Im Restaurant ein Entrecôte bestellt und dann ein viel dünneres Stück erhalten als das Gegenüber, der den gleichen Preis für das Menü zahlt. Da kann der Unmut schnell gross sein. Oder man möchte mit Freunden ein Grillfest feiern und erhält im Laden keine gleichmässigen Stücke.
Die dargestellte Thematik stellt für den Schweizer Detailhandel und die Gastronomie eine Herausforderung dar. Da die Mäster das CH-TAX Preissystem optimal ausgenutzt haben, sind die Fleischigkeit sowie das Schlachtgewicht der Banktiere stetig gestiegen. Nur werden damit die Kundenbedürfnisse im Detailhandel und in der Gastronomie nicht mehr vollständig befriedigt. Diese verlangen nämlich homogene Stücke.
Wie kann der Milchviehproduzent beim Anpaaren mit Fleischrassen den Mäster unterstützen?
- Spätreife Rassen (z. B. Charolais, Blonde d’Aquitaine) wenn möglich vermeiden
- Schlachtkörpermerkmale mitein beziehen bei der Anpaarung
- Simmental, Limousin: Stiere mit hohem Zuchtwert Fettabdeckung auswählen
- Angus: Stiere mit durchschnittlichem Zuchtwert Fettabdeckung auswählen
- Die Bedürfnisse der Mäster bei der Anpaarung berücksichtigen
Ansprüche der Konsumenten
Der Hauptteil des Rindfleisches wird über die Gastronomie und den Detailhandel abgesetzt. Selbstbedienung macht im Detailhandel den grössten Teil aus – diese Tendenz bleibt steigend. Im Offenverkauf in der Bedienungsmetzgerei können die einzelnen Stücke vom Fachpersonal entsprechend den Vorlieben des einzelnen Konsumenten angepasst werden. Das funktioniert in der Selbstbedienung aber nur bedingt. Im Detailhandel kann eine Preissensibilität festgestellt werden. Der Kunde ist bereit, für ein Edelstück einen Mehrpreis zu bezahlen – ab einer gewissen Höhe des Preises werden die Stücke aber weniger gekauft. Hinzu kommt die Gefahr, dass auf Importware zurückgegriffen wird, wenn diese homogener ist als die inländische Ware.
Bestrebungen für gleichmässige Fleischstücke wurden bereits in der Vergangenheit getroffen. So wurde 2006 das Produktionsprogramm Swiss Quality Beef (SQB) gegründet, um gleichmässige und einheitliche Edelstücke an die Gastronomie zu liefern.
Was veränderte sich?
Der Einsatz der Fleischrassengenetik hat sich in den letzten Jahren stark erhöht. Die Marktsituation mit hohen Tränkerpreisen sowie das preisliche Anreizsystem beim Bankvieh führte dazu, dass man vermehrt Fleischrassengenetik einsetzte. Innert zehn Jahren stieg der Anteil an Fleischrassenbesamungen bei Swissgenetics von knapp 30 Prozent auf fast 50 Prozent. Dies führte zu deutlich verbesserter Fleischigkeit. Rund 70 Prozent der Banktiere werden heute in die Klasse C oder H eingestuft, vor zehn Jahren lag dieser Wert noch bei unter 60 Prozent. Auch die Schlachtgewichte haben sich stark erhöht – seit 2010 ist das durchschnittliche Schlachtgewicht bei den Muni um fast zehn Kilogramm auf 304 kg angestiegen (Abbildung).
Der gewünschte Schlachtkörper von Bankvieh hat für den grössten Teil der Kundengruppe ein Idealgewicht von 280 bis 290 kg mit der optimalen Handelsklasse zwischen T3 bis C3.
Da ein immer höherer Anteil der Tiere die Fleischigkeitsklassen C und H erzielt und sich zusätzlich im obersten Gewichtsbereich befindet, können die teuren Teilstücke nicht mehr wie gewünscht vermarktet werden.
Höhere Schlachtgewichte für gute Fettabdeckung
Dass die Schlachtgewichte in den letzten Jahren so stark angestiegen sind, wird gemäss Proviande mit der Entwicklung des Ausmastgrades verbunden. Während bei Angus die Fettabdeckung überdurchschnittlich ist, ist diese bei Limousin, Simmental, Braunvieh und Holstein unterdurchschnittlich. Der genetische Trend für alle Rassen zeigte in den letzten zehn Jahren eine Zunahme der Fleischigkeit und des Schlachtkörpergewichtes der Banktiere. Der genetische Trend der Fettabdeckung hingegen entwickelt sich weg vom Optimum. Die Rassen Simmental und Limousin haben Mühe, den gewünschten Ausmastgrad, die Fettstufe 3, im Idealgewicht zu erreichen. Bei der Rasse Angus ist das Gegenteil der Fall und die Tiere sind nicht selten stark gedeckt und erreichen sogar die Fettstufe 4.
Die Entwicklung zu vermehrtem Einsatz der Fleischrassen führt dazu, dass die Tiere länger gemästet werden, um eine bessere Fettabdeckung zu erreichen. Die Preisabstufungen von Proviande empfehlen zwar Abzüge ab einem Gewicht von 290 kg Schlachtgewicht (SG), doch diese Abzüge sind nur auf öffentlichen Märkten verbindlich und wurden nicht überall umgesetzt. Es war je nachdem sogar interessant, die Tiere schwer zu machen, da die Abzüge bei zusätzlichem Gewicht nicht so viel ausmachten und die Futterkosten den Mehrerlös nicht negativ beeinflussten. Beispielsweise erzielte ein Muni mit 290 kg SG und dem Preis von 8.50 Franken pro kg SG einen Erlös von 2465 Franken. Ein Muni mit 310 kg SG hingegen erzielt trotz 20 Rappen Abzug pro kg einen Erlös von 2573 Franken. Selbst mit Einbezug der zusätzlichen Futterkosten (2.20 Franken pro kg Zuwachs = 44 Franken) erzielte man mit dem schwereren Muni einen höheren Schlachterlös, was wirtschaftlich für den Landwirt interessanter ist.
Arbeitsgruppe gegründet
Die Verwerter machten auf die beschriebene Veränderung des Marktes aufmerksam, woraufhin 2019 gemeinsam mit den Produzenten und dem Handel eine Arbeitsgruppe gegründet wurde, um nach optimalen Lösungswegen zu suchen. Beratend und fachtechnisch wurde diese von der Qualitas AG und Swissgenetics unterstützt. Aus der Arbeitsgruppe entstanden ist die Anpassung der Preisabstufungen für das Bankvieh, welche seit 11. Mai 2020 gilt.
Bezahlungssystem angepasst
Peter Schneider, Leiter Klassifizierung und Märkte bei Proviande, war, zusammen mit seinem Mitarbeiter Yves Thomet von Seiten Proviande, in der Arbeitsgruppe als neutrale Stelle vertreten. Wie Schneider erklärt, will und kann man bei niemandem die Schuld suchen für die Entwicklung. «Es gilt die Chance zu ergreifen, um weg von der Maximierung hin zur Optimierung zu kommen», so Schneider.
Als erste Massnahme wurden durch die Anpassung im Bezahlungssystem Signale gesetzt. Ziel war es, nicht nur zu bestrafen, wenn das Gewicht oder die Qualität nicht stimmt, sondern auch positive Anreize zu setzen. Die Zuschläge für vollfleischige Tiere wurden reduziert. Für Schlachttiere im optimalen Gewichtsbereich mit optimaler Qualität gibt es neu einen Zuschlag. Die Abzüge bei zu schweren Tieren wurden erhöht (Tabelle).
Alle sind gefragt
80 Prozent der geschlachteten Tiere der Rindergattung stammen aus der Milchproduktion. Die Tatsache, dass das Milchvieh immer grösser wurde, trug ihren Anteil zur Entwicklung vom Bankvieh bei. Mehr Rahmen heisst bei den Kreuzungs-Tieren direkt mehr Muskelmasse und dementsprechend mehr Schlachtgewicht mit grösseren Teilstücken.
Ein Grossteil der Kälber geht als Tränker vom Geburtsbetrieb weg. Peter Schneider vermutet, dass es die meisten Züchter wirtschaftlich nicht gross interessiere, welchen Schlachterlös das Kalb später als Banktier erzielt.
Breite Variation der Genetik
Im Fleischrinderherdebuch werden die Zuchtwerte Schlachtgewicht, Fleischigkeit und Fettabdeckung ausgewiesen. Wie Urs Vogt, Geschäftsführer von Mutterkuh Schweiz erklärt, habe man mit Beachtung dieser Zuchtwerte bei der Anpaarung eine grösstmögliche Sicherheit, dass die Schlachtkörper die gewünschten Werte erzielen. Wichtig sei es gemäss Vogt, dass die Stierenwahl passend zur Produktionsform gewählt werde. Bei der Weidemast ist eine andere Genetik gefragt als bei der intensiven Munimast.
Die KB-Organisationen achten bei der Stierenbeschaffung auf diese Merkmale und stellen sicher, dass sie eine breite Variation der Genetik zur Verfügung haben. So hat der Landwirt die Möglichkeit, bei der Stierenauswahl den am besten geeigneten auszuwählen.
Milchviehproduzent muss helfen
Wichtig ist gemäss Vogt auch, dass bei der Anpaarung mit Fleischrassen nebst den Aspekten wie beispielsweise dem Geburtsablauf auch auf die Schlachtkörpermerkmale geachtet werde. Insbesondere der Zuchtwert Fettabdeckung sei dabei zu berücksichtigen, denn eine gute Fettabdeckung ist ein Zeichen der Frühreife. Das Merkmal Frühreife ist momentan Bestandteil einer vertieften Analyse. Auch die Einführung eines spezifischen Zuchtwerts ist gemäss Vogt geplant.
Damit die Mäster die gewünschten Tiere erhalten, wäre von ihrer Seite sowie von Seiten Handel eine gewisse Selektion beim Kauf der Tränker erforderlich. Dies ist aber bei der aktuellen Situation, wo die Tränker sehr gesucht sind, schwierig umzusetzen.
Damit in Zukunft kein Restaurant-Besucher mehr eifersüchtig auf den Teller seines Gegenübers spähen und niemand aus Gründen mangelnder Homogenität zum Import-Päckchen greifen muss, ist die Mithilfe aller Marktteilnehmer gefragt.