Bei Extenso-Brotweizen (Integrierte Produktion, IP) ist der Proteingehalt häufig etwas zu tief, da in diesem Produktionsverfahren meist weniger Stickstoff gedüngt wird. Da zwischen dem Proteingehalt und dem für die Backqualität wichtigen Feuchtglutengehalt ein enger Zusammenhang besteht, fallen auch dessen Werte tiefer aus.
Die Zielgrösse von 31 % Feuchtgluten für Weizen der Klasse Top wird bei Extenso-Weizen in vielen Fällen nicht erreicht. Um die geforderten Verarbeitungseigenschaften zu erfüllen, muss Trockengluten beigegeben werden. Insbesondere im Hinblick auf die regionale Herkunft ist dies problematisch, denn das Trockengluten wird typischerweise aus dem Ausland importiert. Die regionale Herkunft des Weizens kann nicht mehr ausgelobt werden, was sich negativ auf den Preis des Endprodukts auswirken kann.
Sortenwahl
Für den Proteingehalt spielt die Sortenwahl eine entscheidende Rolle. Der negative Zusammenhang zwischen Proteingehalt und Kornertrag ist weitläufig bekannt: je höher der Kornertrag einer Sorte, desto niedriger der Proteingehalt. Oder umgekehrt formuliert: Ein ausreichender Feuchtglutengehalt ist mit einer Einbusse der Erntemenge verbunden. Bereits seit einigen Jahren gibt es bei IP Suisse Prämienklassen (IPSTop und IPSTop Q ) und innerhalb dieser zusätzliche sortenabhängige Prämien für hochqualitative Weizensorten (Top Q -Bonus für sog. Hochleistungssorten). Doch lohnt sich die Wahl proteinreicher Sorten für den Produzenten? Um dies zu untersuchen, werden im Folgenden je zwei eher ertragsstarke und proteinschwache Sorten, CH Claro und CH Camedo, mit zwei ertragsschwächeren aber proteinreichen Sorten, nämlich Lorenzo und Molinera verglichen. Alle vier Weizensorten gehören zur Klasse Top. Um die Wirtschaftlichkeit dieser Sorten zu vergleichen, betrachten wir den Einfluss von Ertrag und den gegenwärtigen Prämien und Sortenzuschlägen der vier Sorten auf den erzielbaren Deckungsbeitrag.
Vorgehen
Für den wirtschaftlichen Vergleich führen wir eine Deckungsbeitragsrechnung aus, d. h. von den Leistungen (Kornertrag x Ausgangspreis) werden die Direktkosten wie beispielsweise Saatgut abgezogen. Die proteinschwachen und proteinstarken Sorten werden zu je einer Sortengruppe zusammengefasst, indem wir die Mittelwerte für die jeweils zwei Sorten bilden. Standortunterschiede wie der Boden oder das Klima sowie weitere Sorteneigenschaften (z. B. Krankheitsresistenz, Hektolitergewicht) werden dabei nicht berücksichtigt. Die sogenannte Proteinbezahlung wird erst beim Verkauf durch die Sammelstelle an die Mühlen berechnet. In dieser Analyse wird die Entscheidung eines Landwirts betrachtet und daher wird die Proteinbezahlung nicht verrechnet.
Die Kalkulation erfolgt zuerst ohne Berücksichtigung der von IP Suisse ausgerichteten Prämien, d. h. unter Verwendung des einheitlichen Richtpreises. In einem zweiten Schritt werden IP-Suisse-Prämienklassen sowie sortenspezifische Zuschläge berücksichtigt. Dabei wird auf die Anrechnung von Zu-/Abschlägen für das Hektolitergewicht verzichtet. Bei beiden Berechnungen wird der sogenannte Gleichgewichtspreis für die proteinreichen Sorten bestimmt, das zentrale Resultat der Analyse. Er beantwortet die Frage, bei welchem Weizenpreis bzw. Qualitätszuschlag die betrachteten proteinstarken Weizensorten beim Deckungsbeitrag gleichauf mit den ertragsstarken Sorten liegen. Der Gleichgewichtspreis ergibt sich aus der Differenz des Deckungsbeitrages der betrachteten proteinreichen Sorte zum Durchschnitt der beiden ertragsstarken, proteinschwachen Sorten. Die Differenz zwischen dem Gleichgewichtspreis und dem erzielten Preis zeigt Unterschiede der Wirtschaftlichkeit auf.
Verwendete Daten
Die verwendeten Daten stammen aus Sortenversuchen der Jahre 2013 – 2015. Weiter wird der Richtpreis für Weizen von 52.– Fr. pro Dezitonne als Ausgangspreis verwendet. Im ersten Schritt gilt dieser für alle vier Weizensorten. Preis mal Kornertrag ergibt die Hauptleistung ohne Zuschläge. Zieht man davon die Direktkosten ab, welche sich beim Saatgut unterscheiden, ergibt sich der Deckungsbeitrag ohne Zuschläge.
Resultate ohne Zuschläge
In der Tabelle sind die Deckungsbeitragsberechnungen für die Sortengruppen dargestellt. Die Sortengruppe der relativ proteinschwachen Sorten (CH Claro, CH Camedo) weist im Mittel einen Ertrag von 65.3 dt/ha aus. Gegenüber der Gruppe der proteinstärkeren Sorten (Lorenzo, Molinera), die im Schnitt 61.1 dt/ha aufweisen, entspricht dies einem Mehrertrag von 4.2 dt Weizen je Hektare. Oder anders formuliert: Lorenzo und Molinera erzielen im dreijährigen Mittel 6.4 % weniger Ertrag.
Nach Abzug der Direktkosten vom Ertrag resultieren bei der proteinschwachen Gruppe 2514.– Fr. pro Hektare, bzw. 2291.– Fr. Deckungsbeitrag bei der proteinstarken Gruppe. Die Differenz beträgt 223.– Fr. zugunsten der proteinschwachen Sorten. Der Gleichgewichtspreis, der notwendig wäre, damit die beiden proteinstarken Sorten denselben Deckungsbeitrag erreichen würden, beträgt 55.66 Fr. für die Sortengruppe (bzw. 55.16 Fr. für Lorenzo und 56.17 Fr. für Molinera).
Resultate mit Zuschlägen
Im Mittel weisen diese beiden proteinstarken Sorten 1.6 % mehr Proteingehalt auf. Auch beim Feuchtglutengehalt gibt es einen deutlichen Unterschied von 2.9 %. Der im dreijährigen Mittel erreichte Feuchtglutengehalt liegt bei den proteinreichen Sorten bei nahezu 32 %. Diese Sorten können dieses Jahr bei IP Suisse für die Klasse IPSTop Q mit einer Prämie zwischen 5.25 Fr. und 5.60 Fr. je dt rechnen und zusätzlich einem Top Q -Bonus in Höhe von 3 Fr. je dt, was durchschnittlich zusammen 8.43 Fr. ergibt. Für CH Claro und CH Camedo ergibt sich in der Klasse IPSTop eine Prämie zwischen 4.30 Fr. und 5.00 Fr. je dt bzw. 4.65 Fr. im Durchschnitt.
Die Prämien reduzieren den wirtschaftlichen Vorteil der beiden ertragsstarken Sorten soweit, dass nun die Hochleistungssorten im Mittel nahezu den Deckungsbeitrag der ertragsstarken Sorten erzielen.
Teilt man die Deckungsbeitragsdifferenz ohne sortenspezifische Zuzahlung in Höhe von 223.– Fr. je ha durch die Differenz des Proteingehalts der Sortengruppen von 1.6 Prozentpunkten, so lässt sich der Wert eines 1 Prozentpunkt höheren Proteingehalts bestimmen. Dieser liegt für die betrachteten Sorten und Jahren bei 140.– Fr. je Hektare.
Ertragsnachteil kann ausgeglichen werden
Bei der Auswahl der Weizensorte steht der Landwirt vor der Herausforderung, eine für seinen spezifischen Standort geeignete Sorte auszuwählen. Dabei können viele verschiedene Kriterien relevant sein, zum Beispiel die Krankheitsresistenz, die Reifeentwicklung sowie auch der erwartete Ertrag oder Proteingehalt. Der Anbau einer Winterweizenmischung, wie zum Beispiel Isuela, welche aus gleichen Anteilen der Sorten Molinera und CH Combin besteht und unter Top gehandelt wird, bietet die Möglichkeit, die Vor- und Nachteile einzelner Sorten zu kombinieren bzw. auszugleichen.
Der Vergleich von vier Top-Weizensorten im Extenso-Anbau zeigt, dass die Wirtschaftlichkeit der Sortenwahl zunächst stark vom Ertrag abhängt, dieser Ertragsunterschied durch die gegenwärtig von IP-Suisse ausgerichteten Prämien jedoch im Untersuchungszeitraum ausgeglichen werden konnte. Um ein Zielgehalt von rund 31% Feuchtgluten zu erreichen, scheint im Extenso-Anbau von Weizen die Wahl von proteinstarken Sorten ein geeignetes Mittel zu sein. Für die betrachteten Jahre reichten die gegenwärtigen Prämien zum Anbau von proteinreichen Sorten aus, um deren Ertragsnachteile finanziell auszugleichen.