Damit die Öffentlichkeit ihre Ziele erreicht, muss sie auch Landwirtschaftsland beanspruchen oder darauf die Nutzung einschränken können. Der Eingriff in das Grundeigentum wird als Enteignung bezeichnet und muss voll entschädigt werden (Art. 26 Bundesverfassung).
Formelle oder materielle Enteignung
Allerdings wird dabei unterschieden zwischen einer formellen Enteignung und einer materiellen Enteignung. Wechselt für den Bau eines Radwegs die Eigentümerschaft, entspricht dies einer formellen Enteignung. Bei der materiellen Enteignung handelt es sich lediglich um eine Eigentumsbeschränkung. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn auf einer Fläche eine Grundwasserschutzzone ausgeschieden wird und darauf deshalb weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden dürfen. Die Eigentumsbeschränkung muss aber nur entschädigt werden, wenn sie einer formellen Enteignung gleichkommt. Diese Bedingung ist der Grund, weshalb bei vielen Nutzungsbeschränkungen keine Entschädigung gerichtlich durchgesetzt werden kann.
Entschädigung bei Enteignung
Zum Verfahren und zur Festlegung der Entschädigung bestehen auf Stufe Bund und Kanton separate Enteignungsgesetze. Bei der Entschädigung steht der Verkehrswert des abzutretenden Bodens im Vordergrund. Bei Landwirtschaftsland muss bei Bundesprojekten seit 2021 der dreifache Höchstpreis gemäss BGBB entschädigt werden. In verschiedenen Kantonen werden die kantonalen Enteignungsgesetze diesbezüglich ans Bundesgesetz angepasst.
Bei Landabtretung nicht nur auf den Betrag in Franken pro Quadratmeter schauen
Als weitere Entschädigungsposition ist auch eine allfällige Wertminderung des Restgrundstückes vorgesehen. Beim Bau eines Radwegs, bei dem nur ein Teil des Grundstückes abgetreten wird, zählen zu diesen sogenannten Inkonvenienzen beispielsweise ertragsmindernde Betriebserschwernis oder eine Unterbrechung des Verkehrsflusses um Betriebsgebäude. Bei einer Landabtretung empfiehlt es sich daher, nicht nur auf den Betrag in Franken pro Quadratmeter zu schauen. Ein allfälliger Schaden beim Pächter durch das wegfallende Pachtland kann dieser selbstständig geltend machen. Kein Bestandteil der Entschädigung ist ein allfälliger Nutzen, den das öffentliche Werk durch die Enteignung erhält. Um die Höhe der Entschädigung zu bemessen, sind bestehende Wegleitungen und Richtwerte hilfreich (siehe Tabelle).
Nutzungsbeschränkungen
Bei Nutzungsbeschränkungen äussern sich die Nachteile häufig in jährlich oder periodisch auftretenden Ertragsminderungen und Mehrkosten. In diesen Fällen sind für eine Entschädigung häufig die Nachteile zu einem Einmalbetrag zu kapitalisieren. Dabei müssen allfällige Preis- und Kostenentwicklungen sowie der für die Kapitalisierung verwendete Zinssatz berücksichtigt werden. Für die Feststellung des jährlichen Schadensbetrages empfiehlt es sich, auf anerkannte Wegleitungen oder Richtwerte abzustellen.
Freiwillige Duldung
Bei einer freiwilligen Duldung durch den Grundeigentümer bestehen keine Vorgaben zur Berechnung einer Entschädigung. Entscheidend ist nur, unter welchen Bedingungen eine Beanspruchung geduldet wird. Sicherlich muss der dadurch verursachte Schaden gedeckt werden. Zusätzlich sollte aber auch ein Zuschlag für die Freiwilligkeit entschädigt werden. Richtschnur für die Ermittlung eines Zuschlages für die Freiwilligkeit können Vergleichspreise oder auch Ableitungen aus vergleichbaren Ansätzen sein.
Durchleitungen
Für die Entschädigung von elektrischen Freileitungen und Masten sowie für Schächte und erdverlegte Leitungen bestehen gemeinsame Empfehlungen von Verbänden und Organisationen für 25 bzw. 50 Jahre. Diese wurden auf der Basis von Ertragsminderungen und Mehraufwendungen ermittelt und werden seither periodisch der Teuerung und dem Zinsniveau angepasst. In Streitfällen stützen sich die Gerichte auf diese Ansätze, ohne dass der Schaden bewiesen werden muss. In den Empfehlungen nicht enthalten sind wichtige Punkte eines Dienstbarkeitsvertrages wie die Vertragsdauer oder die Verlegung der Leitung zulasten des Leitungseigentümers, wenn dies aufgrund einer veränderten Nutzung des Grundstückes notwendig wird.
Der Zinssatz bestimmt Höhe der Einmalentschädigung
Für die Kapitalisierung des jährlichen Schadensbetrages wird vom Bundesgericht immer noch der Zinssatz von 3,50 % angewendet, obwohl das heutige Zinsniveau deutlich tiefer ist. Mit dem Zinssatz von 3,50 % wird so ein tieferer Kapitalwert ermittelt, als er mit einem aktuellen Zins (z. B. Referenzzinssatz für Mietverhältnisse: 1,25 %) ermittelt würde.
Beispiel: Auf einer Parzelle in der Schutzzone S2 wird ein Pumpwerk für die Trinkwasserversorgung erstellt und in dessen unmittelbarem Umfeld die Schutzzone S1 definiert. Der jährliche Schaden von Fr. 500.– durch die Nutzungseinschränkung soll der Grundeigentümerin mit einer Einmalzahlung über eine ewige Laufzeit entschädigt werden.
Kapitalwert:
- Zinssatz 3,5 0 % Fr. 500.– : 0,035 = Fr. 14 285.–
- Zinssatz 1,25 % Fr. 500.– : 0,0125 = Fr. 40 000.–