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Pflanzenbau

Nationaler Aktionsplan für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln am Beispiel des Rapsanbaus

Der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutzmittel (AP PSM) zielt darauf ab, die Risiken durch Pflanzenschutzmittel für Gewässer und Lebensräume um die Hälfte zu reduzieren. Die Landwirtschaft macht Fortschritte, doch Einsparungen beim PSM-Einsatz sind nicht überall verlustfrei möglich. Im Rapsanbau zeigt sich, dass Entscheidungen für oder gegen eine Anwendung oft komplex sind und Zielkonflikte bergen.

Mit einer Untersaat im Raps wird eine schnelle Bodenbedeckung erzielt und die spontane Unkrautflora herbizidfrei konkurrenziert. Allerdings wird damit d...

Mit einer Untersaat im Raps wird eine schnelle Bodenbedeckung erzielt und die spontane Unkrautflora herbizidfrei konkurrenziert. Allerdings wird damit das Resultat zu einem gewissen Grad den Launen der Natur überlassen und das Risiko für Ertragsschwankungen steigt.

(Simon Binder)

Publiziert am

Agridea

Quer gelesen

– Der Rückzug von Pflanzenschutzmitteln kommt der Umwelt zugute, erschwert aber den Schutz der Kulturen und das Resistenzmanagement.

– Massnahmen gegen Abschwemmung und Abdrift reduzieren Risiken, stossen aber durch Vollzugshürden an Grenzen.

– Mechanische und biologische Ansätze bieten Potenzial, erhöhen aber auch Kosten und/oder Risiken.

Um die Umweltrisiken durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) zu minimieren, existieren zusammengefasst drei Wege:

1. Produkten mit erhöhtem Risikopotenzial wird die Zulassung entzogen und es wird, sofern vorhanden, auf Produkte mit tieferem Risiko ausgewichen.

Die erzielten Fortschritte im Bereich Grundwasser basieren wesentlich auf Bewilligungsrückzügen infolge erhöhter Werte von Abbauprodukten des Fungizids Chlorothalonil per 1.1.2020 oder des Herbizids S-Metolachlor, welches die Neubeurteilung des toxikologischen Risikos nicht überstanden hat. Letzteres darf aus diesem Grund in der Schweiz seit 1.1.2025 nicht mehr verwendet werden. Dabei sind aufgrund der zahlreichen Bewilligungsrückzüge bei gleichzeitigem Zulassungsstau von neuartigen Wirkstoffen mittlerweile bedeutende Lücken beim Schutz der Kulturen entstanden. Mit dem schrumpfenden Repertoire an Wirkstoffen werde der Schutz der Kulturen sowie ein effektives Resistenzmanagement immer schwieriger, lautet das Fazit des letzten Zwischenberichts des Bundesrats zum Aktionsplan PSM.

2. Punkteinträge und diffuse Einträge von PSM werden bei deren Anwendung bestmöglich vermieden.

Hier greifen besonders die systematischen Kontrollen der Waschplätze sowie die Massnahmen gegen Abschwemmung und Abdrift. Letztere insbesondere bei der Pyrethroidanwendung. Allerdings stossen auch hier weitere Fortschritte an ihre Grenzen, zumal der Bund kürzlich mit dem landwirtschaftlichen Verordnungspaket 2024 die Sanktion bei Nichteinhalten der Abschwemmungsauflagen gemäss Direktzahlungsverordnung aufgrund mangelnder Vollzugstauglichkeit abermals um zwei Jahre auf die Saison 2027 verschoben hat.

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So viel wie nötig, so wenig wie möglich – so das Credo beim Pflanzenschutz.

(Simon Binder)

3. Auf die PSM-Anwendung wird verzichtet, oder sie wird mit nicht chemischen Pflegemassnahmen ergänzt.

Neben den durch Produktionssystem-(PSB) oder Labelbeiträge (wie IP-Suisse) geförderten Massnahmen existiert weiteres Einsparpotenzial. Diese Massnahmen bedürfen teilweise viel Know-hows und Risikobereitschaft, sind nicht immer wirtschaftlich und bringen häufig Zielkonflikte mit sich. Im Folgenden wird am Beispiel des Rapsanbaus näher auf diese Zielkonflikte eingegangen.

Raps ohne Herbizide

Der herbizidlose Anbau von Raps im ÖLN ist möglich und wirtschaftlich. Versuche des Forums Ackerbau zeigen, dass, egal ob der Anbau mit Herbizid, mechanischen Methoden, Untersaaten oder gar unbehandelt erfolgt, die Rapserträge vergleichbar sind. Es wurde aber auch deutlich, dass das Unkrautmanagement im Kontext der gesamten Fruchtfolge betrachtet werden muss. Denn insbesondere bei pfluglosen Anbauverfahren oder bei vorhandenen Problemverunkrautungen wird sich eine reduzierte Unkrautbekämpfung langfristig negativ auf den Ertrag auswirken.

Da eine zuverlässige mechanische Unkrautbekämpfung einerseits eine Einzelkornsaat bedingt und andererseits mehrere Durchgänge mit Striegel und Hackgeräten nötig macht, fallen die Maschinenkosten ungleich höher aus. Aus diesen Gründen wird herbizidfreier Raps häufig im Unter-saat-Verfahren angebaut. Allerdings steigt dann das Ertragsrisiko, da die Unkrautregulierung zu einem gewissen Grad den Launen der Natur überlassen wird.

Raps ohne Fungizide

Aufgrund von Zuchterfolgen bei Resistenzen gegenüber der Wurzelhals- und Stängelfäule (Phoma) und der klimatisch bedingten tiefen Infektionsraten mit Rapskrebs (Sclerotinia) ist ein Verzicht auf Fungizide im Rapsanbau mit überschaubaren Ertragsrisiken möglich. Allerdings haben mehrere fungizide Wirkstoffe auch eine verkürzende Wirkung oder werden in Mischung mit Wachstumsregulatoren angewendet – eine Anwendung, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Der Grund: Durch das Verbot der systemisch wirkenden Neonikotinoide stehen unter anderem für Winterraps keine insektiziden Beizen mehr zur Verfügung. Als Reaktion darauf wird der Raps heute deutlich früher gesät mit dem Ziel, dass die Pflanzen per Anfang September erste echte Blätter haben, welche für die einfliegenden Rapserdflöhe gegenüber Raps im Keimblatt unattraktiv erscheinen und gemieden werden. Dabei wird in Kauf genommen, dass der Raps bereits im Herbst mit dem Längenwachstum beginnt, was die Frostempfindlichkeit erheblich steigert. Da keine verlässlichen Prognosen gemacht werden können, ob uns ein kalter Winter mit Frostschäden bevorsteht, wird der Bestand vorsorglich mit einem Fungizid mit Wachstumsregulation eingekürzt. Mitteleinsparungen werden auch hier folglich zur Lotterie.

Reduktion von Insektiziden

Während bei einem Verzicht auf Herbizide oder Fungizide das Risiko für kleine bis mittlere Ernteeinbussen ansteigt, sind bei fehlendem Insektizideinsatz Totalausfälle nicht unüblich. Dass Beizmittel aus Bienenschutzgründen verboten wurden, aber nun einzig die gewässertoxischen Pyrethroide als effiziente Bekämpfungsmethode bei Erdflöhen oder Stängelrüsslern eingesetzt werden müssen, macht das Dilemma der Nachhaltigkeit perfekt. Weil Pyrethroide ein hohes Risikopotenzial aufweisen und im ÖLN eigentlich verboten sind, kann man sie bei erreichter Bekämpfungsschwelle nur mit einer Sonderbewilligung einsetzen.

Bei fehlendem Insektizideinsatz sind Totalausfälle nicht unüblich.

Ist der Rapserdfloh und später der Grosse Rapsstängelrüssler (siehe Infobox) einmal überstanden, bedroht der Rapsglanzkäfer als dritter wichtiger Schädling den Raps. Versuche haben gezeigt, dass die Applikation biologischer Tonerde (Kaolin) eine hemmende Wirkung hat. Auch durch nahegelegene Nützlingsstreifen können Frassfeinde und Parasiten der Käfer gefördert werden. Trotz Anstrengungen der Forschung sind chemisch-synthetische Insektizide bei einem starken Befall durch den Rapsglanzkäfer für eine zuverlässige Absicherung der Ernte auch heute noch alternativlos.

Das Bessere ist der Feind des Guten

Das Fazit: Mit zunehmenden Einsparungen an PSM steigen die Ertragsrisiken überproportional stark an, weshalb der Anteil von Bioraps an der Gesamtproduktion in der Schweiz trotz des mehr als doppelten Übernahmepreises mit nur zwei Prozent noch immer auf bescheidenem Niveau verweilt. So wurden am biologischen Versuchsbetrieb des Strickhofs (Stiegenhof) im Jahr 2024 stattliche 38 dt / ha Raps gedroschen – im Jahr zuvor kam es jedoch zum Totalausfall. Für die ÖLN-Produktion wäre folglich ein Mittelweg anzustreben, wofür aber heute noch kein Markt existiert. So kennen Bundesbeiträge, Labelpogramme sowie Werbeversprechen an der Ladentheke nur den Totalverzicht, dem die Intensivproduktion gegenübersteht.

Digitale Gelbschalen als Entscheidungshilfe

Die integrierte Produktion setzt beim Einsatz von PSM das Schadschwellenprinzip voraus. Aufgrund der anspruchsvollen Ermittlung der Schadschwelle beim grossen Rapsstängelrüssler durch Zählen der Einstichstellen am Haupttrieb ist die genaue Bestimmung des Haupteinflugzeitpunkts matchentscheidend. Unterdessen sind digitale Gelbschalen verfügbar, welche mehrmals täglich ein Foto erstellen, die Käfer mit künstlicher Intelligenz identifizieren und über einen allfälligen starken Zuflug via Smart-phone-App benachrichtigen. Danach gilt: Je nach Temperatur findet man 7 bis 14 Tage später die ersten Einstichstellen zur Ermittlung der Bekämpfungsschwelle im Feld. Zur Resistenzvermeidung ist das Treffen des richtigen Behandlungszeitpunkts zentral, damit auch im intensiven Rapsanbau der Stängelrüssler mit maximal einem Pyrethroid effektiv behandelt werden kann. Im Rahmen des Ressourcenprojekts «Plopf» betreiben die Kantone AG, TG und ZH ein interkantonales Netz von digitalen Gelbschalen, wodurch für das Schädlingsmonitoring eine Art «Frühwarnsystem» geschaffen wird. www.pflopf.ch

Beiträge für detektionsbasierte Applikation

Mit den jüngsten Anpassungen der Strukturverbesserungsverordnung per 1. Januar 2025 wird neu die Anschaffung gezogener oder selbstfahrender Roboter zur Unkrautbekämpfung gefördert. Während solche Geräte heute erst im Grünland oder im Gemüsebau etabliert sind, haben sie auch im Ackerbau das Potenzial beträchtlicher Mitteleinsparungen, indem das PSM ausschliesslich auf Zielpflanzen appliziert wird. Auch bei Insektizid-Anwendungen in frühen Entwicklungsstadien (Bsp. gegen Blattläuse auf Zuckerrüben ) wäre eine gezieltere Anwendung möglich, indem nur gezielt grüne Pflanzenteile besprüht würden.

Agrarbericht 2024

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat im Agrarbericht 2024 die wichtigsten Trends in der Landwirtschaft für das vergangene Jahr zusammengefasst. Auffällig ist eine hohe Beteiligung an den neuen Produktionssystemen zur Reduktion des Risikos von Pflanzenschutzmitteln. Mehr dazu unter www.agrarbericht.ch.

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