Beim Durchblättern von Klauenbüchern aus den 1970er und 1980er Jahren fällt auf, dass etwas Entscheidendes fehlt, nämlich die Klauenerkrankung Dermatitis digitalis. Dass eine Krankheit, die vor 30 Jahren noch absolut unbekannt war, heute nicht nur schweiz- sondern weltweit ein massives Problem für das Tierwohl und die Leistung bedeutet, erscheint unvorstellbar. Weshalb deren Verbreitung von Land zu Land und Betrieb zu Betrieb so gravierend war und immer noch ist, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Die Umstellung von Anbinde- auf Laufstallhaltung, grössere Tierzahlen auf den Betrieben sowie die Zucht auf Hochleistungstiere, haben vermutlich Voraussetzungen geschaffen, welche zur Verbreitung der verantwortlichen Bakterien beigetragen haben. Die Unterbrechung der Weiterverbreitung ist momentan die wichtigste Massnahme. Mortellarofreie Betriebe müssen sich vor einer Einschleppung der Krankheit schützen (Biosicherheit). Dies bedingt, den Tierverkehr auf ein Minimum zu beschränken, zugekaufte Tiere im Klauenstand genau zu untersuchen und falls nötig, zu behandeln, bevor sie in die Herde integriert werden. Bei der Klauenpflege durch betriebsfremde Personen sind die Sauberkeit der Gerätschaften sowie eine professionelle Arbeitsweise essenziell.
Management
Für Betriebe, welche ein bekanntes Problem mit Mortellaro haben, ist es das Ziel, die Anzahl betroffener Kühe auf ein konstant tiefes Niveau zu bringen, sodass das Tierwohl und auch die Produktion gewährleistet sind. Zusätzlich soll der durch die Erkrankung entstehende Arbeitsaufwand (Tiere behandeln, Hygiene gewährleisten usw.) auch in stressigen Zeiten tragbar sein. Im Zentrum stehen dabei frühzeitiges Erkennen betroffener Tiere und die rasche Behandlung mit den empfohlenen Produkten (Intra Hoof fit Gel, Repidermaspray und Novaderma Paste) sowie das Anlegen eines Verbandes für fünf Tage mit anschliessender Wiederholung bis zum M3 Stadium. Durch folgende Managementmassnahmen kann das Risiko einer erneuten Ansteckung bzw. Ausbreitung reduziert werden:
- Steigerung der Stallhygiene durch häufigere Entmistung und Reduktion von Flüssigkeitsansammlungen
- Verbesserung des Tierkomforts zum Beispiel durch Anpassung der Nackenrohrhöhe oder Erhöhung der Einstreumenge
- Einhaltung der Biosicherheit
- Fütterung einer ausgewogenen, wiederkäuergerechten Ration mit Ergänzung von Mineralstoffen und Spurenelementen
- Eine gesunde Haut, ein starkes Immunsystem, eine frühe Behandlung und eine angemessene Klauenpflege sind wichtige Punkte, die eine Erst- oder erneute Infektion verhindern können.
Sicht der Wissenschaft
Landwirte und Klauenpfleger sind tagtäglich mit der ansteckenden Klauenerkrankung konfrontiert. Auch Tierärzte und Wissenschaftler sind damit beschäftigt, mehr über die Ursache, den Verlauf und insbesondere die Bekämpfung herauszufinden. Um diese Erreger im Labor über einen längeren Zeitraum untersuchen zu können, ist es notwendig diese zur Vermehrung zu bringen. Die Anzucht der Treponemen ist im Vergleich zu anderen Erregern schwierig, da sie sehr empfindlich sind und hohe Ansprüche an ihre Umwelt stellen. Durch intensive Forschung wird es aber bald möglich sein, Neues zum Lebenszyklus und dem Verhalten der Bakterien (Treponemen spp) zu erfahren und so Lösungen zu schaffen, die künftig helfen könnten, die Erkrankung einzudämmen.
Gesundheitsdaten erfassen
Momentan fehlen aktuelle Zahlen, die zeigen, wie viele Betriebe und Kühe von Dermatitis digitalis und anderen Klauenerkrankungen betroffen sind. Die letzten Untersuchungen vom Jahr 2011 aus der Nutztierklinik der Universität Bern ergaben, dass 29,1 Prozent der Kühe und 73,1 Prozent aller Betriebe von Mortellaro betroffen waren. Aufgrund von Rückmeldungen durch Tierärzte und Klauenpfleger muss davon ausgegangen werden, dass die aktuellen Zahlen noch höher liegen. Risikofaktoren zu Klauenerkrankungen und zu Dermatitis digitalis sind bekannt. Durch das Umsetzen von Massnahmen zur Reduktion dieser Faktoren sowie der Anwendung spezifischer Behandlungen, kann die Klauengesundheit der Kühe positiv beeinflusst werden.
Um den tatsächlichen Effekt solcher Massnahmen auf die Klauengesundheit überprüfen zu können, braucht es eine regelmässige, systematische Erfassung und Dokumentation von Klauengesundheitsdaten.
Ressourcenprojekt
Da momentan keine aktuellen Daten zur Klauengesundheit bei Schweizer Kühen vorliegen, wurde ein Ressourcenprojekt zu diesem Thema ausgearbeitet, welches vom Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt wird. In den kommenden sechs Jahren soll die Klauengesundheit während der routinemässigen Klauenpflege durch die teilnehmenden professionellen Klauenpfleger elektronisch erfasst werden. Die Leitung des Projekts erfolgt durch die Schweizer Klauenpflegervereinigung (SKV), die Arbeitsgemeinschaft Schweizer Rinderzüchter (ASR), die Schweizerische Vereinigung für Wiederkäuergesundheit (SVW) und den Rindergesundheitsdienst (RGD). Dazu werden insgesamt 100 gewerbsmässig arbeitende Klauenpfleger mit einem robusten Computer ausgestattet.
Gearbeitet wird mit einer speziell für die Erhebung von Klauengesundheitsdaten programmierten Software, welche sich in einer Testphase als effiziente und praxistaugliche Lösung zur Dokumentation erwiesen hat. Dokumentiert und in die Software eingetragen werden alle Veränderungen, die nach Beenden der eigentlichen funktionellen Klauenpflege noch vorhanden sind.
Langfristige Verbesserung
Die erhobenen und abgespeicherten Daten dienen zur Einteilung und Feststellung von Betrieben mit Problemen im Bereich der Klauengesundheit auf Her den ebene.
Die so erkannten Problembetriebe werden durch Mitarbeiterinnen des Rindergesundheitsdienstes (RGD) besucht. Ziel ist es, vor Ort mögliche Schwachpunkte im Hinblick auf die bekannten Risikofaktoren zu erkennen und zu diskutieren. So können betriebs- und herdenspezifische Massnahmen und Empfehlungen angesprochen werden, mit dem Ziel, die Klauengesundheit langfristig zu verbessern. Beim nächsten routinemässigen Besuch des Klauenpflegers auf dem Betrieb wird die Umsetzung der besprochenen Massnahmen erfragt und in die Software eingespielt. So kann der Effekt von eingeführten Massnahmen auf die Klauengesundheit direkt beobachtet werden. Gleichzeitig wird auch der jeweilige Bestandestierarzt in die Betreuung der Betriebe miteinbezogen.
Ziel dieses Projekts ist, die Klauengesundheit der Schweizer Rinder langfristig zu verbessern. Zudem soll der Einsatz von Antibiotika und schwermetallhaltigen Desinfektionslösungen durch wirksame Alternativen und gezielter Verwendung reduziert werden. Durch die Datenerhebung können aktuelle Zahlen zu klauenkranken Kühen und den einzelnen Erkrankungen gewonnen und laufend überwacht werden. Die wissenschaftliche Unterstützung durch die Vetsuisse Fakultät, Universität Bern garantiert, dass die gewonnenen Informationen auch für den Bereich der Forschung genutzt werden. So können neue Erkenntnisse für verbesserte Tiergesundheit und somit auch über die Langlebigkeit und Leistung der Kühe, gewonnen werden.