Lukas, 13 Jahre, findet im Internet endlich das Keyboard, das er sich schon so lange wünscht. Er bestellt es sofort. Als zwei Wochen später die Lieferung zusammen mit der Rechnung eintrifft, sind die Eltern über das Verhalten von Lukas schockiert – denn sie haben ihm den Kauf nicht erlaubt. Müssen die Eltern das Keyboard nun bezahlen oder haben sie ein Widerrufsrecht?
Widerrufsrecht
Grundsätzlich gilt, dass im Onlinehandel kein Widerrufsrecht besteht. Mit einem Klick kann ein Vertrag abgeschlossen werden, der dann auch eingehalten werden muss. Anders verhält es sich bei Haustürgeschäften. Hier räumt der Gesetzgeber gemäss OR Art. 40a ff. dem Kunden ein 14-tägiges Widerrufsrecht ein. Diese 14-tägige Frist beginnt aber erst zu laufen, wenn der Kunde vom Verkäufer über das Widerrufsrecht informiert wurde. Wenn also der Kunde nichts vom Widerrufsrecht weiss, kann er den Vertrag auch später widerrufen. Begründet wird das Widerrufsrecht damit, dass der Kunde bei einem Haustürgeschäft unter Umständen überrumpelt wird, weshalb er vielleicht vorschnell oder ungewollt einen Vertrag eingeht. Dieses Widerrufsrecht gilt aber nicht bei Versicherungsabschlüssen. Im Internet hingegen nimmt sich der Kunde oder Käufer Zeit, um sich über Angebote zu informieren und wird nicht zu einem Vertragsabschluss gedrängt.
Nun aber zurück zu Lukas: Lukas kann kein Widerrufsrecht geltend machen. Da Lukas aber minderjährig ist, durfte er überhaupt keinen Vertrag dieser Tragweite abschliessen. Seine Eltern müssten dem Vertrag im Nachhinein zustimmen und die Rechnung übernehmen. Wollen sie das nicht, kann die Ware zurückgegeben werden. «In der Praxis ist es aber extrem schwierig zu beweisen, dass ein Kind im Internet den Kauf getätigt hat», erklärt Michael Riboni, Agriexpert.
Aber auch hier gibt es wieder eine Ausnahme. Hätte Lukas die Ware von seinem Taschengeld oder seinem selbst verdienten Geld (Kindesvermögen) bezahlen können, hätte er dies unter Umständen auch machen und das Keyboard behalten dürfen.
Abschluss und Form
Ein Vertragsabschluss bedingt eine gegenseitige übereinstimmende Willensäusserung der beiden Parteien. Diese kann sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend erfolgen. Der typische Handschlag unter Landwirten gilt also bereits als Vertrag. Ausgenommen sind hier nur Verträge, bei jenen das Gesetz eine besondere Form verlangt. Dies ist beispielsweise bei einem Testament oder bei Leasing, wo die Schriftform bzw. beim Testament gar Handschriftlichkeit verlangt wird, oder bei Grundstückkauf, der eine öffentliche Beurkundung benötigt, der Fall.
Was gilt nicht?
Damit ein Vertrag zustande kommt, müssen sich die Vertragspartner über die wesentlichen Punkte des Vertrages einig sein. Bei Unstimmigkeiten, beispielsweise über Leistung und Preis, kommt kein Vertrag zustande. Ungültig sind Verträge, die bereits zu Anfang Mängel (unmögliche, widerrechtliche und unsittliche Inhalte) aufweisen oder unter Täuschung oder Drohung entstanden sind. Wurden aber alle diese Punkte nicht tangiert, kann ein Vertrag nur durch die Zustimmung beider Parteien wieder aufgelöst werden.
Vertrauen ist gut, schriftlicher Vertrag ist besser
Selbst da, wo mündliche Vereinbarungen genügen, empfiehlt sich oft Schriftlichkeit. Ein gut abgefasster schriftlicher Vertrag schafft Transparenz und hat Beweischarakter. Dies gilt nicht nur im Streitfall vor Gericht, sondern generell bei Uneinigkeiten der Parteien über die Abwicklung des Vertragsverhältnisses.
Ein Vertrag muss nicht umfangreich sein und für jede denkbare Situation eine Lösung enthalten. Wird keine Regelung getroffen, gilt das Gesetz. Überdies gibt es zwingendes Recht (insb. im Arbeits-, Miet- oder Pachtrecht), das mit einem Vertrag nicht abgeändert werden kann.
Im Internet findet man heutzutage ein Hauf von Mustervorlagen. Aber aufgepasst, solche Vorlagen sind wie Schuhe, die schlecht sitzen. Nicht auf die tatsächliche Situation angepasst, führen sie über kurz oder lang zu Komplikationen. Richtige und klare Formulierungen in Verträgen beugen zeitraubenden und kostspieligen Streitigkeiten vor. Die Kosten für den Beizug eines juristischen Beraters sind in der Regel deshalb gut investiert.
Michael Riboni, MLaw, Fachverantwortlicher Rechtsschutz, Agriexpert