Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Milchkühen ist in der Schweiz mit zirka vier Laktationen im Vergleich zu anderen Ländern wie den USA mit nur 1,5 Laktationen deutlich höher. Das bedeutet für die Klauenpflege, dass durch eine nachhaltige und angepasste Arbeitsweise die Klauengesundheit der Kühe langfristig beeinflusst werden kann. Basierend auf der Technik der funktionellen Klauenpflege des berühmten Klauenpflegers Toussaint Raven wurde durch den SKV (Schweizer Klauenpflegervereinigung), die Vetsuisse Fakultät Bern und Zürich und den Rindergesundheitsdienst eine praxistaugliche Technik erarbeitet. Diese wird den Anforderungen unserer modernen Kühe und den aktuellen Haltungsbedingungen in der Schweiz gerecht. Die einzelnen Schritte der Schweizer Technik der funktionellen Klauenpflege, sowie allfällige Risikofaktoren in Bezug auf Dermatitis digitalis (DD) werden in der Folge beschrieben.
Fünf Schritte der funktionellen Klauenpflege
Die Arbeit des Klauenpflegers beginnt bereits bevor das Tier den Klauenstand betritt. Um eine allfällige Lahmheit zu erkennen, wird der Gang und die Stellung der Kuh vom Klauenpfleger beobachtet und beurteilt. Das Ziel jeder funktionellen Klauenpflege ist das Herstellen von normalen Belastungsverhältnissen. Um einen Überblick über die Veränderungen oder Erkrankungen in einer Herde zu erhalten, ist eine Dokumentation in elektronischer oder schriftlicher Form unabdingbar.
Start mit der grösseren Klaue
Begonnen wird bei allen vier Gliedmassen jeweils mit der mehr belasteten, also der grösseren Klaue. Die vordere Wandlänge wird dabei, unter Berücksichtigung von Alter, Rasse und Haltungssystem, auf 8,5 cm gekürzt. Der limitierende Faktor ist die Sohlendicke, welche mindestens 0,5 cm betragen muss, damit ein genügender Schutz der darunterliegenden Strukturen gegeben ist. Die Dicke der Sohle kann durch Fingerdruck im Bereich der Hohlkehlung kontrolliert werden. Das Horn darf auf Druck nur leicht nachgeben. Das Ziel ist es, die Kühe langfristig in eine hohe Stellung zu bringen, damit der Ballen besser abtrocknen kann und dadurch vor Schmutz oder Feuchtigkeit geschützt wird. Deshalb muss bei der Klauenpflege darauf geachtet werden, im hinteren Bereich der Sohle Horn zu sparen und nur die vorderen zwei Drittel der Sohle auszudünnen.
Kleinere Klaue an die grössere anpassen
Im nächsten Schritt wird die Höhe der kleineren Klaue an die gepflegte Klaue angepasst. So wird gewährleistet, dass das Gewicht der Kuh auf beiden Klauen gleichmässig verteilt ist. Der gewichtstragende Bereich sind die äusseren und inneren Tragränder. Mit der Messschablone oder dem Griff des Klauenmessers wird kontrolliert, ob die Tragränder beider Klauen gleich hoch sind.
Hohlkehlung anbringen
Beidseits an den Innenseiten der Klauen wird eine Auskerbung, die sich über zwei Drittel der Sohlenbreite ausdehnt, angebracht. Dies erfolgt entweder mit dem Winkelschleifer oder dem Klauenmesser, unter Schonung des inneren Tragrandes. Die Hohlkehlung ermöglicht eine Ausdehnung des Polsterkissens in der Klaue beim Auftreten auf den Boden. Dadurch werden Spannungen im Hornschuh verhindert und die Stelle, an der besonders häufig Geschwüre auftreten, wird somit entlastet. Gleichzeitig kann der Selbstreinigungseffekt der Klauen genutzt werden, da sich durch den breiteren Spalt kein Mist oder Dreck ansammeln kann.
Kanten brechen und Afterklauen pflegen
Im nächsten Schritt wird jegliches lose Horn entfernt. Die Kanten werden sorgfältig gebrochen. Im Bereich der Spitze wird dazu ein Drittel der Aussenwandlänge bis maximal zur weissen Linie entfernt. Bei der restlichen Klaue wird maximal ein Millimeter abgetragen. Die Afterklauen werden gekürzt. Grundsätzlich gilt, dass die Afterklauen so geschnitten werden, dass ihre äussere Länge mindestens der Breite der Basis entspricht. Durch Auseinanderspreizen der Klauen kann der Zwischenklauenspalt visuell auf feststeckende Steine oder Veränderungen untersucht werden.
Defekte zum Schluss
Allfällig vorhandene Defekte wie Ballenfäule werden nun genauer beurteilt und können, falls nötig, entfernt oder entlastet werden. Für Veränderungen, welche in die Tiefe gehen und bei denen die gut durchblutete, von Nerven durchzogene Lederhaut beteiligt ist, braucht es eine Schmerzausschaltung im Sinne einer lokalen Betäubung durch die Bestandestierärztin oder den Bestandestierarzt. Um eine schnelle Abheilung zu ermöglichen und unnötigen Schmerzen vorzubeugen, ist oftmals die Entlastung der erkrankten Klaue nötig. Diese erfolgt durch das Anbringen eines Klotzes (Kothurns) auf die gesunde Klaue derselben Gliedmasse.
Dermatitis digitalis und Klauenpflege
Die Klauenpflege allein kann das Vorkommen von DD nicht verhindern. Allerdings kann durch die Berücksichtigung folgender Punkte, die Klauenformation positiv beeinflusst werden.
- Hoher Ballensatz: Die gefährdete Region hat zum schmutzigen und feuchten Boden mehr Distanz und kann dadurch besser abtrocknen.
- Deutliche Hohlkehlung: Der Selbstreinigungseffekt wird so gut wie möglich genutzt.
- Regelmässige Pflege und Kontrolle der Klauen.
Wie bereits bekannt ist, handelt es sich bei DD um eine ansteckende Erkrankung. Übertragen wird sie sowohl über direkten Kontakt, wie auch indirekt durch kontaminierte Gegenstände. In Bezug auf die Klauenpflege sind vor allem das Klauenmesser, die Hände, Reinigungs- und Behandlungsmaterial sowie der Klauenstand potentielle Ansteckungsquellen. Auf eine angemessene Hygiene ist deshalb besonders zu achten.
Weitere Informationen rund ums Thema Klauenpflege und passende Kurse: www.klauenpflege.ch