Escherichia coli (E. coli) und Klebsiellen sind gramnegative Bakterien, welche Euterentzündungen hervorrufen können. E. coliführt häufig zu einem schweren und hochakuten Verlauf. Der Verlust des betroffenen Euterviertels oder der Tod des Tieres sind keine Seltenheit. Ein ähnliches Bild ist bei Euterentzündungen, verursacht durch Klebsiellen, möglich. Neben der massiv krankmachenden Mastitis können Klebsiellen auch versteckte Euterentzündungen verursachen, das heisst, die Kuh ist augenscheinlich gesund und nur die Zellzahl ist massiv erhöht. Kühe, welche eine klinische Klebsiellen-Mastitis überleben, entwickeln häufig eine chronische Form mit sehr hohen Zellzahlen und wiederholten klinischen Anzeichen (zum Beispiel geschwollene Viertel oder Fetzen). So ist mit einem Behandlungserfolg von 50 bis 60 Prozent zu rechnen. Für die schweren Krankheitssymptome sind sogenannte Endotoxine (Giftstoffe) verantwortlich, welche bei der Zerstörung der Erreger frei werden. Typische Krankheitssymptome sind: hohes Fieber, Inappetenz, Versiegen der Milchleistung, starke Schwellung am Euter (manchmal mit Wassereinlagerungen), Rötung und Wärme am betroffenen Viertel. Weiter können die Kühe Durchfall zeigen oder Festliegen und weitere Schäden an inneren Organen nehmen.
Bestandesproblem?
Wer schon mit solchen Problemen zu kämpfen hatte, kennt diese extrem frustrierende und belastende Situation im Stall: «Ist wieder eine neue Kuh betroffen?» «Was ist die Ursache?» Schnelles Handeln und ein unmittelbarer Betriebsbesuch durch eine unabhängige und anerkannte Fachperson zur Evaluierung der Risikofaktoren und Ursachen ist zwingend notwendig. Oft liegen die Lösungen im Detail. Von einem Bestandesproblem mit klinischen Euterentzündungen spricht man, wenn 25 Prozent der Kühe eine Mastitis haben (auf zwölf Monate gerechnet). Das ergibt bei 40 Kühen auf die ganze Herde zehn klinische Euterentzündungen pro Jahr (also weniger als eine pro Monat). Oft kommen Euterentzündungen durch gramnegative Keime wellenartig und mit einer massiven Wucht. Deshalb empfiehlt sich, schon bei der ersten Mastitis, verursacht durch gramnegative Keime, eine Überprüfung der wichtigsten Risikofaktoren. Ein Bestandesproblem ist sehr schnell da und viele Betriebe kämpfen lange mit den Konsequenzen. Frühzeitiges und konsequentes, zielgerichtetes und betriebsspezifisches Handeln sind der Schlüssel zum Erfolg.
Gesetz des Minimums
Einer der vier Faktoren Stress, Liegebereich, Fütterung und Melktechnik/-arbeit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ursache für den Ausbruch einer akuten Euterentzündung. Die Erreger können auf verschiedene Wege ins Euter gelangen: über den Strichkanal, bei Strichverletzungen, über das Blut aus dem Magen-Darm-Trakt oder über Verletzungen in der Gebärmutter zum Beispiel nach Schwergeburten. Nach dem bekannten Minimumgesetz von Justus von Liebig (siehe Bild), müssen die Risikofaktoren bei jedem Betrieb individuell gewichtet und analysiert werden. Auf jedem Betrieb gilt es, die tiefste Schindel zu detektieren und alle möglichst zu erhöhen, sodass die krankmachenden Faktoren möglichst nicht «überlaufen».
Stress
Neben den klassischen Einstreu-bedingten Ausbrüchen, sind es häufig eher grössere Betriebe mit hohen Milchleistungen, welche vermehrt von Euterentzündungen mit gramnegativen Keimen betroffen sind. Nicht selten nach einem grossen Wechsel für die Kühe (z. B. Stallneubau oder Wechsel auf ein automatisches Melksystem [AMS]). Die genaue Ursache ist in vielen Fällen schwierig zu eruieren. Häufig ist der Faktor «Stress» für die Kühe, verbunden mit einer Beeinträchtigung des Immunsystems, der auslösende Faktor. Extrem wichtig ist ein gesundes und gut funktionierendes Immunsystem. Die Erreger finden sich auch im Kot gesunder Kühe und sind entsprechend praktisch in jeder Stallumgebung der Tiere vorhanden. Problematisch wird dies, wenn die Abwehr der Tiere geschwächt ist oder die Keimbelastung übermässig hoch ist. Entsprechende Risikofaktoren sind:
- Durchfallerkrankungen
- Futter/nicht wiederkäuergerechte Ration (siehe Abschnitt «Fütterung»)
- Stoffwechselstörungen
- Extreme Milchleistung (Trockensteher sind nur im Ausnahmefall betroffen)
- Krankheitsbelastete Kühe (Leberschäden)
Liegebereich
Holz-basierte Einstreumaterialen sind oft die Ursache für Klebsiellen-Euterentzündungen. Jedoch können alle Einstreumaterialen (inkl. Sand) durch den Kot der Kühe kontaminiert werden. Stark verschmutzte Laufgänge können indirekt auch zu einem hohen Druck im Liegebereich führen. Die Qualität respektive der Grad der Belastung der Einstreu kann im Labor getestet werden und liefert interessante Aspekte zur Überwachung der Einstreuqualität. Durch den hohen Nachweisgrad an den Strichen ist eine qualitativ hochwertige Zitzenreinigung eminent wichtig. Dieser Punkt muss insbesondere in AMS-Betrieben beachtet, respektive als Risikofaktor wahrgenommen werden.
Fütterung
Die Eutergesundheit und die Fütterung gehen in jedem Fall zusammen einher. Die Kombination von Fütterungsfachwissen und Tiermedizin ist ein zentraler Schlüssel für eine erfolgreiche Sanierung. Neben einer ausgeglichenen und wiederkäuergerechten Futterration sind die Qualität sowie die Lagerung und allfällige Verunreinigung der vorgelegten Futtermittel (Grundfutter wie auch Kraftfuttersilo/-Station) entscheidend. Hohe Zellzahlen oder akute Euterentzündungen können die Ursache in verunreinigtem Futter haben. Vor allem die erhöhte Belastung mit Mykotoxinen, zu wenig Struktur (absolut oder qualitativ), respektive die unerwünschte Nacherwärmung führen zu einer Schwächung der Abwehr. Verunreinigtes Wasser ist regelmässig die Ursache für Euterentzünden von gramnegativen Keimen.
Melktechnik/-arbeit
Wie bereits ausgeführt, kommen die gramnegativen Erreger in jedem Stall vor. Neben der systemischen Abwehr der Kuh, ist insbesondere die lokale Abwehr an der Zitze wichtig. Dazu gehört auch die Kondition des Strichkanals. Eine Beeinträchtigung dieser Abwehr kann Euterentzündungen begünstigen.
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