Trotz der Beliebtheit von Sonnenblumenöl stehen bisher auch im Biolandbau nur Hybridsorten im Einsatz. Das Angebot an Bio-Saatgut ist daher Jahr für Jahr unsicher und oft ist nur konventionelles, ungebeiztes Saatgut von grossen Saatgutkonzernen verfügbar. Deshalb haben sich im Jahr 2012 einige Firmen zusammengeschlossen, um die Getreidezüchtung Peter Kunz bei der Entwicklung von Sonnenblumensorten zu unterstützen. Das Ziel des Projekts ist der Aufbau mehrerer Populationssorten von Öl-Sonnenblumen des Typs «High Oleic» (HO) für den Biolandbau. Die Sorten müssen nachbaufähig sein, im Ertrag mit Hybridsorten mithalten können und nebst einem hohen Ölgehalt auch einen hohen Ölsäuregehalt von über 80 Prozent und mehr im Öl aufweisen, was die bezeichnende Eigenschaft der HO-Sorten ausmacht. Daneben sollen die Sorten auch bienenfreundlich sein.
Verwendung des HO-Sonnenblumenöls
Sonnenblumenöl spielt in der Biole-bensmittel- und Naturkosmetikbranche als Rohstoff eine wichtige Rolle. Vor allem das «High Oleic» (HO)-Sonnenblumenöl gewinnt an Bedeutung. Der hohe Gehalt an Ölsäure, einer einfach ungesättigten Fettsäure, gibt dem Öl die ausgezeichnete Stabilität gegenüber Licht und Wärme. Es eignet sich besonders als Bratöl in der heissen Küche und auch für die Kosmetikherstellung.
Praxisversuch in Flaach
Die Landwirte werden schon früh in den Züchtungsprozess einbezogen: In der Saison 2019 haben zehn Betriebe im deutschsprachigen Raum auf insgesamt zehn Hektaren Fläche Versuchssaatgut der aktuellen Basispopulation – die notabene noch keine angemeldete Sorte ist – angebaut. Als einziger Landwirt in der Schweiz hat Anton Meier aus Flaach ZH eine Hektare des Versuchssaatguts gleich angrenzend an eine Parzelle mit herkömmlichem Hybridsaatgut der Sorte LG 54,24 HO ausgesät. Die Aussaat erfolgte Ende April mit einer Saatdichte von 65 000 Korn pro ha und einem Reihenabstand von 75 cm. Im Auflaufen und im vegetativen Wachstum unterschieden sich die Populationssorte und Hybride kaum, erst ab der Blüte zeigten sich deutliche Unterschiede. Mitte Oktober war der Bestand erntereif. Im direkten Ertragsvergleich in Flaach bleibt die Versuchssorte etwa zehn Prozent hinter der Hybridsorte.
Züchter noch nicht zufrieden
Aus dem Versuchsanbau 2019 zieht das Züchtungsteam das Fazit, dass die aktuelle Basispopulation zwar ein gutes Potenzial aufweist, aber vor allem in der Abreife noch zu ungleichmässig ist und die Verluste durch Vogelfrass aufgrund einer ungünstigen Kopfstellung noch zu hoch sind. Bezüglich der Gehaltswerte vermag die Sorte durchaus mit den Hybriden mitzuhalten: Das Erntegut vom Betrieb Meier zeigte mit 39,5 Prozent Ölgehalt und 83 Prozent Ölsäuregehalt ansehnliche Resultate. Dies verdeutlicht der Vergleich mit den Messwerten aus dem Bio-Vertragsanbau der fenaco, wo die Ölmühle Sabo durchschnittlich 42,5 Prozent Ölgehalt und 87 Prozent Ölsäuregehalt festgestellt hat.
Geschichte des Züchtungsprojekts
Die Anfänge des aktuellen Züchtungsprojekts liegen im Jahr 2005, als die Getreidezüchtung Peter Kunz und die Naturkosmetikfirma Weleda erste Anbauversuche mit unterschiedlichen Sorten machten. Daraus entstand mit dem Zusammenschluss zahlreicher Firmen im Jahr 2012 die heutige gemeinnützige Initiative, welche eine zielgerichtete Züchtungsarbeit ermöglicht. An der finanziellen Absicherung des Projekts beteiligen sich Erzeugergemeinschaften, Verarbeiter und Handels firmen, darunter zehn Vertreter aus Deutschland sowie die drei Schweizer Unternehmen Weleda, Oleificio Sabo und die fenaco Genossenschaft.
Im Jahr 2017 wurde die erste, neu gezüchtete Bio-Population an verschiedenen Versuchsstandorten in Europa getestet. Die Population wies eine gute Pflanzengesundheit sowie einen guten Ölgehalt auf.
Es stand genügend Saatgut zur Verfügung, um in den Jahren 2018 und 2019 Praxisversuche auf Landwirtschaftsbetrieben in Mittel und Osteuropa durchzuführen.
Um den Züchtungsfortschritt zu beschleunigen, nutzt das Züchtungsteam nebst dem Sommeranbau auf den Flächen der Sativa in Rheinau ZH auch einen Winterzuchtgarten auf Sardinien, wo die Linien im Gewächshaus kultiviert werden. Es kann also zweimal pro Jahr geerntet werden.
Unter Anwendung einer unterdessen anpassten Züchtungsstrategie, die teilweise auf Selbstungen von Linien basiert, rechnen die Züchter damit, dass in etwa drei Jahren mit einer Sortenanmeldung zu rechnen ist.