Seit 2014 wird jedes neue Agrarjahr mit der Nationalen Ackerbautagung der PAG-CH (Plattform Ackerbau) eingeläutet. Hier können sich Wissenschaft, Praxis, Beratung, Medien und Interessierte über Vorträge und den Austausch untereinander zum Thema Ackerbau auf den neusten Stand bringen lassen. Dies immer unter einem jährlichen Themenschwerpunkt. Auf einen direkten persönlichen Austausch musste dieses Jahr, aufgrund der andauernden Pandemie, zum wiederholten Mal verzichtet werden. Am 11. Januar trafen sich somit knapp über 130 Teilnehmer von sich zuhause aus, um den Vorträgen der 9. Tagung zuzuhören.
Stephan Scheuner, Vorsitzender der PAG-CH, läutete die Tagung ein, indem er das diesjährige Motto noch einmal beleuchtete «Mit weniger besser produzieren – Hilfsstoffe im Ackerbau». Das Thema ist hochaktuell und so ging Scheuner auch noch einmal auf die Herausforderungen der ackerbaulichen Zukunft ein. Der chemische Pflanzenschutz muss reduziert werden, es gilt Nährstoffverluste stark zu verringern und dabei effizienter und schonender zu bewirtschaften.
Politische Bestrebungen
Olivier Félix vom Bundesamt für Landwirtschaft gab zu Beginn einen Überblick, was agrarpolitisch in den letzten Jahren beim nachhaltigen Pflanzenschutz erreicht wurde und was die Zukunftsperspektiven sind. In diesem Jahr und den folgenden wird die Parlamentarischen Initiative Pa. Iv. 19.475 mit dem Ziel der Risikoreduktion und des verstärkten Gewässerschutzes massgebend sein. Wohin der Weg aktuell geht, zeigen einige Zahlen die Félix vorstellte. Von 2005 bis 2021 wurden 208 Wirkstoffe des chemischen Pflanzenschutzes zurückgezogen und 119 Wirkstoffe überprüft. Der Umfang offener Ackerflächen, welche ohne oder mit reduziertem chemischen Pflanzenschutz bewirtschaftet werden, zeigt vor allem beim herbizidlosen Anbau eine laufende Zunahme. Beim Insektizid- und Fungizid-losen Anbau hat sich hingegen ein Plateau eingestellt. Dieser Trend zeigt sich auch bei den Verkaufszahlen im Pflanzenschutz: es werden insbesondere weniger Herbizide verkauft. Gleichzeitig steigen die Verkäufe bei Pflanzenschutzmitteln für den biologischen Bereich an. Auf die nähere Zukunft gesehen (bis 2030), sind Monitoring-Massnahmen und Risikoindikatoren (als konkrete und vergleichbare Zahl) nun umso mehr wichtige Instrumente, um die Risiken des chemischen Pflanzenschutzes besser einschätzen zu können. Für die Zukunft sind zudem strengere Kriterien für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln im Hobby-Bereich vorgesehen. Ein Indikator für die Bodenfruchtbarkeit ist eines der weiteren Ziele, welche angestrebt werden.
Wissenschaftliche Projekte auf der Jagd nach Lösungen
Dass der Wissenschaft bei den Herausforderungen eine wichtige Rolle zukommt, machen die an dieser Nationalen Ackerbautagung vorgestellt Forschungsprojekte deutlich. Besonders einschneidend ist der Wegfall von chemischen Wirkstoffen beim Zuckerrübenanbau wie der Vortrag von Madlaina Peter von der Schweizer Fachstelle für Zuckerrüben verdeutlicht. Hier erschweren die Krankheiten Viröse Vergilbung sowie Syndrome Basses Richesses (SBR) den Anbau sehr schwer. Generell gilt die Zuckerrübe als hochanfällig, sowohl ober- als auch unterirdisch. Die Züchtung neuer Sorten hat bisher zumindest gegenüber SBR und Cercospora tolerantere Sorten hervorgebracht.
Hochanfällige Sorten sind auch ein Thema bei den Kartoffeln, wie Tobias Gelencsér vom FiBL in seinem Vortrag aufzeigt. Hier muss der Spagat zwischen Resistenz und Qualität bei den Sorten gemeistert werden. Bei der Züchtung werden bis zu 50 vom Markt gewünscht Kriterien berücksichtigt. Dabei ist es schwierig «alles gut zu machen». Bei den Bio-Kartoffeln nimmt die Anbaufläche stetig zu, doch die Erträge schwanken stark. Besonders die Krautfäule ist dafür mitverantwortlich. Ziel eines FiBL Projektes ist es in diesem Zusammenhang die anfälligen Sorten Erika und Charlotte durch resistentere Sorten im festkochenden Segment zu ersetzen. Doch bisher erfüllten nur wenige robustere Sorten die Ansprüche. Die Markteinführung und Akzeptanz neuer Sorten sei sehr anspruchsvoll. Diese Problematik bestätigte auch Andreas Keiser vom HAFL in seinem Vortrag. Bei den Kartoffeln würden mehr Pflanzenschutzbehandlungen durchgeführt als bei allen anderen Kulturen. Den grössten Anteil machen die Fungizide aus. Diese können nur reduziert werden, wenn Handel und Konsumenten die resistenten Sorten akzeptieren. Das Projekt «Nachhaltige Kartoffelwirtschaft 2021-2023» hat das Ziel, bei den IP Suisse Kartoffeln den Pflanzenschutzmitteleinsatz um 50 Prozent zu reduzieren. Auswertungen von laufenden Versuchen zeigen, dass eine Reduktion des Pflanzenschutzes um 50 Prozent möglich ist, wenn alle Partner der Wertschöpfungskette mithelfen. Dies auch bezüglich eines Ausgleichs der Produktionskosten mit dem Preis.
PestiRed
Beim grossangelegten PestiRed Projekt, welches Andrea Seiler vom Agroscope vorstellt, ist das Ziel besonders hoch gesteckt. Es sollen 75 Prozent des synthetischen Pflanzenschutzes in verschiedenen Kulturen eingespart werden, indem verschiedene alternative Massnahmen angewendet werden. Dabei sollen lediglich zehn Prozent Ertrag eingebüsst werden. 67 Betriebe stellen sich dieser Herausforderung. Bisher wurden folgende, für das erste Versuchsjahr geltende, Ergebnisse erzielt: Die Starke Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes lässt sich nicht bei allen Kulturen durchführen und die Erträge gehen stärker zurück als erwartet. Bei den hohen Zielen aus ökologischer Sicht darf auch die ökonomische und soziale Komponente nicht vergessen werden, wie der Vortrag von Alexander Zorn, Agroscope, deutlich macht. Eine Befragung der teilnehmende Betriebe des PestiRed Projektes ergab, eine positive bis neutrale Meinung zu den alternativen Massnahmen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Ersatz für einen chemischen Pflanzenschutz. Bei der Wirtschaftlichkeit schnitt zum Beispiel Precision farming und eine mechanische Unkrautregulierung am besten ab, wohingegen Nützlings- Blühstreifen schlechter abschnitten. Auch Prognosemodelle als Vermeidungsstrategie wurden positiv bewertet. Allerdings sind es gerade jene Prognosemodelle die von den Teilnehmenden der Tagung im Anschluss stark diskutiert wurden. Sind die Modelle noch auf dem neusten Stand? Die Benutzerfreundlichkeit sollte besser werden, sind sich viele einig.
Weitere Vorträge widmeten sich dem nachhaltigen Rapsanbau, dem Einsatz von Robotern (FarmDroid) um Herbizide einzusparen und dem «Wheat Advisor»- Projekt mit dem Ziel den Weizenanbau zu optimieren. Alle Präsentationen sind auf der Website pag-ch.ch verfügbar.
Plattform Ackerbau
Die PAG-CH besteht aus 10 Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Institutionen. Geführt wird sie durch einen Vorstand. Die Geschäftsführung wird von der AGRIDEA sichergestellt.
Autor: Dr. Katharina Kempf, UFA-Revue