– Weiden und Wiesen sollten mit einer Bestandeshöhe von 8 bis 10 cm fausthoch in den Winter gehen.
– Nach der letzten Nutzung sollte der Bestand vor dem Wintereinbruch genug Zeit haben, sich zu erholen.
– Ein optimal überwinternder Pflanzenbestand startet im Frühling früh und kräftig in die Vegetationsperiode.
Der Oktober ist nicht mehr fern und mit ihm der Wintereinbruch in den höheren Lagen. Die Umstellung auf die Winterfütterung steht bevor, aber so manche Landwirtin und so mancher Landwirt möchte das noch etwas hinausschieben. Herbstweide heisst dann das Stichwort. Es ist häufig wirtschaftlicher, mindestens einen Teil der Herde weiden zu lassen, als schon konserviertes Futter zu verfüttern.
Die Herbstweide birgt bei allen Vorteilen aber auch Herausforderungen: Das Wetter ist oft nass und der Winteranfang ungewiss.
Weder zu hoch noch zu tief
Die Krux ist, den perfekten Zeitpunkt für eine späte Graslandnutzung im Herbst zu finden. Ziel ist, dass der Grasbestand mit einer optimalen Höhe von acht bis zehn Zentimetern, also fausthoch, in den Winter geht. Ein idealer Zeitpunkt wäre, dass, nachdem der Bestand auf ungefähr sieben Zentimeter abgefressen wurde, er sich noch etwa zwei Wochen erholen kann, bevor endgültig der Winter Einzug hält. Kommt jedoch der Winter überraschend oder werden die Tiere nicht rechtzeitig von der Weide geholt, geht der Pflanzenbestand zu tief in den Winter. Die Pflanzen haben dann zu wenig Reserven. Gerade Klee ist für die Überwinterung auf eine ausreichend grosse Blattfläche angewiesen. Wird er zu tief abgefressen, kann er teils absterben. Ein schlecht überwinterter Pflanzenbestand startet schlecht und vor allem spät in den Frühling. Somit verschiebt sich die Frühlingsweide oder der erste Schnitt nach hinten. Diese Verspätung ist vielfach noch bis in den Mai hinein zu sehen.
Bewusste Staffelung
Meist ist im Frühling das Graswachstum sehr schnell. Da kann es schon mal passieren, dass eine Weide «davonwächst». Gehen die Grasbestände unterschiedlich spät in den Winter, ist die Konsequenz, dass sie auch unterschiedlich in den Frühling starten. Das kann für eine Staffelung des optimalen Beweidungszeitpunkts im Frühling genutzt werden. So wird das Futter nicht alt. Damit dieses System funktioniert, muss man die Bestände im Herbst gut beobachten und flexibel reagieren. Auch hier gilt: keine zu tiefen Bestände. Geht ein Bestand wiederum zu hoch in den Winter, führt dies aber ebenfalls zu Problemen: Futter geht verloren und das Krankheitsrisiko steigt. Insbesondere Raigräser sind anfällig für Schneeschimmel, welcher in höheren Beständen gute Bedingungen hat. Ein weiteres Problem können Mäuse sein. Diese sind in hohen Beständen besser vor Feinden geschützt.
Für einen raschen Vegetationsstart im Frühling ist es essenziell, dass die jungen Pflänzchen gute Wachstumsbedingungen haben. Das heisst: Licht, Wasser und Nährstoffe. Liegt altes abgestorbenes Pflanzenmaterial wie ein Deckel auf dem Bestand, haben die jungen Pflanzen schlechte Karten.
Unterschiede in der Trittfestigkeit
Der Boden muss trittfest sein, damit keine Schäden am Grünland entstehen. Die Grasnarbe von Wiesen ist dabei deutlich weniger trittfest als jene von Weiden. Ausserdem wachsen auf einer Mähwiese Pflanzenarten, die diese Belastung per se weniger gut ertragen. Die Grasnarbe erholt sich dann nur sehr zögerlich, und in den Lücken fassen Unkräuter und weitere Lückenfüller schnell Fuss. Um Trittschäden möglichst zu verhindern, muss die Weideführung stimmen, die Tiere sollten viel fressen und wenig gehen. Ein guter Weidepflanzenbestand besteht aus maximal 20 Prozent Weissklee. Überwiegen sollten hingegen das Englische Raygras und die Wiesenrispe. Diese Arten bilden beim Abfressen sehr viele Seitentriebe, was zu einer dichten und leistungsfähigen Grasnarbe führt. Sie sind auch tolerant gegenüber häufiger und regelmässiger Nutzung und liefern eine hervorragende Futterqualität.
Die Grasnarbe von Wiesen ist deutlich weniger trittfest als jene von Weiden.
Futterverdaulichkeit wird schlechter
Weidepflanzenbestände, die zu spät genutzt werden, also zu hoch aufwachsen, weisen eine schlechte Futterverdaulichkeit auf (siehe Grafik). Der Blattanteil sinkt, und die zunehmend gebildeten Stängel verholzen, wodurch die Grundfutterleistung deutlich sinkt. Zudem steigert dies die Futterselektion, und Futterverluste nehmen zu. Darüber hinaus steht in solchen Pflanzenbeständen zunehmend totes Pflanzen material auf der Fläche und der Blatttriebbereich verlagert sich in die Höhe. Nach einer Nutzung brauchen solche Flächen deutlich länger, um wieder ausreichend Blattmasse zu bilden, und erreichen auch eine geringe Trieb- und Bestandesdichte.
Weidepflanzenbestände werden optimal im 3-Blatt-Stadium genutzt. In diesem Fall sind die investierten Reserven wieder aufgefüllt, und der Absterbeprozess des ältesten (dritten) Blattes ist noch nicht weit fortgeschritten. Positiv ist auch, dass das Gras durch die regelmässige Nutzung zur Seitentriebbildung angeregt wird. Damit wird ein trittbeständigerer, dichter Pflanzenbestand mit hohem Blatt- und geringem Stängelanteil erreicht.
Weidepflanzenbestände werden optimal im 3-Blatt-Stadium genutzt.
Seitentriebbildung bei Gräsern
Gräser haben eine festgelegte Abfolge zur Bildung der Seitentriebe. Wenn die Pflanze im Frühling oder als Sämling zu wachsen beginnt, bildet sie zuerst drei grüne Blätter. Bei der Bildung des dritten Blattes wird eine Knospe zur Seitentriebbildung aktiviert. Sie ist der erste Teil des neuen Seitentriebes. Ab jetzt wird mit jedem neuen Blatt ein solcher Seitentrieb gebildet.
Eine optimale Weidenutzung führt zu einer Verkürzung der Blattlebensdauer. Somit werden pro Jahr zum einem mehr Blätter gebildet, was zum anderen auch zu mehr Seitentrieben führt. Diese Wechselwirkung zwischen Wachstum und Beweidung ist der Grund, weshalb eine dichte Grasnarbe entsteht.