Ideal wäre, wenn die Begründung für den Einstieg in den Agrotourismus lautete: «Wir sind gerne Gastgeber» und nicht «wir könnten den Zustupf gebrauchen». Denn die künftige Gästeschar kann höchst unterschiedlich sein: Da sind diejenigen, welche die absolute Ruhe in der Natur suchen. Oder Familien, die den Tieren nah sein wollen. Aber auch Touristen aus aller Welt, die urtümliche «Swissness» erleben möchten.
Viele Landwirtschaftsbetriebe bieten genau das, was diese Leute suchen. Aber es braucht seitens der Bauernfamilie Freude am Umgang mit Gästen: Gefragt sind Freundlichkeit, Herzlichkeit, Natürlichkeit und Authentizität.
Seit unter www.myfarm.ch die erneuerte Website von Agrotourismus Schweiz online ist, ist der Zugang zu den agrartouristischen Angeboten nun vereinfacht und sie können online erkundet werden. Die Website erleichtert auch die direkten Reservationen der Ferien-Suchenden auf den anbietenden Höfen.
Viele Formen des Agrotourismus
Grundsätzlich umfasst Agrotourismus ein weites Feld. Das beginnt beim Bure-Zvieri oder -Brunch, geht über Besenwirtschaften – also Gelegenheits-Gastronomie – bis zu Festanlässen wie beispielsweise Hochzeiten auf dem Bauernhof. Da gibt es auch Wellness-Angebote mit Radtouren oder Heubädern; auch Rösslifahrten und begleitetes Trekking mit Pferden werden dem Agrotourismus zugerechnet.
Gesetzliche Hürden
Die Crux ist aber: In der Schweiz muss ein Nebenbetrieb erst als gewerbliche Tätigkeit bewilligt und registriert werden (selbständige Tätigkeit bei AHV, gastgewerbliche Bewilligung). Die Hürden sind von Kanton zu Kanton unterschiedlich hoch. Auf jeden Fall braucht es für die Beherbergung von Gästen in landwirtschaftlichen Gebäuden eine von der Gemeinde und / oder dem Kanton ausgestellte Baubewilligung und eine Brandschutzbewilligung.
Raumplanungsrechtlich gesehen ist Agrotourismus ein «nichtlandwirtschaftlicher Nebenbetrieb mit sachlichem Bezug». Solche Nebenbetriebe gelten im Landwirtschaftsgebiet nicht als zonenkonform, sondern bedingen eine Ausnahmebewilligung. Voraussetzung ist, dass ein landwirtschaftliches Gewerbe gemäss BGBB besteht. Grundstücke aus serhalb der Bauzone unterstehen ab einer Grösse von 25 Aren (2500 m 2 ) automatisch den Bestimmungen des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht BGBB.
Der nichtlandwirtschaftliche Nebenbetrieb muss nun innerhalb des Hof areals liegen – und die landwirtschaftliche Tätigkeit muss weiterhin im Vordergrund bleiben. Es muss gewährleistet sein, dass das Betriebsleiterehepaar mehr als die Hälfte der anfallenden Arbeiten des Agrotourismusangebots selbst leistet. Auch muss die verantwortliche Person eine Ausbildung nachweisen, wie in vergleichbaren Gewerbebetrieben in der Bauzone (Wirteprüfung, insbesondere bei Spirituosenausschank).
Welche Infrastruktur ist nötig?
Für die Umsetzung des Angebotes können bestehende, nicht mehr landwirtschaftlich benötigte Gebäudeflächen entsprechend ausgebaut oder sogar neu erstellt werden. Die anzubauende Fläche dafür ist aber auf 100 m 2 beschränkt. Nebst den Betten oder dem «Schlafen im Stroh» muss eine Infrastruktur mit Toiletten, Nasszellen und Verpflegungsräumen angeboten werden. Auch nach der gegenwärtig im Parlament in Bern anstehenden Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) dürfte kaum eine Bewilligung für mehr Fläche zu erwarten sein.
Aspekte der Lebensmittel- und Hygieneverordnung sind ebenso zu berücksichtigen. Im Verpflegungsraum ist höchstens eine Teeküche erlaubt – den Einbau einer vollständigen Küche erlaubt der Gesetzgeber nicht. Es soll nicht unter dem Deckmantel von Agrotourismus eine zusätzliche Wohnung zur Dauervermietung an Dritte entstehen.
Auch wenn die Gebäudestruktur nicht neu gebaut wird, sondern bestehende Räumlichkeiten dem neuen Zweck zugeführt werden: Auf dem Bauernhof erwartet der Gast Wohnlichkeit und Qualität. Schmuddelige Duschen oder Zimmer, die mit arg ramponierten Möbeln ausgerüstet sind, gehen ebenso wenig wie in die Jahre gekommene Matratzen oder Decken. Es muss aber nicht alles topmodern sein.
Gastfreundschaft ist wichtig
«Die Gäste kommen wieder, wenn die Atmosphäre stimmte, selbst wenn die Ausstattung schon älter ist», ergab eine Umfrage der Hochschule Luzern bei Feriengästen auf dem Bauernhof. Sie zeigt auf: Bei rund der Hälfte der Gäste in der Zentralschweiz ist Gastfreundschaft der wichtigste Faktor. Positiv bewertet wird ein sorgsamer Umgang mit Natur und Tieren auf dem besuchten Hof. Kontakt zu Tieren ist vor allem für Kinder ein Grund für Bauernhofferien.
Auch mit einem Frühstück mit hofeigenen, selbstgemachten oder regionalen Spezialitäten kann gepunktet werden, Übernachtungen in einem Zimmer mit ansprechendem Interieur – in einem bequemen Bett – werden gelobt. Hoch im Kurs ist bei Familien ein Spielplatz, manche erwarten einen Hofladen.
Geschätzt werden offene Gespräche mit den Gastgebern – oder wenn der Gast auch mal am Küchentisch der Familie sitzen oder sogar auf dem Betrieb mithelfen darf. Die Gastfreundschaft kann Infrastrukturprobleme kompensieren. Man muss sich aber bewusst sein, dass die Gäste von heute auch hohe Ansprüche haben. Kostenloses Internet zum Beispiel würden die meisten der befragten Gäste erwarten.
Lohnt sich der Aufwand?
Hansueli Schaub, der Fachverantwortliche für Raumplanung bei Agriexpert des Bauernverbandes sieht durchaus Chancen. «Freude an Kontakt mit Gästen ist eine Voraussetzung, ansprechende Lage des Betriebs, Komfort, unter Umständen das etwas «Spezielle», das die Abenteuerlust der Gäste anspricht, könnte Anklang finden – zum Beispiel mit verschiebbaren Baustellenwagen, Tipi, Jurte und so weiter», sagte er. Was ist realisierbar? Wie viel kann verdient werden und mit welcher Regelmässigkeit? Diese Fragen zur Wirtschaftlichkeit lassen sich am einfachsten mit Hilfe eines externen Beraters klären.
Prüfung der Möglichkeiten
Das Kompetenzzentrum Agriexpert in Brugg kann zu Agrotourismusfragen betriebswirtschaftlich beraten, bei der Ausarbeitung eines Baugesuches unterstützen und auch für die Buchhaltung Tipps geben. Denn es ist sinnvoll, im Vorfeld alle Punkte realistisch abzuschätzen, die Investitionen zu kalkulieren, eine Abschreibungsdauer im Auge zu behalten und den geschätzten Arbeitsaufwand zu ermitteln.
Auch Versicherungsfragen dürfen nicht ausser Acht gelassen werden. All diese Abklärungen ergeben dann quasi einen «Businessplan», wie er auch Voraussetzung für das Baugesuch und einen allfälligen Investitionskredit ist. Wie hoch das gewünschte Einkommen aus dem zweiten Standbein Agrotourismus sein soll, ist eben sehr individuell. Die einen sind mit 20 Franken Stundenlohn zufrieden, für andere müsste es mindestens das Doppelte sein.
Der Agrotourismus in der Schweiz in Zahlen
«Der Agrotourismus ist nicht erst seit dem Greta-Effekt im Trend», sagt Andreas Allenspach, der Direktor der Marketingorganisation Agrotourismus Schweiz. «Es sind vor allem Schweizer (62 %) und Deutsche (26 %), welche Urlaub auf dem Bauernhof verbringen. Sie schätzen die Ruhe, intakte Natur, soziale Kontakte zu den Landwirten, die einheimische Kost und natürliche Gastfreundschaft. Weitere Motivationen sind der direkte Bezug zu den Hoftieren oder auch die Möglichkeit, sich landwirtschaftlich zu betätigen. 2019 konnten 171 000 Logiernächte auf Bauernhöfen gezählt werden. Der Umsatz im Übernachtungsbereich betrug rund 5 Millionen Franken.» Dank der Homepage www.myfarm.ch mit über 290'000 Besuchern und einfachen Buchungsplattformen www.e-domizil.ch und www.gruppenhaus.ch können sämtliche Unterkunftsformen elektronisch gebucht werden.
In der Schweiz betreiben rund 2000 Land wirte Ferien auf dem Bauernhof. Die Dienstleistungen von Agrotourismus Schweiz werden von 230 Anbietern genutzt, welche einen Mitgliederbeitrag von 400 Franken leisten.
Interessenten dafür melden sich bei Agrotourismus Schweiz, Brunnmattstr. 21, 3007 Bern, Telefon 031 359 50 30, info@myfarm.ch