ihren Früchten, die an der Kleidung haften! Bei der Klette sind alle Teile essbar. Im Winter kann man ihre dicke, weisslich fleischige Wurzel sammeln. Ihr aromatischer und süsslicher Geschmack erinnert an Artischocken. Die Wurzel sollte bei einjährigen Pflanzen zwischen Herbst und Frühjahr gesammelt werden, wenn sie schön fleischig, zart und nährstoffreich ist. Ist die Wurzel gesäubert und gerüstet, kann sie roh genossen, gerieben, in Rondellen schnitten oder gekocht werden.
Die Frucht der Hundsrose (Rosa canina), Hagebutte, ist 200 Mal reicher an Vitamin C als die Orange und ein hervorragender Begleiter im Winter. Gesammelt wird sie ebenfalls nach dem ersten Frost, wenn die Früchte sehr zart sind. Normalerweise wird die Hagebutte zu Konfitüre verarbeitet. Die Zubereitung muss jedoch durch ein Sieb oder das Passe-Vite getrieben werden, um die Kerne mit den juckenden Haaren zu entfernen.