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Pflanzenbau

Das Wasser dort halten, wo es gebraucht wird

Die Wetterextreme, welche der Klimawandel mit sich bringt, machen vielen Landwirtschaftsbetrieben zu schaffen. Für sie wird die Wasserversorgung zu einer wachsenden Herausforderung. Und auch in den Gemeinden wird das Wasser knapp. Ein neues Projekt setzt genau dort an: Baselland und Luzern testen und entwickeln als Pilotregionen innovative Strategien zum Halten von Regenwasser.

Starkniederschläge können nicht nur Kulturen schädigen, sondern auch den Boden abschwemmen. Hier bei einem Sommergewitter in ​Ober​wil (BL) am 20. Juli...

Starkniederschläge können nicht nur Kulturen schädigen, sondern auch den Boden abschwemmen. Hier bei einem Sommergewitter in ​Ober​wil (BL) am 20. Juli 2022. 

(Lukas Kilcher)

Publiziert am

Aktualisiert am

Direktor, Agridea

Quer gelesen

– Das Projekt «Slow Water» entwickelt und testet in Baselland und Luzern Methoden zur Wasserretention.

– Die Massnahmen werden auf die jeweiligen Wassereinzugsgebiete zugeschnitten und sinnvoll kombiniert.

– Bekannte Methoden wie Untersaaten sind Massnahmen, aber auch Neues wie Keylines.

Mit Sommertemperaturen Anfang April fragt sich mancher, wie viel Schmelzwasser im Sommer noch zur Verfügung steht. Dann, wenn Hitzewellen Kulturen in Wasserstress versetzen. Der erwünschte Regen kommt nach Trockenphasen immer öfters in Form von Starkniederschlägen, welche den Boden erodieren.

Der wachsende Bedarf der Landwirtschaft und der gesamten Gesellschaft nach Trinkwasser bei Trockenheit führt immer häufiger zu Nutzungsengpässen in den Gemeinden. Baselland ist besonders verletzlich im Klimawandel, denn dort ist es heisser und trockener als in anderen Regionen der Schweiz. Zudem gibt es kaum natürliche Gewässer, aus denen bewässert werden kann.

Ein Projekt kommt ins Rollen

Auf die Idee, den Abfluss von Regenwasser durch Retentionsmassnahmen zu verlangsamen, folgte die Konzeption eines Projekts durch das Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung und die Seecon International GmbH. Zunächst war der Kanton Baselland alleiniger Pilotstandort. Auf Initiative von Urs Kiener, Landwirt und Gemeindepräsident von Hergiswil (LU), wurde der Kanton Luzern ebenfalls Projektpartner. Denn auch im niederschlagsreichen Luzerner Hinterland wird die Wasserversorgung wegen Wetterextremen knapp. In der Folge haben die beiden Kantone das Ressourcenprojekt «Slow Water» entwickelt, welches Luzern und Baselland seit 2024 umsetzen. Beteiligte Partner sind neben den beiden Kantonen mit ihren Landwirtschaftsämtern und Beratungsdiensten 18 Gemeinden, die kantonalen Bauernverbände, Bio Nordwestschweiz, die Universität Basel (Wirkungsmonitoring), Seecon GmbH (integrales Wassermanagement), GWF (Messsysteme) und Agridea (Beratungstools). Das Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt das Projekt «Slow Water» finanziell. Gemeinden in den Pilotregionen Baselland: Anwil, Buckten, Känerkinden, Kilchberg, Läufelfingen, Oltingen, Rümlingen, Rünenberg, Wenslingen, Wittinsburg, Zeglingen und Riehen (Baselstadt) sowie Luzern: Hergiswil, Luthern, Menznau, Reiden, Romoos, Willisau.

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Urs Kiener, Landwirt und Gemeindepräsident von Hergiswil (LU)

(zvg)

«Ich bin als Landwirt direkt konfrontiert mit den Herausforderungen, die uns die Klimaerwärmung mitbringt. Auch als Gemeinde haben wir eine Verantwortung. Wir stecken mitten im Problem, das wir nun gemeinsam angehen müssen.»

Urs Kiener

Regenwasser bremsen und speichern

Mit «Slow Water» will das Projektkonsortium einen Beitrag leisten, die Ertragsfähigkeit im Pflanzenbau und in der Tierhaltung langfristig zu erhalten. Mit Retentionsstrategien soll der Abfluss von Regenwasser gebremst und das Wasser möglichst dort gespeichert werden, wo der Regen fällt: direkt im Kulturland. Damit möchte «Slow Water» einen Beitrag leisten, den steigenden Bedarf an Wasser für das Bewässern der Flächen zu bremsen. So wird auch die Wasserversorgung in den Gemeinden geschont. Gleichzeitig können Erosionsschäden reduziert und Gemeindeinfrastrukturen sowie Privatbauten vor Überschwemmungs- und Hochwasserschäden geschützt werden.

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Johannes Heeb, Seecon

(zvg)

«Im Projekt ‹Slow Water› erarbeiten Landwirte und Landwirtinnen gemeinsam mit Gemeinden betriebsübergreifende Retentionsstrategien und leisten so einen für alle Beteiligten wirkungsvollen Beitrag an die Anpassung an den Klimawandel.»

Johannes Heeb, Seecon

Kombination verstärkt die Wirkung

Das Herzstück des Projektes, die Retentionstechniken, werden zusammen mit Landwirtschaftsbetrieben und Gemeinden eines Einzugsgebiets in einem kreativen Prozess entwickelt. Das Projekt fördert sowohl agronomische Massnahmen, zum Beispiel Keylines oder Untersaaten als auch hydrotechnische Retentionstechniken wie Retentionsbecken oder Versickerungsmulden. Die Innovation und Stärke der Toolbox liegt dabei nicht in der Umsetzung einzelner Massnahmen, sondern in ihrer lokal angepassten Kombination auf Ebene Landwirtschaftsbetrieb und Wassereinzugsgebiet. Eine Massnahme allein vermag vielleicht nur wenig Wasser zurückzuhalten. Die beteiligten Betriebe und Gemeinden streben daher eine Kombination von Massnahmen an, um die Wirkung der einzelnen Massnahmen gegenseitig zu verstärken. So kann eine im Einzugsgebiet obenliegende bewirtschaftungstechnische Massnahme wie beispielsweise eine Untersaat Wasser zurückhalten und auf diese Weise die Wirkung einer darunterliegenden Versickerungsmulde verstärken, da die Abflussspitzen schon durch die obenliegende Massnahme gedämpft und verzögert werden.

Traditionelle und neue Methoden der Wasserspeicherung

«Slow Water» nutzt diverse Retentionsmassnahmen, die hierzulande bekannt und teilweise bewährt sind. Andere Methoden stammen aus dem trockeneren Mittelmeerraum, wo bereits seit Jahrzehnten Erfahrungen mit Retentionsmassnahmen gemacht werden.

Bekannte und bewährte Methoden: 
– Untersaaten, Einsaaten 
– Schonende Bodenbearbeitung 
– Hecken entlang von Höhenlinien 
– Agroforst, Obstgarten 
– Saum auf Ackerland 
– Humusaufbau

Hierzulande weniger bekannte Methoden: 
– Anbau entlang von Keylines 
– Retentionsbecken mit und ohne Versickerung 
– Versickerungskanäle und -mulden 
– Regenwassersammlung 
– Nutzung von Drainagesystemen für Wasserspeicherung

Untersaaten als Retentionsmassnahme

Mais wird spät gesät und in weitem Reihenabstand. Bis der Bestand schliesst, ist der Boden besonders gefährdet für Erosion, aber auch danach, z. B. bei einem Gewitter. Untersaaten in Mais, Getreide oder anderen Ackerkulturen sind eine wirkungsvolle Massnahme, um den Oberflächenabfluss von Regenwasser zu verlangsamen. Sie leisten einen Beitrag zur Erhöhung der Bodenfeuchtigkeit und zur Versickerung von Regenwasser, welches den Kulturen länger zur Verfügung steht, wenn es trocken wird. Auf diese Weise müssen Kulturen weniger bewässert werden. Weitere positive Wirkungen: Untersaaten unterdrücken Samenunkräuter, verbessern die Tragfähigkeit des Bodens bei der Ernte und können Stickstoff fixieren, welcher der Folgefrucht zur Verfügung steht. Gegenüber möglicher Konkurrenz um Nährstoffe und Wasser für die Kulturen überwiegt der Nutzen der Untersaaten für den Wasserhaushalt klar. «Slow Water» unterstützt Untersaaten mit Beiträgen.

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Untersaat in Mais

(Astrid Neumann)

Keylines als Retentionsmassnahme

Keylines sind Bearbeitungs- und Pflanzmuster entlang von Höhenlinien. Das Bild zeigt Keylines auf dem Katzhof in Richental (LU). Die Bearbeitung wird dabei aufgrund geomorphologischer Analyse der Umgebung gestaltet. Die Keylines halten Regenwasser und Oberflächenabfluss zurück und tragen dazu bei, das Wasser in tiefere Bodenschichten versickern zu lassen. Das Wasser steht den Kulturen zur Verfügung, indem es die Bodenfeuchtigkeit erhöht und das darunterliegende Grundwasser speist. In Trockenperioden müssen Kulturen so weniger bewässert werden und Quellen und Bäche versiegen weniger rasch. Keylines dämpfen bei Starkniederschlägen auch Abflussspitzen und reduzieren Erosion. Keylines benötigen etwas Platz, welcher der Kultur verloren gehen. «Slow Water» unterstützt die Erstellung und Pflege von Keylines mit Beiträgen.

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Keylines auf dem Katzhof in Richental (LU).

(Lukas Kilcher)

Retentionsteiche als Massnahme

Retentionsteiche sind eingedämmte Teiche mit über 50 m3 Wasserrückhalt, ohne oder mit Versickerung. Im Bild unten ist eine naturnahe Gestaltung ohne Abdichtung am Geuensee (LU) zu sehen. Ein teilweiser Bewuchs des Teichs ist möglich. Bei Bedarf kann der Wasserrückhalt und Abfluss mit einem Wehr geregelt werden. Möglich ist auch eine Wasserentnahme mit Freispiegelableitung oder Pumpe. Gegebenenfalls ist eine Einzäunung notwendig. Retentionsteiche gehören zu den aufwendigsten Massnahmen von «Slow Water», deren Erstellung und Unterhalt wird mit Beiträgen unterstützt. Retentionsteiche erfordern eine Bewilligung. Der Nutzen ist gross: Solche Teiche verzögern den Oberflächenabfluss von Wasser und dämpfen Abflussspitzen bei Starkregen. Sie erhöhen die Versickerung in den Boden und in Grundwasserschichten. Das so gespeicherte Wasser steht den Kulturen zur Verfügung. Retentionsteiche fördern als Nebeneffekt auch die Biodiversität und werten Landschaften auf. Allerdings muss dafür der notwendige Flächenbedarf in Kauf genommen werden.

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Retentionsteich ohne Abdichtung am Geuensee (LU)

(Johannes Heeb)

Wissen für die Praxis

«Slow Water» will nicht nur Retentionstechniken entwickeln und testen. Das im Projekt generierte Wissen soll auch für die Beratung und Praxis aufbereitet werden. Ein Team von Agridea ist bereits daran, einen Beratungsleitfaden zu entwickeln, welcher den Beratungskräften und Produzenten in den Regionen hilft, Retentionsstrategien für diverse Einzugsgebiete zu etablieren. Im Leitfaden werden nicht nur die Massnahmen im Detail beschrieben, sondern auch gezeigt, wie eine Strategie speziell für ein Einzugsgebiet entwickelt werden kann. Dazu braucht es ein cokreatives Vorgehen, bei dem die beteiligten Landwirtinnen und Landwirte, Fachexperten für Wasserretention, Beratungskräfte der Kantone, Gemeindevertreter sowie die Universität Basel einbezogen werden.

Forum nachhaltiges Wassermanagement in der Landwirtschaft

Agridea und die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL bereiten zurzeit die Gründung des «Forums für nachhaltiges Wassermanagement in der Landwirtschaft» vor. Es bildet ein nationales Kompetenznetzwerk und hat den Wissensaustausch zwischen den Akteuren sowie die Verbreitung von Wissen in die Praxis zum Ziel. Kernthema ist der nachhaltige Umgang mit Wasser in Anbetracht des Klimawandels, sei es für den Ackerbau, Spezialkulturen, Futterbau, Tierhaltung und Lebensmittelverarbeitung, vom Tal- bis zum Alpbetrieb. Eine Arbeitsgruppe des Forums betrifft die Wasserretention. Das Forum wird am 25. Juni gegründet. Das Wissen wird ab dann auf der Agripedia-Plattform aufgeschaltet und in Kursen und Anlässen vermittelt.

Der erste nationale Kurs «Wie halte ich das Wasser in den landwirtschaftlichen Böden?» vom 26. September 2023 stiess auf ein breites Interesse aus der gesamten Schweiz. Der nächste nationale Kurs zur Wasserretention findet am 4. September 2024 auf dem Katzhof (LU) statt. Vor gesehen ist eine jährliche nationale Tagung, welche im Kursprogramm von Agridea erscheint. Das Weiterbildungsangebot ist auf der Website www.agridea.ch abrufbar.

Weitere Informationen zum Projekt "Slow Water" sind auf der Website des Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung verfügbar.

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