Der europäische Dinkel ist das einzige Getreide, welches seinen Ursprung in Westeuropa hat. Als Kreuzung zwischen Weizen und Emmer besitzt er ursprüngliche Eigenschaften beider Getreidearten. Gegenüber dem Weizen zeichnet sich der Dinkel dadurch aus, dass er ein deutlich raueres Klima verträgt. Dies machte ihn in vielen Regionen der Schweiz zum dominierenden Brotgetreide. 1885 waren zum Beispiel 33 Prozent der gesamtschweizerischen Anbaufläche mit Dinkel belegt.
Die Intensivierung der Landwirtschaft änderte alles. Neue, ertragreiche Weizensorten, die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und chemisch-synthetischen Düngern hohe Erträge erbrachten, verdrängten den Dinkel. Den Tiefpunkt des Dinkelanbaus markierte das Ende des letzten Jahrtausends. So wurde 1999 auf nur noch 1164 Hektaren (0,6 Prozent der gesamtschweizerischen Anbaufläche) Dinkel angebaut (Quelle: Swiss Granum).
Beginn der Rückkehr
Um diesen Niedergang aufzuhalten, wurde 1995 von Bauern und Müllern die IG Dinkel gegründet. Mit dem Ziel, den Dinkelanbau in angestammten Gebieten zu fördern und dazu ein breites Angebot an Dinkelprodukten anzubieten, wurde dann die Marke Ur-Dinkel erschaffen. Rückgrat der Marke waren und sind heute immer noch die beiden bekannten Sorten «Oberkulmer Rotkorn» und «Ostro».
Der Dinkel hat die Kehrtwende geschafft und befindet sich wieder im Aufwind. Seit dem Tiefpunkt vor mehr als zwanzig Jahren wuchs die Anbaufläche nun wieder auf 6650 Hektaren im Jahr 2021 an. Gemäss Vorernteschätzungen von Swiss Granum vom 1. Juli 2022 werden dieses Jahr sogar 8000 Hektaren gedroschen (davon 2200 Hektaren Bio).
Besonderheiten im Anbau
Standort und Boden
Als in Westeuropa domestizierte Getreideart ist der Dinkel besser an «unwirsche» Bedingungen angepasst, darum:
- Ausgesprochen robustes Getreide mit geringen Standortansprüchen und guter Winterhärte – bis 1400 m ü. M.
- Trockene, windige und sonnige Lagen ➞ Standfestigkeit, geringerer Pilzdruck und mittelschwere bis schwere Böden mit einer guten Wasserversorgung.
Standfestigkeit
Dinkel hat viel von einem ursprünglichen Getreide bewahrt: Er ist langstrohig, was ideal für tierhaltende Betriebe ist, fällt jedoch auch gerne bei zu viel Stickstoff um, darum:
- Bestenfalls nur Hofdünger geben und nicht auf den vollen Betrag der Düngungsnorm gehen. Eingesparter Stickstoff kann bei einer anderen Kultur wie Mais eingesetzt werden.
- Fruchtfolge: Nach «zehrenden» Kulturen anbauen, zum Beispiel nach Mais oder in einer getreidebetonten Fruchtfolge, bevorzugt an erster Stelle anbauen, da Dinkel anfällig auf Fusskrankheiten des Weizens ist.
Sorten und Sortenwahl
Hier scheiden sich die Geister. Im letzten Jahrhundert hat man noch versucht, Dinkel mit Weizeneinkreuzung intensivtauglich zu machen, jedoch vergraulte das Verarbeiter und Konsumenten. Den mit Weizen verbesserten Dinkelsorten fehlten die typischen Back- und Aromaeigenschaften des Dinkels. Heute setzt man hauptsächlich auf den Anbau der beiden «traditionellen» Dinkelsorten Ostro und Oberkulmer Rotkorn.
Mit der Ausweitung der Anbauflächen und durch die natürliche Mutation der Schadpilze kämpfen diese beiden Dinkelsorten jedoch vermehrt mit Krankheiten wie Gelb- und Braunrost. Auf agronomischer Seite schafft man sich möglicherweise auf längere Sicht eine Zunahme von Ausfallrisiken, wenn man nur auf den Anbau von zwei Sorten setzt.
Monetäre Aussichten
Neben den agronomischen Vorteilen ist der Dinkel auch wirtschaftlich interessant. Mit einem Richtpreis von Fr. 62.– im ÖLN und Fr. 116.– im Bio-Landbau können für eine extensive Kultur sehr interessante Deckungsbeiträge erreicht werden. Auch bei den Sorten gibt es Bewegung. Im Bio-Landbau können neuerdings im Kanton Zürich und den umliegenden Kantonen auch die GZPK-Sorten (Getreidezüchtung Peter Kunz) der FiBL-Sortenliste bei ausgewählten Sammelstellen der fenaco GOF abgegeben werden. Konkret sind dies die Getreide Züri Nord AG und die LANDI Weinland Gen sowie das Getreidecenter Freiamt AG. Der Dinkelmarkt bleibt weiter dynamisch und das Interesse der Akteure ist hoch.
Auch der Strickhof bleibt dran. Zum Beispiel mit einem Sortenstreifenversuch, der jährlich in Zusammenarbeit mit dem FiBL und der GZPK am Partnerbetrieb Stiegenhof durchgeführt wird. Am Flurgang vom 1. Juli konnten die verschiedenen Dinkelsorten praxisnah besichtigt werden. Die Aufmerksamkeit war gross und zeigt, dass das Interesse und die Begeisterung für den Dinkel weiter anhält.
«Ich mache den Dinkel fit für die Zukunft»
Worauf achten Sie bei der Dinkelzüchtung?
Ausschlaggebend sind Faktoren wie Standfestigkeit, Gesundheit, eine ausgewogene Architektur, eine langsame, dinkeltypische, farbige Abreife, gute technische Eigenschaften, eine gute Fallzahl und eine typische Dinkelbackqualität. Ein breites Angebot an Sorten für verschiedene Standorte ist unser Ziel.
Wo sehen Sie die grösste Herausforderung?
Wir begegnen beim Dinkel sehr unterschiedlichen Vorstellungen der Akteure vom Markt und von der Landwirtschaft. Auch das extreme Wetter der letzten Jahre verlangt den Pflanzen viel ab, wie auch der seit kurzer Zeit ebenfalls in unseren Breitengraden auftauchende Schwarzrost.
Worin unterscheidet sich Ihrer Meinung nach der Dinkel von anderen Getreiden?
Im Vergleich zum Weizen sind die Pflanzen länger, reifen von unten nach oben ab, was man an den sich verfärbenden Halmen beobachten kann. Die Ähren sind schmal, lang, manchmal locker und gebogen. Es gibt aber auch aufrechte, und Dinkel bleibt beim Drusch im Spelz. Die Kulturpflanze ist extensiv im Anbau, kann also in der Fruchtfolge gut hintenanstehen, braucht wenig Düngung und wächst gut in mittleren Lagen.
Wie lange dauert es, bis es eine neue Dinkelsorte von der Kreuzung zum Landwirt aufs Feld schafft?
Von der Kreuzung bis zur Sortenzulassung dauert es um die 12 Jahre, und für die Vermehrung des Saatgutes sind dann nochmals etwa zwei Jahre nötig.
Was fasziniert Sie persönlich besonders am Dinkel?
Optisch ist Dinkel eine Bereicherung und Freude für Aug` und Herz. Jedes Jahr bin ich von Neuem begeistert von den Farben, nicht nur während der Abreife. Auch gefällt es mir, mit und an einer Pflanze zu arbeiten, welche nur von wenigen Züchtungshäusern beachtet wird.
«Ich baue Dinkel jährlich an»
Wie sind Sie zum Dinkel gekommen?
Ich baue bereits seit 20 Jahren Dinkel an und dresche zwischen 35 und 55 Kilogramm je Are. So habe ich nochmals eine Kultur mehr auf dem Acker, folglich verteilt sich mein Anbaurisiko. Ausserdem besteht eine lokale Nachfrage nach regionalem Dinkel. Zusätzlich kann ich mit dem Dinkel als extensiver Kultur Nährstoffe sparen, die ich dann in anderen Kulturen wie dem Raps einsetzen kann.
Welche Tipps haben Sie für den Anbau?
Zurückhaltung bei den Nährstoffen. Dinkel fällt bei zu viel Stickstoff gnadenlos um. Ich warte daher zu mit dem Gülleeinsatz, verwende lieber Rinder- statt Saugülle und gebe maximal einmal 25 bis 30 Kubik, je nach Gülle. Bezüglich des Einsatzes achte ich auf die Dichte und Farbe meines Bestands. Wenn er gut bestockt und dunkelgrün ist, wie zum Beispiel nach einer Kunstwiese, bin ich auch schon ohne Hofdünger gefahren. Schlimmstenfalls kann ich immer noch eine Gabe zum Schossen geben, wenn ich sehe, dass er hellgrün ist.
Rechtzeitig dreschen wegen des Auswuchses. Man sieht es dem Dinkel manchmal schlecht an, ob er schon reif ist. Ich nehme den Dinkel lieber etwas früher. Dann muss er zwar noch nachgetrocknet werden, ich bin dafür aber auf der sicheren Seite. Ausgewachsenen Dinkel will absolut niemand.
Beim Dreschen darauf achten, dass der Mähdrescher richtig eingestellt ist. Dinkel muss grösstenteils im Spelz gedroschen werden, gleichzeitig sollten aber keine zu langen Ährenstücke vorhanden sein. Diese gehen bei der Annahme verloren.
Was begeistert Sie am Dinkel?
Mir gefällt besonders die starke Konkurrenzkraft gegenüber Ungräsern wie zum Beispiel Fuchsschwanz. Auch ist er unglaublich zäh – ich kann ihn sehr scharf striegeln, zuletzt säen und es geht sogar auch, wenn die Saatbedingungen nicht optimal sind – der Dinkel verträgt es.
«Mit Dinkel kann man sehr wohl backen»
Was fasziniert Sie am Dinkel?
Als ich in der Berufsschule war, hiess es immer: «Dinkel kann man nicht gescheit verbacken.» Das war geradezu eine Einladung für mich, mich mit diesem Getreide zu beschäftigen. Ausserdem mag ich, wie sich der Dinkel und das daraus hergestellte Mehl anfühlen und riechen.
Welche Anforderungen haben Sie als Bäcker an Dinkel?
Ich bevorzuge sortenreine Dinkelsorten, da sich nicht jede Dinkelsorte für jedes Produkt eignet. Mit Copper von der GZPK mache ich zum Beispiel keine Sauerteigbrote. Bei den «klassischen» Dinkelsorten bevorzuge ich klar den Oberkulmer Rotkorn, er ist für mich der Standard, wie ein Dinkel beschaffen sein sollte.
Sie setzen neben den zwei bewährten Dinkelsorten auch auf neuere Sorten der GZPK. Was begeistert Sie an den GZPK-Sorten?
An den GZPK- Sorten gefällt mir, dass sie arttypisch sind. Am Griff ins Mehl und am Produkt erkenne ich klar, dass es ein Dinkel ist. Mir gefällt zudem, dass es mit der Zucht auch mit dem Dinkel weitergeht und wir in Zukunft auch Dinkel haben werden – das unterstütze ich gerne.
Dinkel und Lebensmittelunverträglichkeiten – wie sehen Sie das?
Es gibt Menschen, die den Weizen nicht vertragen. Jedoch hängt die Unverträglichkeit auch sehr stark von der Weizensorte ab. Beim Dinkel beobachte ich das gleiche. Arttypische Dinkel, werden von den Menschen besser vertragen. Allerdings muss ich auch sagen, ist nicht immer das Getreide daran schuld, wenn das Wohlbefinden vom Mensch nicht ok ist.
Weitere Informationen rund um den Dinkel
FiBL Merkblatt mit Informationen rund um den Dinkelanbau.
Detaillierte Anbauhinweise und Empfehlungen der IG Dinkel
Begranten Dinkel? Gibt es auf der Website des virtuellen Sortengartens der ETH zu bestaunen.
Literaturtipp: Möchten Sie mehr über die Geschichte und Herkunft vom Dinkel erfahren?Peer Schilperoord, Biologe, beschäftigt sich seit 1982 mit Getreide und Kulturpflanzen hat im Rahmen der Reihe ‘’Kulturpflanzen der Schweiz’’ eine Schriftreihe von einheimischen Kulturpflanzen, unter andrem auch vom Dinkel, veröffentlicht.
Die Schriftreihe kann hier gratis heruntergeladen werden.