Hitzestress ist längst kein vereinzelt auftretendes Phänomen mehr, sondern ein Dauerthema. Dieses Jahr kletterten die Temperaturen bereits Anfang April auf über 25 °C. Auch im September sind Temperaturen von über 20 °C keine Seltenheit mehr. Für die Kühe bedeutet das, dass sie während einer Periode von sechs Monaten unter Hitzestress leiden können.
Dass Hitzestress unmittelbare negative Folgen hat, ist bekannt. Tieferer Verzehr, weniger Milch oder Pansenazidosen sind nur einige davon. Doch auch die negativen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit sind nicht zu unterschätzen, da sich diese längerfristig auswirken und die Wirtschaftlichkeit negativ beeinflussen. Eine schlechtere Fruchtbarkeit im Sommer wirkt sich meist erst im folgenden Frühsommer mit sogenannten Abkalbewellen aus. Dies, weil meist mehrere Kühe nicht sofort trächtig werden und sich so die Besamungen im Herbst ansammeln. Diesen Zyklus zu durchbrechen ist eine Herausforderung, da die im Frühsommer gekalbten Kühe im Herbst zu besamen sind und diejenigen, welche im Sommer nicht trächtig werden, ebenfalls wieder im Herbst aufnehmen. Abkalbewellen sind ein Teufelskreis und eine nicht zu unterschätzende Arbeitsbelastung.
Hormonhaushalt wird beeinflusst
Hitzestress beeinflusst viele Vorgänge, welche sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken. Besonders die Hormonausschüttung und die Beeinflussung der Follikel sind stark von Hitzestress betroffen. Beispielsweise wird weniger luteinisierendes Hormon (LH) ausgeschüttet, was zu einem schlechteren Eisprung führt und die Bildung des Gelbkörpers negativ beeinflusst. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Kuh entweder schwach oder nicht brünstig wird oder die Trächtigkeit aufgrund des schlecht ausgebildeten Gelbkörpers nicht aufrechterhalten werden kann. Auch das follikelstimulierende Hormon (FSH) wird beeinflusst und in grösseren Mengen ausgeschüttet. Dies führt zu einer grösseren Anzahl an Follikeln und erhöht das Risiko einer Zwillingsgeburt, wenn zwei Eier gleichzeitig springen. Da die Qualität des Follikels und die LH-Ausschüttung verringert ist, sind auch die Brunstanzeichen und die Brunstdauer reduziert. Bezüglich der Brunstdauer kann man allerdings festhalten, dass laut des grössten Schweizer Genetikanbieters nur rund drei Prozent der Kühe zu spät, hingegen 16 Prozent der Kühe zu früh besamt werden. Diese Störung des Hormonhaushalts führt auch zu einem vermehrten Auftreten von Ovar-Zysten.
Wann sollte kein Hitzestress auftreten?
Kühe generell nicht zu besamen, wenn Hitzestress auftritt, sollte dennoch nicht der Standard sein. Es gilt abzuwägen, wann genau im Zyklus der Kuh Hitzestress auftritt. Dies wurde in einer grossen Auswertung in Japan genauer untersucht.
Es gilt abzuwägen, wann genau im Zyklus der Kuh Hitzestress auftritt.
Im Ausland werden Fruchtbarkeitsanalysen häufig anhand der Konzeptionsrate gemacht. Diese gibt an, wie viel Prozent der besamten Tiere tragend geworden sind. Zielwerte aus dem Ausland besagen, dass die Konzeptionsrate bei Erstbesamungen bei 50 Prozent und bei Nachbesamungen bei 45 Prozent sein sollte. Die führenden europäischen Milchproduktionsländer liegen hier zwischen 37 bis 42 Prozent. Nun aber zurück nach Japan: Bei über 11 000 besamten Kühen wurde kontrolliert, wann genau die Kühe starkem Hitzestress (Temperatur-Humiditäts-Index (THI) > 80) ausgesetzt waren. Kühe, die zwei Tage vor und am Tag der Besamung nicht starkem Hitzestress ausgesetzt waren, hatten eine Konzeptionsrate von 38 Prozent. Interessant zu beobachten war, dass Kühe, die am Tag vor der Besamung starken Hitzestress hatten, mit 25 Prozent eine deutlich schlechtere Konzeptionsrate aufwiesen als Kühe, die entweder zwei Tage vor oder am Tag der Besamung unter starkem Hitzestress litten. Das bedeutet, dass bei einem Tag nach Hitzestress die Besamung infrage gestellt werden kann. Weiter wurde beobachtet, dass Kühe, die zwischen dem 15. und 17. Tag nach der Besamung einen THI von über 80 erlebten, mit 28 Prozent eine tiefere Konzeptionsrate aufwiesen als Kühe, die zwischen dem vierten und sechsten Tag nach der Besamung Hitzestress hatten.
Was tun?
Hitzestress sollte mit geeigneten Massnahmen im Stall angegangen und vorgebeugt werden. Eine gute und genügend starke Ventilation des Stalls ist sicher eine wichtige Massnahme (siehe Artikel «Sommer, Sonne, Hitzestress»). Weiter gilt es, bei der Fütterung anzusetzen. Besonders müssen hier die Pansenazidose und die metabolische Azidose verhindert werden.
Mit dem Hitzestressrechner kann eruiert werden, ob die Kühe unter Hitzestress leiden.
Unser Tipp
Fütterungstipps bei Hitzestress
- Die Fütterung sollte zu den kühleren Tageszeiten am Morgen und am Abend erfolgen, um den Verzehr hoch zu halten.
- Die Verfütterung von Puffersubstanzen kompensiert den Karbonatverlust, welcher durch die erhöhte Atemfrequenz entsteht.
- Die Rohfaserversorgung sollte v. a. mit schmackhaften Futtermitteln sichergestellt werden. Deshalb wird strukturiertes Emd anstelle von faserreichem Heu empfohlen. Weiter sind Futtermittel mit einer hohen NDF-Verdaulichkeit besser geeignet.
- In heissen Phasen empfiehlt es sich, Ergänzungsfutter mit einer hohen Nährstoffdichte und erhöhtem Bypassanteil zu füttern. So kann die Nährstoffversorgung auch mit einer geringeren Einsatzmenge gesichert werden und geht nicht auf Kosten der Grundfutteraufnahme. Mit dem Bypass-Anteil wird zusätzlich der Pansen entlastet.