Ob sie gefällt oder nicht: Die Revolution ist schon im Gange. Dort, wo die Digitalisierung in der Landwirtschaft Chancen bietet, wird sie auch eingesetzt. Bereits wird vielerorts Software zum Betriebsmanagement angewendet. Melkroboter besorgen ohne Zutun einer Person das Melken der Kühe. Und ebenfalls schon im Einsatz sind Drohnen, mit Kameras und Messtechnik bestückt, die über Äcker und Felder schweben und anhand der Färbung lokale Mangelerscheinungen erkennen können. Auch auf Satellitenaufnahmen aus dem All können Problemzonen erkannt werden.
Einst harte Feldarbeit
Marlis Stehli ist im Knonaueramt in der Nähe vom Maschwanden aufgewachsen: «Wir mussten als Kinder immer auf dem Bauernhof helfen», erinnert sie sich. «Das war ein Fest, als in den 50er Jahren erstmals ein Bindemäher auf den Hof kam. Dieses Gefährt schaffte das Mähen des Getreides und das Bündeln und Binden der Getreidehalme zu Garben wie von Zauberhand und legte die fertig gebundenen Garben auf dem Feld ab. Zuvor war das Garbenmachen eine endlose Mühsal gewesen. Das gemähte Korn musste in eine gerade Mahd gelegt werden, damit alle Ähren in die gleiche Richtung schauten, so dass die Garben gebunden werden konnten. Diese Garben stellten wir zu ‹Puppen› auf. So konnte das Korn trocknen. Später wurde es auf den Brückenwagen geladen und in die Scheune gefahren. Erst im Winter wurde der Weizen dann im Tenn mit der Dreschmaschine gedroschen.»
Mähdrescher war ein Quantensprung
Vor hundert Jahren war es noch viel mühsamer: Eine sogenannte Jucharte war damals das Tagesziel bei der Feldbearbeitung. Die Fläche eines solchen Tagwerks – je nach Region unterschiedlich – war zwischen 2500 und 3600 m 2 gross. Beim Pflügen, Eggen, Säen war es das, was von Frühmorgens bis zum Abend zu bewältigen war, beim Mähen mit der Sense, beim Garben machen und Heimbringen ebenfalls. Das Dreschen im Tenn erfolgte von Hand mit Dreschflegeln und dann musste noch die Spreu ausgesiebt werden.
All das beanspruchte viele Hände. Aber menschliche Arbeitskräfte waren noch kein teures Produktionsmittel. Viel Schweiss floss, bis schlussendlich ein Sack Getreide in der Scheune stand. Stroh war kein Abfallprodukt. Es wurde gebraucht zum Einstreuen und für Matratzenfüllungen. Aber nicht nur: Damit wurden Dächer gedeckt. Erst das ab 1865 geltende Brandversicherungsgesetz und die zehn Jahre später ausgesetzten staatlichen Prämien zum freiwilligen Neueindecken mit Ziegeln liessen die Strohdächer verschwinden. Im Kanton Aargau fanden Familien eine weitere Verwendung für das Stroh: Es wurden Strohhüte geflochten und damit ein Zubrot verdient. Für einen breitkrempigen Hut brauchte es etwa 30 Meter vorgefertigtes Band aus Strohgeflecht, das zusammengenäht und mit Dampf in seine endgültige Form gepresst wurde.
Ein Quantensprung war es, als ab den 70er Jahren die ersten Mähdrescher zum Einsatz kamen. Diese führten zu einer gewaltigen Leistungs- und Produktivitätssteigerung. Bedingung einzig: Das Getreide musste wirklich reif und trocken sein. Ein ehemaliges Tagwerk war nun in wenigen Minuten zu schaffen. Der Riesenrasierer erledigte alle Arbeitsgänge noch während der Fahrt durchs Feld – mähte, trennte die Ähren ab und drosch diese gleich. Per Gebläse wurde Spreu vom Weizen getrennt – und schon waren Tonnen sauberes Getreide im Korntank; nicht an einem Tag, sondern innert einer Stunde.
Heutige Grossfarmen
Langsam schwebt die Drohne über den Acker; der Farmer steuert konzentriert das Fluggerät. Das fliegende Vehikel ist wie sein Auge – er kann sein Feld überprüfen, Flächendaten erfassen und sich sogar einzelne Ähren zur Prüfung bringen lassen. Sensoren übermitteln ihm Daten zu Temperatur, Feuchtigkeit, pH-Wert und Nährstoffgehalten der Ernte. So kann er entscheiden, ob er die Ernte beginnen und die GPS-orientierten automatisierten Mähdrescher mit Autopilot losschicken will. Die Daten vom Satellitensystem ermöglichen zentimetergenaues Fahren der Ernteriesen. Es können sogar die Fahrwege jedes Mal leicht verschoben werden, um eine zu starke Verdichtung des Bodens zu vermeiden.
Ackerbau in Zukunft am Bildschirm
Auch wenn in den grossen Anbau-Nationen wie den USA, Kanada, Brasilien und Australien solche selbstfahrenden oder halbautonomen Maschinen bereits zum Einsatz kommen, Drohnen zum Spritzen von Schädlingsbekämpfungsmitteln ausgesendet werden und automatisiertes Silo-Management im Alltag schon Realität ist, sind solche Technologien teilweise noch weit davon entfernt, die Schweizer Landschaften zu erobern.
In der Schweiz sind die Produktionsmengen zu gering und das Terrain ist zu uneben, um solche US-Modelle zu amortisieren. Der Einsatz von Satellitentechnik mitsamt Datenmanagement in Echtzeit auf Traktoren und Mähdreschern dürfte aufgrund der Investitionskosten und der eher kleinen Parzellenflächen hierzulande vor allem bei Lohnunternehmern in Frage kommen. Ein Anwender muss auch Zeit investieren, um sich Praxis anzueignen und die komplexe Technik zu beherrschen. Grosse Landmaschinen Konzerne bieten in den USA bereits integrierte Managementsysteme an, die Wartung der Maschinen, Buchhaltung, Budget und Optimierung der Produktivität umfassen – alles in einem Paket.
Vielleicht wird es aber auch so laufen wie damals bei Marlise Stehli im Knonaueramt und zukünftige Generationen werden darüber staunen, wie rückständig und hemdsärmelig die heutige Landwirtschaft betrieben wurde.