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Landleben

Frischmilch war einst ein Luxus

Milch ist heutzutage leicht verfügbar. Das war aber nicht immer so. Zuerst hiess es schnell sein, um die Milch von A nach B zu transportieren. Später machten es dann Tüftler wie Pasteur und Appert möglich, die Milch für fast jeden verfügbar zu machen.

Vom Milchmann des AVC-Konsumvereins gab es in Basel in den 1950er-Jahren frische Milch ab der Zapfanlage. 

Vom Milchmann des AVC-Konsumvereins gab es in Basel in den 1950er-Jahren frische Milch ab der Zapfanlage. 

(Archiv AVC Basel)

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Agrarjournalist

Schnell war es passiert: Der Milchkessel war fast voll, die Kuh gab mit einem Fusstritt ihr Unbehagen beim Melkvorgang zum Ausdruck – und schon landete die schöne frische Milch im Mistgraben. Heutzutage können wir feststellen: Dieses Problem ist weitestgehend gelöst. Melkmaschinen mit ihrem Pulsator verwöhnen das Kuheuter mit einer fein austarierten Massagetechnik aus Saugund Entlastungsphase. Und es ist, ob im Melkroboter, am Melkstand oder bei einer Eimermelkanlage, dank sterilen Milchleitungen und Kühltank eine achtsame Gewinnung und Aufbewahrung der Milch gewährleistet – bis zum letzten Tropfen.

In früheren Zeiten war nicht die Milchgewinnung, sondern eher der Transport zu den Konsumenten die Krux. Dieser war meist langsam und umständlich. Heikel dabei: Rohmilch ist nur drei Tage haltbar. Daher hatten die Menschen schon immer versucht, den kostbaren Saft zu konservieren. Bereits etwa 5000 v. Chr. gelang es unseren Vorfahren in Kleinasien, Mesopotamien und Ägypten nachweislich, Milch in Käse zu verwandeln. Im nordeuropäischen Raum waren es dann die Kelten, die das Käsereihandwerk entwickelten und die Milch so in ein haltbares und handelbares Gut modifizierten.

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Die robusten Kannen aus Metall gab es schon zu Ende des 19. Jhd.

(Pixabay)

Keimfrei war ein Fremdwort

Frischmilch in guter Qualität war einstmals fast ein Luxus. In früheren Jahrhunderten war es für empfindliche Mägen ratsam, Rohmilch nur auf dem Bauernhof oder in dessen unmittelbarer Umgebung zu konsumieren. Zwar versuchten die Milchfrauen und -männer damals, die Frischmilch nach dem Melken schnellstmöglich zu den Abnehmern in der Stadt zu bringen. Aber das heikle Nahrungsmittel verdarb schnell, denn Kühlen konnten die Kunden es nicht – und keimfrei war es damals nicht ansatzweise. Die Verabreichung von Milch an Kleinkinder war mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Noch in den 1920er-Jahren rieten Mütter-Ratgeber zur Säuglingspflege: «Zur Vermeidung von Magen- und Darmkrankheiten ist es notwendig, die Milch kühl aufzubewahren und sorgfältig nach Art und Menge zu bereiten.» Weiter hiess es: «Die rohe Milch muss unmittelbar nach dem Kauf 3 – 5 Minuten lang gekocht werden, um die in ihr enthaltenen Krankheitskeime zu vernichten.»

Erhitzen löste viele Probleme

Der sonst auf naturbelassene Produkte schwörende Schweizer Birchermüesli-Erfinder Dr. Maximilian Bircher-Benner musste im Originalrezept zu seiner Spezialität anstelle von Frischmilch die Pastmilch empfehlen, weil es durch Rohmilch in jenen Jahren noch häufig Tuberkulose-Übertragungen gab. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es Versuche zur Konservierung der Milch mittels Eindicken oder Erhitzen. Dann fand der französische Wissenschaftler Louis Pasteur heraus, dass eine kurzfristige Erhitzung Mikroorganismen und Keime in der Milch abtötet. Die Pasteurisierung, welche die Milch länger haltbar macht, war geboren. Gekühlt war sie nun sogar sieben bis zehn Tage haltbar.

Tetra Pak für die Milch to go

Ein Foto aus Basel in den 1950er-Jahren zeigt den damals aktuellen Frischmilch-Transport: Per VW-Bus mit Tank und Zapfanlage konnte der Milchmann nun das beliebte Nahrungsmittel täglich frisch von Haus zu Haus zustellen. So liessen sich damals vier Fünftel der Stadtbewohner beliefern.

Ein weiteres Foto aus dem Jahr 1962 dokumentiert den damalig neuesten Frischmilchtrend. Die Verbandsmolkerei Bern hatte in eine neuartige Abfüllmaschine der schwedischen Firma Tetra Pak investiert, um pasteurisierte Milch im Getränkekarton anbieten zu können. Diese UHT-Milch, kurz auf 135 Grad Celsius ultrahocherhitzt, war dann bis zu vier Monate haltbar. Die erste industrielle Uperisationsanlage mit der aseptischen Tetra-Pak-Abfüllmaschine produzierte ein modernes Getränk in einer dreieckigen Milchtüte, das bei den Konsumentinnen und Konsumenten sehr gut ankam (Bild:Tetra Pak).

Siegeszug aus der Innerschweiz

Der Franzose Nicolas Appert kreierte schon 1804 eine Kondensmilch, die aber nicht besonders gut schmeckte. Der Engländer William Newton fügte dem Produkt im Jahr 1835 Zucker hinzu und liess es patentieren. Aber auf dem Markt durchsetzen konnte sich erst die von der Anglo-Swiss Condensed Milk Co. produzierte Dosenmilch. Am 12. Januar 1867 gelang in Cham (Kanton Zug) der erste Sud von Kondensmilch. Der Gründer der Fabrik, der Amerikaner Charles Page, hatte aber keinen Moment im Sinn, für die Schweiz zu produzieren. Er wollte mit seinen Milchdosen in den Export und England, Amerika und die Welt mit seinem Produkt erobern. In der Schweiz hat es viele Kühe, viel Milch, viel Platz – ideal für die Erstellung einer Kondensmilch-Fabrik. Dies war die Überlegung des Gründers, der über viel amerikanische Finanzunterstützung verfügte.

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Marktgasse Bern 1909: Ein Milchmädchen brachte die Milch vom Land in die Stadt – auf einem Karren, der von kräftigen Hunden gezogen wurde.

(ETH-Archiv)

Das Vorhaben gelang. Schon im ersten Produktionsjahr wurden 136 800 Büchsen Kondensmilch gefertigt und abgefüllt. Dafür lieferten damals 43 Bauern täglich die Milch in die «Milchsüdi» am Zugersee. Die Kondensmilch aus Cham nahm noch im selben Jahr im September an der Milchpro-dukte-Ausstellung in Bern teil und wurde dort von Fachleuten als «tadellos» beurteilt. Auch an der Weltausstellung in Paris bekam die Anglo-Swiss für ihre Kondensmilch eine Medaille. 1905, nach dem Zusammenschluss mit Nestlé, stand nichts mehr im Weg hin zu einem der heute weltgrössten Nahrungsmittelkonzerne.

Welche Trinkmilch wird in Zukunft gefragt sein?

Heute gilt Frischmilch bei etlichen Verkaufsund Marketing-Strategen bereits wieder als Low-Interest-Produkt. Weil die Millennials und die Generation Z – also die zwischen 1980 und 2012 geborenen – deutlich andere Präferenzen als vorherige Generationen haben, sind bei diesen Konsumenten Bio-, Weide-, Heu- oder Alpenmilch gefragt. Und weil auch laktosefreie Milch und eine «Garantiert-ohne-Gentech-Milch» viel Zuspruch erfahren, dürfte all diesen Produkten in Zukunft mehr und mehr Platz in den Ladenregalen eingeräumt werden. 

Trinkkur für die Wohlhabenden

Kuren waren im 18. und 19. Jahrhundert im Trend. In der Schweiz wurde eine ganz besondere Form eingeführt: die Milch- oder auch Molkekur. Schon der Schweizer Arzt und Naturphilosoph Paracelsus empfahl das Trinken von Molke als Heilmittel gegen allerlei Leiden. Im 18. Jahrhundert galt die Molkekur als Mittel gegen Lungenleiden wie Tuberkulose. Zudem sollte sie gegen Gicht, Hautkrankheiten und Magen-Darm-Beschwerden helfen. Im 19. Jahrhundert gab es in vielen Kurorten eine sogenannte Milch- beziehungsweise Molkenkuranstalt.

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