Ferkelproduzent Matthias Zysset schöpft die Genetik seiner Tiere voll aus. Liegt die durchschnittliche Wurfgrösse eines Umtriebs unter 13,5 Ferkeln, gerät er ins Grübeln und geht der Sache auf den Grund. Nutzungsdauer, Wurfabstände, Trächtigkeits- und Remontierungsquote liegen da innerhalb einer engen Toleranz. Zeigt eine der Kurven auf seinem Monitor zu steil nach oben oder nach unten, greift der Züchter ein. Leistungsschwache Tiere sondert er konsequent aus, und auch mit «Umrauschern» fackelt er nicht allzu lange.
Matthias Zysset, Landwirt«Optimale Bedingungen zahlen die Tiere mit einer hohen Leistung zurück.»
Manchmal ist es aber nicht die Genetik, die eine Korrektur verlangt. In der Ferkelproduktion sind es oftmals subtile Gründe, welche die Leistung der Tiere beeinträchtigen. Deshalb dreht er immer wieder an einem der zahlreichen Rädchen, sei es bei der Heizung oder der Fütterungsautomatik. Am häufigsten jedoch justiert er an der Luftversorgung herum – dem Herzstück eines jeden Zuchtstalls: «Bei einem optimalen Stall wird zuerst die Lüftung konzipiert und die Hülle später darum herum gebaut», weiss Zysset nach mittlerweile über 8000 abgesetzten Ferkeln. Weil das richtige Klima in den einzelnen Bereichen eine äusserst heikle Angelegenheit ist, lässt sich der Landwirt auch nicht alleine von den digitalen Helfern leiten, sondern setzt sich öfters auch selbst ins Stroh zu seinen Tieren. Seine Erfahrung zeigt: «Optimale Bedingungen zahlen die Tiere mit einer hohen Leistung zurück.»
Am Scheideweg bei der Hofübernahme
Zysset war 30 Jahre alt, als er vor drei Jahren den Betrieb aus der Generationengemeinschaft übernahm. Damals war die Milchwirtschaft der Hauptzweig des 24-Hekta-ren-Betriebs im bernischen Kirchdorf. Der Anbindestall entsprach nicht mehr den Ansprüchen an die moderne Nutztierhaltung. Strukturelle Defizite gab es auch in der bestehenden Ferkelproduktion, wo der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis mehr zur Leistung stand. Zysset stand am Scheideweg. Aus persönlichen Präferenzen setzte der Junglandwirt trotz des Preisdrucks im Schweinemarkt auf die Karte Zuchtsauen: «Bereits während meiner Lehrjahre auf zwei Milchbetrieben merkte ich, dass die Kuh nicht mein Tier ist», erinnert er sich. «Schweine sind den Menschen in vielerlei Hinsicht näher. Sie sind aufmerksam, sozial und reagieren auf Veränderungen sensibler als Wiederkäuer.»
Bauprojekt Zysset Matthias, 3116 Kirchdorf BE
Belegungsgrösse: 32 Abferkelbuchten, 16 Deckplätze, 2 Eber, 96 Galtsauen (aktuelle Belegung 80), 504 Aufzuchtplätze, 26 Jungsauen (128 Zuchtsauenplätze, aktuelle Belegung 112)
Baukosten: Fr. 1,7 Mio. (abgerechnet), Fr. 13 200.– pro Zuchtplatz (Fr. 15 200.– bei aktueller Belegung)
Projektumfang
- Neubau Deckstall, Abferkel- und Jagerstall mit Unterflurlüftung nach Terra Natura (Lidl)
- Umbau Milchviehstall zu Galtsauenstall mit Erweiterung Aussenbereich und Raufuttertenn
- Dienstleistung Krieger AG: Planung von A bis Z, Stalleinrichtung, Klimatechnik, Fenster und Türen, Betonroste, Tränkesysteme, Mikroklimatechnik
Mit der Faszination alleine konnte Zysset jedoch seine Ziele nicht erreichen. Dafür brauchte er eine Infrastruktur, die seinen Ansprüchen gerecht wurde. So machte er sich auf die Suche nach möglichen Baupartnern. Schliesslich lud er zwei Anbieter auf seinen Betrieb ein und liess von jedem ein Vorprojekt ausarbeiten. Nach einer Korrekturrunde vergab er schliesslich den Planungsauftrag an die Firma Krieger AG aus dem luzernischen Ruswil.
Angespornt durch hohe Ansprüche
Für die Planer bestand die Aufgabe nun darin, den Wünschen des Bauherrn gerecht zu werden, ohne das vergleichsweise enge Budget des noch jungen Landwirts zu überschreiten. «Die Herausforderung auf dem Hof von Matthias Zysset war, dass die Gebäudehülle des bestehenden Kuhstalls bereits vieles vorgab und das Terrain für den Bau der weiteren Gebäude nicht ebenerdig war», sagt der Projektverantwortliche Stefan Achermann. Bereits bei den ersten Überlegungen wurde klar, dass der Galtsauenstall in den alten Kuhstall integriert werden muss. Das Lichtverhältnis, die bestehenden Schwemmkanäle und die Raumhöhe waren ideal dafür. Zudem war das Strohmanagement bereits gelöst mit dem bereits vorhandenen Heu- und Strohlagerraum. Um zusätzlich die vorgegebenen Arbeitsabläufe mit einem optimalen Tierwohl unter einen Hut zu bringen, war noch mehr Kreativität gefragt.
Neue Gebäudeanordnung bringt den Durchbruch
Beim Neubau richteten die Bauexperten ihren Fokus als Erstes auf die Anordnung der weiteren Gebäude fürs Decken, Abferkeln und für die Aufzucht. Eine möglichst kompakte Bauweise war schliesslich die Lösung. «Erreichen konnten wir dies, indem wir den Deckstall zwischen das bestehende Gebäude und dem Abferkelstall platzierten», erklären Achermann und Zysset beim Betriebsbesuch der UFA-Revue. Dadurch fielen weitere Durchgänge innerhalb der Gebäude weg. Neben drei kleinen Räumen für die Ferkelkastration, den Fütterungsraum und das Stallbüro verzichteten sie zudem auf weitere Arbeitsräume. Alles zusammen bescherte schliesslich den Tieren mehr Platz und verringerte das Volumen für Aushub und Beton beträchtlich. Jetzt ging auch die Rechnung unter dem Strich auf.
Verstehen, was die Kundschaft will
Komplexe Projekte, bei denen Neues in Bestehendes integriert werden muss, sind für Stallbauer die Regel. Am Anfang steht deshalb immer der persönliche Kontakt.
Stefan Achermann, Krieger AG«Bei einem ersten Betriebsbesuch geht es darum, genau zu spüren, was ein Landwirt oder eine Landwirtin will»
Im Idealfall kennen Betriebsleitende beim Erstkontakt bereits die baurechtlichen Eckdaten wie Tierbesatz, Hofdüngerkapazität und Mindestabstände. «Bei einem ersten Betriebsbesuch geht es uns jeweils darum, genau zu spüren, was ein Landwirt oder eine Landwirtin will», sagt Achermann und schlüpft dabei in vielen Fällen erst einmal in die Beraterrolle. Gerade im Bereich der Ferkelproduktion sind öffentliche Stallbesichtigungen aufgrund der tiergesundheitlichen Vorgaben selten. Landwirtinnen und Landwirte haben wenig Möglichkeiten, sich von bestehenden Konzepten inspirieren zu lassen.
Das Bauchgefühl muss mit entscheiden
Matthias Zysset rät seinen Berufskollegen, immer mehr als nur einen Anbieter mit einem Vorprojekt zu betrauen, auch wenn es zusätzlich kostet: «Als Bauherr bekommt man eine Vergleichsmöglichkeit und bleibt dennoch frei bei der Vergabe.» Neben konzeptionellen Überlegungen konnte Zysset zusätzlich zum Preis auch weitere kaufmännische Bedingungen gegeneinander abwägen.
So überzeugte den Berner Landwirt beispielsweise, dass sein jetziger Partner für die Stalleinrichtung und den Bau grundsätzlich zwei getrennte Angebote anfertigt. So konnte er für das Innenleben weitere Optionen prüfen. Abgesehen von rationalen Überlegungen war für den Ferkelproduzenten aber noch eine Grösse zum endgültigen Zuschlag entscheidend. «Wenn man erfolgreich sein will, braucht man jemanden, der einem auch nach dem Bau kompetent begleitet», resümiert Zysset. «Am Ende war es vor allem das Bauchgefühl, das den Ausschlag gab.»
Mehr Platz und weniger Absetzstress
Der Bau eines Bio-Zuchtsauenstalls benötigt bei gleicher Belegungsgrösse einen rund 60 Prozent höheren Platzbedarf. Um die vorgeschriebene doppelt so lange Säugezeit von 42 Tagen einzuhalten, werden insgesamt mehr Abferkelbuchten benötigt, die zudem den grosszügigeren Abmessungen der Bio-Richtlinien entsprechen. Zusätzliche Fläche benötigt der separate Auslauf, zu dem die Säuger ab dem 24. Lebenstag Zugang haben müssen. Weitere Unterschiede bestehen bei den Galtsauen: Ihnen muss uneingeschränkt frisches Gras, Heu etc. zur Verfügung stehen, und sie haben Anrecht auf einen Wühlbereich oder den freien Zugang zu einer Weide. Die Stallbaufirma Krieger AG empfiehlt ein Raufutterangebot für Galtsauen unabhängig des Labels, damit sich die Tiere sättigen können und ruhiger werden. Um die Tiergesundheit und das Produktionsniveau im Griff zu behalten, rät Planer Stefan Achermann zudem, mehr Abferkelbuchten einzuplanen und dafür ganz auf einen Jagerstall zu verzichten. Bei diesem Konzept verlassen die Muttersauen nach dem Absetzen ihre Ferkel. Das verursacht bei den jungen Tieren weniger Stress, da sie nach der Trennung in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben.