Als Tierärzte seinerzeit mit Ross und Wagen auf Stallvisite trabten, waren die Wege lang. Doch der Arzt war damals, noch mehr als heute, eine kostspielige Angelegenheit. Landwirte und Bäuerinnen griffen deshalb erst einmal lieber auf bewährte Hausmittelchen zurück, wenn nicht gerade ein Tier im Sterben lag.
So erinnert sich eventuell die ältere Generation noch heute an Kälbergeburten, bei denen Nabel und Schnauze des Frischgeborenen mit Schnaps aus eigener Produktion eingerieben wurden, um das anfangs schwache Tier vor Infektionen zu schützen. Von hochprozentigen Obstbränden hatten viele mehr als genug im Keller. Wie übrigens auch heute bildeten schon damals die landwirtschaftlichen Betriebsdaten die Basis für die maximal zulässige Menge im Brennrecht. Dazu gehört unter anderem auch die Anzahl gehaltener Grossvieheinheiten.
Der Alkohol desinfiziert den Magen-Darm-Trakt.
Vom Einsatz von Spirituosen hält Veterinär Hans Kilchenmann von der Tierarztpraxis Oeschberg (BE) im beschriebenen Zusammenhang wenig: «Wenn die hygienischen Verhältnisse im Stall nicht stimmen, hilft eine punktuelle Desinfektion nicht viel – egal, ob mit Obstbrand oder Jodlösung.»
Den «Pflümli» müssen Landwirte aber dennoch nicht allen selbst in sich hineinschütten. Leide eine Kuh an Durchfall, so der Tierarzt, könne eine grössere Menge Schnaps das bakterielle Gleichgewicht im Pansen des Tiers wiederherstellen. Nach Anleitung von Kilchenmann mischt man dazu einen Liter frisch gebrühten Kaffee mit einem Liter Schnaps und flösst dies dem Tier ein. Der Alkohol desinfiziert den Magen-Darm-Trakt und neutralisiert in dieser Weise die krankmachenden Keime, was im Pansen zu einer Art Reset führt. Der Kaffee regt zusätzlich die Darmfunktion an. sg