Extensive Weideflächen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Europas. Ihre Vielfalt ist in einem jahrtausendelangen Wechselspiel von Weidetieren und Vegetation entstanden und heute durch Nutzungsaufgabe und Intensivierung gefährdet. Zudem hat die Tierzucht der letzten Jahrzehnte grosse Veränderungen gebracht und die Produktivität vieler Rinderrassen stark gesteigert. Studien von Agroscope und AgroVet Strickhof zeigen nun, dass die Zucht auch das Fress- und Bewegungsverhalten der Tiere modifiziert hat und dass sich daraus weitreichende Konsequenzen für die Weidevegetation ergeben.
Extensivrassen: leicht, gemütlich, genügsam
Extensivrinder sind leichter als produktionsorientierte Rassen. Weil sie zudem relativ grosse Klauen besitzen, verteilt sich der Druck auf eine grosse Fläche und die Grasnarbe wird geschont. Ausserdem legen sie auf der Weide weniger Strecke zurück, was die Trittbelastung zusätzlich reduziert. Auf den Weiden schwerer, produktiver Rinder wachsen deshalb deutlich mehr Trittzeigerpflanzen. Diese verdrängen empfindlichere Arten und senken die Artenvielfalt. Je produktiver eine Rasse ist, desto selektiver wählt sie ihre Futterpflanzen aus. Die produktiven Rinder verzehren vor allem nährstoffreiche, leicht verdauliche Futterpflanzen, wohingegen die Extensivrinder auch Borstgras, Disteln und andere unattraktive Pflanzen fressen. Dadurch verringern sie die Dominanz von Problempflanzen. Das fördert sowohl die Artenvielfalt als auch die Futterqualität der Weide. Ausserdem nutzen die extensiven Hochlandrinder die Weidefläche besonders gleichmässig. Häufiger als die produktiveren Rassen halten sie sich an steilen Flächen mit geringer Futterqualität auf. Es entstehen weniger Lägerstellen und die Weidefläche wird gleichmässiger genutzt.
Das Potenzial der Extensivrassen nutzen
Extensivrinder können extensives Grasland in Grenzertragslagen effizient nutzen und dessen Artenvielfalt fördern. Auf vielen Betrieben lässt sich der Tierbestand mit wenig Aufwand durch eine extensive «Dienstleistungsherde» ergänzen.
Die positiven Eigenschaften der Extensivrinder scheinen eng an ihre geringe Produktivität geknüpft zu sein. Züchter von Extensivrassen sollten bedenken, dass die wünschenswerten Eigenschaften verloren gehen könnten, wenn auf höhere Leistungen gezüchtet wird.
Quelle: Pauler C.M., Schneider M.K; Agrarforschung Schweiz 11, 244–251, 2020