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Betriebsführung

Vielfalt sichert die Zukunft

Die Getreideerträge haben sich in den vergangenen 60 Jahren verdoppelt, und die Zahl der Betriebe ist um die Hälfte geschrumpft. Neben der Effizienz in der Produktion steigt der Druck auf die Landwirtschaft auch aufgrund der gesellschaftlichen Erwartungen. Dass landwirtschaftliche Betriebe diese erfüllen können, verlangt nach einer Politik, die der Landwirtschaft mehr unternehmerische Freiheiten einräumt.

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Die Erwartungen an die Landwirtschaft wandeln sich. Bleibt die Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln seit eh und je ein zentrales politisches Ziel, so entwickeln sich mehr und mehr gesellschaftliche Anforderungen an weitere Leistungen der Landwirtschaft.

So spielt ihr Beitrag zu öffentlichen Gütern, wie zum Klima- und Ressourcenschutz sowie zum Erhalt der Biodiversität, eine zunehmend wichtige Rolle für die Wahrnehmung der Landwirtschaft durch Gesellschaft, Politik und Industrie. Und auch die Nach frage nach dem «Freizeiterlebnis Bauernhof» und landwirtschaftsnahen Dienstleistungen nimmt zu. So haben bereits mehr als 20 Prozent aller Betriebe in der Schweiz eine Direktvermarktung, Tendenz stark steigend.

Produktionsgrundlage unter Druck

Doch wachsenden Anforderungen und Wünschen steht eine zunehmend schwindende Produktionsgrundlage gegenüber. In den letzten 30 Jahren gingen in der Schweiz mehr als sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche verloren. Auch der Klimawandel hinterlässt bereits jetzt sicht- und spürbare Folgen für die Landwirtschaft. Die Produktionsrisiken nehmen zu. Probleme wie Erosion und invasive Arten verstärken diese Phänomene. Nahrungsmittel und andere Leistungen in gleichem Masse zu produzieren, wird immer schwieriger, aufwendiger und kostspieliger. Auch die Agrarpolitik wird immer anspruchsvoller und komplexer. Massnahmen und Instrumente sind zunehmend auf spezifische Ziele ausgerichtet oder auf bestimmte Betriebe zugeschnitten. Darüber hinaus wälzt die Digitalisierung die Landwirtschaft schnell und grundlegend um.

Komplexen Bedingungen gerecht werden

Um in diesem Spannungsfeld auch in Zukunft erfolgreich zu sein, braucht es ökonomisch, sozial und ökologisch tragfähige landwirtschaftliche Betriebe. Erfolgreiche Betriebe sind die Voraussetzung für nachhaltige und zuverlässige Ernährungssysteme der Zukunft. Die Antwort auf die Frage, welche Art von Betrieben wir dazu brauchen, heisst: viele, und vielfältige. Betriebe der Zukunft sind sowohl hoch spezialisiert als auch stark diversifiziert. Sie sind klein und gross, digitalisiert und automatisiert, aber auch handwerklich geprägt. Sie produzieren intensiv und extensiv, biologisch, integriert und konventionell. Vielfältige Herausforderungen brauchen vielfältige, vielseitige und innovative Betriebe. Dies ist der Schlüssel für eine nachhaltige, erfolgreiche und standortangepasste Land- und Ernährungswirtschaft, welche den unterschiedlichen Zielen und Wünschen unter komplexen Bedingungen gerecht werden kann. Das heisst, wir müssen mit Dogmen brechen. Wachsen, Spezialisieren und Digitalisieren sind kein Selbstzweck und nicht die einzigen Strategien zum Erfolg.

«Complex Farms» – multifunktional, vielfältig, mehrschichtig

Der Begriff «Complex Farms» wurde in den USA geprägt und beschreibt Landwirtschaftsbetriebe, die nicht mehr nur als geschlossenes, eigenständiges Familienunternehmen organisiert sind, sondern als komplexe Wirtschaftseinheiten operieren. Bezüglich Komplexität spielt eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle. Dazu gehört einerseits die Betriebsorganisation, wenn beispielsweise mehrere Betriebe von einer einzigen Managementeinheit betreut werden oder wenn Kapital und andere Betriebsmittel gemeinsam genutzt werden. Weitere Kriterien sind Anzahl und Vielfalt der landwirtschaftlich produzierten Produkte oder der Grad der vertikalen Integration verschiedener aufeinanderfolgender Verarbeitungs- oder Handelsstufen. Auch in der Schweiz lagern immer mehr Betriebe einzelne Geschäftszweige in separate Unternehmen aus, an denen zum Teil mehrere Landwirtschaftsbetriebe und Organisationen oder Personen ausserhalb der Branche beteiligt sind. Gängige Beispiele sind agrotouristische Angebote oder die nachhaltige Energieproduktion.  sg

Grenzen lösen sich immer mehr auf

Vielmehr werden landwirtschaftliche Betriebe vermehrt zu komplexeren Wirtschaftseinheiten. Dies wird oft mit dem Begriff der «Complex Farms» beschrieben (siehe Kasten). Landwirtschaftliche Betriebe unterscheiden sich zudem immer stärker in Bezug auf Struktur und Technologien, werden aber auch hinsichtlich ihrer individuellen Ziele immer unterschiedlicher.

Viele Betriebe zeichnen sich zunehmend durch immer breitere Einkommensquellen inner- und ausserhalb der Kernlandwirtschaft aus. Dabei gewinnt auch die Zusammenarbeit und Verknüpfung zwischen Betrieben sowie entlang der Wertschöpfungskette an Bedeutung und schafft neue Geschäftsmodelle. Zum Beispiel, wenn landwirtschaftliche Betriebe nachgelagerte Stufen integrieren, also vermehrt verarbeiten, vermarkten und Dienstleistungen selbst übernehmen. Auch horizontale Kooperationen etwa in Form einer ÖLN-Gemeinschaft zur betriebsübergreifenden Nutzung von Maschinen oder zur gemeinsamen Vermarktung werden wichtiger. In der Folge bestehen landwirtschaftliche Betriebe immer öfter aus mehreren rechtlichen Einheiten.

Wo genau ein landwirtschaftlicher Betrieb beginnt, wo er aufhört und wie erfolgreich er ist, wird immer schwieriger zu identifizieren. Kennzahlen wie das landwirtschaftliche Einkommen verlieren an Aussagekraft und es lässt sich kaum mehr pauschal beantworten, wie Politik auf «die Landwirtschaft» wirkt.

Agrarpolitische Massnahmen sollten vermehrt überbetrieblich formuliert werden.

Den Blick aufs Ergebnis richten

Umso mehr muss Agrarpolitik ökonomisch, sozial und ökologisch tragfähige und innovative Betriebe unterstützen und ermöglichen. Die Politik darf ihre Entwicklungen nicht einschränken. Nur so bleiben wichtige Ressourcen, wie gut ausgebildete Fachkräfte, Kapital und Land, im Sektor und kommen neue hinzu. Um dies zu erreichen, ist es zunächst wichtig, den Fokus neu zu setzen: weg von einer auf Massnahmen ausgerichteten Politik hin zu stärkerer Ergebnisorientierung. Landwirtinnen und Landwirte brauchen mehr Freiheiten, um die an sie gesetzten Ziele effizient zu erreichen, und sollen für die Zielerreichung höher entlöhnt werden. Auch sollte die Agrarpolitik der Zukunft ihren Blick weniger auf einzelne Betriebe richten. Biodiversität, Landschaft und saubere Gewässer sind nur gemeinsam zu erreichen. Agrar politische Massnahmen sollten daher vermehrt überbetrieblich formuliert werden. Auch hier braucht es genügend Freiheiten für die individuelle Gestaltung der Koordination zwischen Betrieben und anderen Akteuren. Zukunftsfähig ist letztlich nur eine Agrarpolitik, die sich konsequent zu einer Ernährungspolitik entwickelt, welche das gesamte Ernährungssystem, von der Heu- zur Essgabel explizit miteinbezieht. So wird die Landwirtschaft fit für die Zukunft, kann den Herausforderungen effizient begegnen und die grossen Chancen nutzen. 

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