Im Feldbau sind aktuell über 70 Bekämpfungsschwellen aufgelistet. Die Bekämpfungsschwelle sagt aus, ab welcher Schaderregerdichte eine direkte Bekämpfungsmassnahme ökonomisch sinnvoll ist. In der Praxis wird häufig, im Sinne einer Vereinfachung, von der Schadschwelle gesprochen. Es gibt Anzeichen, dass Schadschwellen in der Praxis heute weniger als früher angewendet werden. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung ist möglicherweise, dass der grösste Teil der Schwellen in den 1980er und 1990er Jahren entwickelt wurde und sie dadurch an Aktualität und Praxisnähe verloren haben. Zudem fehlt Landwirtschaftsbetrieben Zeit für die Erhebung der Schwellen. Um herauszufinden, welche Schwellen wie häufig in der Praxis angewendet werden, wurde in einem gemeinsamen Projekt der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) und Agroscope mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) im Winter 2013 / 14 eine anonyme Umfrage, mittels Fragebogen, bei Landwirten und Lohnunternehmern durchgeführt. Neben Fragen zum Betrieb (Landwirt und / oder Lohnunternehmer, Grösse des Betriebes und Standortkanton) wurde in erster Linie erfragt, welche Schadschwellen wie häufig angewendet werden. Ebenfalls erfasst wurde die Bekanntheit und Anwendung von Prognosesystemen und Warndiensten.
Anwendung der Schadschwellen in der Praxis
Die Resultate zeigten, dass Schadschwellen bei Unkräutern kaum noch erfasst werden. Die Landwirte begründeten dies damit, dass die Situation der Verunkrautung auf den Parzellen bekannt sei und die Erhebung viel Zeit in Anspruch nehme. Die Schadschwellen hinsichtlich Krankheiten werden mehr angewendet. Bei den Krankheiten gehen die Landwirte am häufigsten die Zuckerrübenblattflecken auszählen. Über 80 Prozent der Landwirte gaben an, die Schadschwelle immer oder häufig zu erheben. Die Schadschwellen der Schädlinge werden insgesamt am häufigsten erfasst, darunter vor allem Rapsglanzkäfer, Rapsstängelrüssler und Kartoffelkäfer. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Schadschwellen dann ausgezählt werden, wenn das Schadenpotenzial hoch ist, der Schädling respektive die Krankheit einfach, sicher und mit wenig Zeitaufwand erhoben werden kann und die Beratung (Warndienst) dazu aufruft, die Situation zu beurteilen. Warndienste, insbesondere die der Offizialberatung, werden häufig genutzt.
Was bringen Schadschwellen?
Oft stellt sich der Landwirt die Frage, bringt es überhaupt etwas, die Zeit aufzuwenden, um eine Schadschwelle zu erheben. Mehrere Arbeiten der HAFL haben gezeigt, dass eine Erhebung der Schadschwelle wirklich zu weniger Pflanzenschutzmittel-Einsatz führt. So wurde in einer Untersuchung, bei welcher die Pro duktionstechnik im Raps genau erfasst wurde, aufgezeigt, dass Landwirte, welche den Rapsglanzkäfer auszählen gingen, im Durchschnitt eine Insektizidbehandlung weniger ausführten. Weniger und gezieltere Einsätze von Pflanzenschutzmitteln haben positive Auswirkungen finanzieller Art, belasten die Umwelt weniger, schonen die Nützlinge und vermindern die Resistenzbildung.
Direktzahlungsverordnung
Wer Direktzahlungen bezieht, muss den Ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) erfüllen. In der Direktzahlungsverordnung (Art. 18) ist festgehalten, dass bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln die Schadschwellen sowie die Empfehlungen von Prognoseund Warndiensten berücksichtigt werden müssen.
Überprüfung von Schadschwellen
Viele der bestehenden Schadschwellen sind bis zu 40 Jahre alt. Seither hat sich einiges verändert. Beispielsweise verändern die Preise von Pflanzenschutzmitteln die ökonomischen Schadschwellen und sinkende Produktepreise haben steigende Schadschwellen zur Folge. Aber auch eine veränderte Pro duktionstechnik, die Klimaerwärmung und neue Schaderreger spielen eine Rolle. Aus diesem Grund wurden die Bekämpfungsschwellen der drei wichtigen Schädlinge Getreidehähnchen, Rapsglanzkäfer und Kartoffelkäfer durch Agroscope und HAFL wissenschaftlich überprüft. In aufwändigen, mehrjährigen Feld- und Laborversuchen, wurde überprüft, ob und wie sich etwas bei den erwähnten Schädlingen und Schadschwellen verändert hat. Bei den Getreidehähnchen hat sich gezeigt, dass der wirtschaftliche Schaden geringer ist, als bisher angenommen wurde, und die Schadschwelle konnte somit erhöht werden. Die neue Bekämpfungsschwelle liegt seit 2019 bei zwei Larven pro Halm respektive Fahnenblatt, anstatt wie vorher bei einer Larve oder einem Ei pro Halm. Die Schadschw
elle für den Rapsglanzkäfer wird 2021 ebenfalls erhöht. Hier ist nebst dem heute deutlich tieferen Produzentenpreis für Raps auch die geänderte Pro duktionstechnik von Bedeutung: in den 1990er-Jahren wurden etwa fünf bis sechs Kilogramm Raps pro Hektar gesät. Dies führte im Vergleich zu heute zu viel dichteren Beständen. Der Raps bildete unter diesen Bedingungen nur schwache Seitentriebe und der Haupttrieb war sehr wichtig für den Ertrag. Bei den heutigen, viel tieferen Saatdichten geht die Bedeutung des Haupttriebes für den Ertrag stark zurück. Der Raps kann mit seinem enormen Kompensations po ten zial einen Glanzkäferschaden am Haupttrieb problem los aus gleichen. Beim Kartoffelkäfer bleibt die Schwelle gleich, die Erhebung der Eier wird aber weggelassen.
Schadschwellen bleiben wichtig
Das Ziel muss sein, weniger Pflanzenschutzmittel möglichst gezielt einzusetzen. Die wichtigste Basis dazu sind vorbeugende Massnahmen wie eine abwechslungsreiche Fruchtfolge, eine gute Feldhygiene, die Wahl resistenter Sorten und die Anwendung der Schadschwellen. Die Anwendung von Schadschwellen verhindert unnötige direkte Eingriffe. Damit können Kosten gespart, Resistenzen verhindert und die Umwelt geschont werden. Ebenso wichtig ist auch, die vorhandenen Warndienste gezielt zu nutzen. Dem Landwirt stehen mit der heutigen Digitalisierung zunehmend Möglichkeiten zur Verfügung. Es ist zu hoffen, dass vermehrt auch Entscheidungshilfen wie «Phytopre» und «Fusaprog» genutzt und neue entwickelt werden, um den Pflanzenschutz im Sinne der integrierten Produktion bedacht zu gestalten.
Weiterführende Informationen www.agridea.ch