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Landleben

Fasnacht: Appenzeller Botzerössli

Die «Botzerössli» sind eine alemannische Eigenheit und ein Kulturgut der Appenzeller Fasnacht. Alt und Jung in ausgedienten Uniformen «reiten» einfache Pferdeattrappen. Über ihren Schultern tragen sie mit Lederoder Kunststoffriemen die Holzrössli und werden durch die «Trömmelimeedle ond Trömmelibuebe» angetrieben.

Die «Botzerössli» eröffnen immer am Vorabend des Schmutzigen Donnerstags die Fasnacht.

Die «Botzerössli» eröffnen immer am Vorabend des Schmutzigen Donnerstags die Fasnacht.

(Urs Oskar Keller)

Publiziert am

Journalist und Fotograf BR

Die närrische Zeit hat das katholisch geprägte Innerrhoden erreicht. «Etz närreleds, Faschned wie früene», freut sich eine ältere Appenzellerin. Auch am Schmutzigen Donnerstag (27. Februar 2025) und am «Faschnedsamschtig» (Fasnachtsamstag) bilden die «Botzerössli» sowie die Trommler die Vorhut von Kinderumzügen und vom grossen Fastnachtsumzug durch Appenzell.

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Die Trommlerinnen und Trommler sorgen beim Umzug der Appenzeller Fasnacht für Stimmung.

(Urs Oskar Keller)

Es wird nicht militärisch aufmarschiert und die wenigsten laufen im Schritt. Während die vielen Trommeln für fasnächtlichen Trubel sorgen, kommen die grossen und kleinen Pferde ganz ohne Hufgetrappel daher. Sie erscheinen auf leisen Gummisohlen. Warum? Bei der Appenzeller Rasse der «Botzerössli» handelt es sich um Pferde aus Tannenholz. Die ursprünglich mit alten, blauen Militär- und neuerdings auch mit Feuerwehruniformen bekleideten Reiterinnen und Reiter, deren Beine weitgehend von einem farbigen Stofftuch verdeckt sind, tragen die hölzernen Pferdeattrappen. Diese werden mithilfe eines «Gschtäältli» aus Kunststoffbändern oder Lederriemen gehalten. Im Rumpf der «Rössli», der aus dreischichtigem Tannenholz hergestellt wird, ist ein Loch ausgeschnitten, sodass der Oberkörper der Reiter sichtbar ist. Längst ist diese «Kavallerie» keine Männerdomäne mehr.

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Die Botzenrössli werden mit einer Art Geschirr getragen.

(Urs Oskar Keller)

Haar von echten Pferdeschwänzen

Der Fasnachtsverein Appenzell engagiert sich für dieses besondere Brauchtum. Der Zimmermann Baptist Neff baut in seinem Betrieb gelegentlich solche «Botzerössli». Die Pferdeattrappen bestehen aus einheimischem Tannenholz und teilweise aus echtem Haar von Pferdeschwänzen. Die Herstellung eines solchen Pferdchens kostet je nach Grösse, Material und Ausführung rund 1000 Franken und benötigt ein bis zwei Tage Arbeit. Neff führt die «Kavallerie» mit bis zu dreissig Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern an. Die Reiterinnen und Reiter werden mehrheitlich von seiner Ehefrau Vreni geschminkt. Ins Gesicht malt sie ihnen grosse, schwarze Schnauzbärte, einige Sommersprossen und rote Wangen.

Die Pferdeattrappen bestehen aus einheimischem Tannenholz.

Zum erwähnten Verein gehören auch «Appezölle Trömmelibuebe und -meedle». Sie stehen unter der Leitung des Kunsthandwerkers und «Obertrommlers» Adalbert Fässler, der sich seit über 40 Jahren für diesen Brauch einsetzt. Er unterrichtet die grossen und kleinen Talente, damit sie ihren öffentlichen Auftritt taktvoll bestreiten können, während sich sein Bruder Maurus bemüht, dass alle Teilnehmenden stilgerecht eingekleidet sind. Auch stellt Adalbert seit mehreren Jahren kunstvoll «Holzrössli» her. Getan haben dies bereits seine Vorfahren.

Ins Dorf «gömpeled»

Die Familie von Baptist und Vreni Neff-Inauen ging schon früh mit ihren Kindern mit grosser Begeisterung auf die «Rösslifasnacht». Nach und nach kamen Freunde dazu, und heute ist es eine ganze Truppe, die gemeinsam an das «Iitrömmele» geht. Baptist Neff (und jetzt sein Sohn Lukas, Jahrgang 1996) führt die Gruppe seit über 20 Jahren und meint: «Das hat sich so ergeben, weil wir über die Fasnachtstage im Stall genügend Platz für die vielen Pferde haben. Es ist viel lustiger, wenn man in der Gruppe ins Dorf «gömpeled», sagt Neff. Und seine Frau Vreni ergänzt: «Das macht es auch aus, dass wir an diesem Brauch Freude haben und während den Fasnachtstagen gemeinsam eine Menge Spass erleben.»

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«Es ist viel lustiger, wenn man in der Gruppe ins Dorf gömpeled.» Baptist Neff, baut Botzenrössli

(Urs Oskar Keller)

 

Die «Botzerössli» wollen getränkt werden

Gestandene Männer traben, Frauen galoppieren, tänzeln mit den Kindern durch die Gassen von Appenzell. Viele sind wild, rennen hin und her und sind widerspenstig. Auf dem Parcours halten die «Botzerössli» an den grossen Dorfbrunnen. Ab und zu wollen die «Botzerössli» auch getränkt werden, weshalb die Reiter bei verschiedenen Brunnen Halt machen. Im Dorf Appenzell, das rund 5700 Einwohner zählt, gibt es einige öffentliche Brunnen.

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Schon die Kleinsten sind bei der Botzenrössli-Tradition dabei.

(Urs Oskar Keller)

Schönes Zaumzeug ist angebracht worden, an den seitlichen Lederriemen sind Schellen montiert. Die «Botzerössli» hüpfen und springen ausgelassen umher, sodass die Glöcklein am Zaumzeug munter klingeln. Nicht immer seien die Tiere leicht zu zügeln, und so komme es vor, dass Pferd und Reiter die Leute am Strassenrand mit ihrem stürmischen Temperament erschrecken, meint ein Teilnehmer. Die Besucher staunen, filmen oder fotografieren das aufregende, archaische und unterhaltsame Treiben. Die Rösschen und Reiter posieren gerne. Sie wiehern, und es gibt mal einen Jodel. Die Lederzügel – mit Messing beschlagen – geben die Reiterinnen und Reiter nie aus der Hand. Kommandos wie hü, hoo, hott oder brr hört man ebenso wie das Schnalzen der Zunge.

Dass die fasnächtliche Reiterschar inzwischen wieder eine stattliche Grösse angenommen hat, freut auch die Touristiker: «Wir laden Sie ein auf einige schöne Stunden in freier Natur und an der frischen Appenzeller Luft. ‹Chönd zonis›», schreibt Appenzellerland Tourismus AI. 

Wie entstand der «Botzerössli»-Brauch?

Der Brauch ist im Appenzellerland schon für das Jahr 1837 belegt. Damals hat der Ausserrhoder Titus Tobler (1806–1877) in seinem appenzellischen Mundartwörterbuch dazu geschrieben: «Fasnachtsnarr, welcher, auf einem hölzernen Pferde dem Anscheine reitend, vor jeder Fasnacht herumbettelt, und einen Spruch vor den Häusern, von schaulustigen Kindern umringt, in eigener Monotomie hält.» Noch 1939 soll in Appenzell ein armer Mann in einem einfachen Holzrössli unterwegs gewesen sein, hätte Sprüche aufgesagt und für sich gesammelt. 1948 gab es erstmals die Fasnachtszeitung «s Innerrhoder Botze-Rössli» und in dieser Zeit dürfte der alte Brauch wohl wiederbelebt worden sein. Was bedeutet der Name «Botze»? Der 2022 verstorbene Appenzeller Historiker Achilles Weishaupt dachte bezüglich der Wortbedeutung an den Butz, also an jemanden, der sich «verbutzt», also verkleidet. Im schweizerdeutschen Wörterbuch «Idiotikon» ist dieser Brauch unter der Schreibweise «Butze(n)rössli» zu finden.

www.appenzell.ch

https://www.appenzell.ch/de/kultur-und-braeuche/braeuche-und-traditionen/fasnacht.html
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