Auf dem Betrieb von Marcel Müller in Freudwil im Zürcher Oberland wurde ein Praxisversuch zur intensiven Aufzucht durchgeführt. Aufgegleist wurde der Versuch im Rahmen einer Diplomarbeit von Reto Rechsteiner, zusammen mit Martin Giger, Milchviehberater im UFA-Beratungsdienst Oberbüren. Das Ziel von Marcel Müller ist es, langlebige und gesunde Kühe zu haben, welche das gute Potenzial optimal nutzen können.
Der Betrieb Müller besteht aus rund 30 ha LN, 50 Milchkühen und rund 30 Aufzuchtkälbern. Marcel Müller hat sich in der Aufzucht spezialisiert, der alte Milchviehstall wurde in einen optimal eingerichteten Aufzuchtstall umgebaut. Damit die Auslastung der Einrichtungen gewährleistet wird, werden Kälber von zwei weiteren Betrieben zugeführt. Diese Tiere kommen im Alter von rund drei Wochen auf den Betrieb und werden im Quarantänestall angewöhnt.
Aufzuchtstrategie
In den ersten 16 Tagen werden alle Kälber auf den Geburtsbetrieben in Einzeliglus gehalten und ad libitum getränkt. Sie erhalten angesäuerte Milch aus dem Kessel. Während dieser Zeit werden die Kälber mit Eisen und Selen versorgt und gegen Grippe geimpft, damit sie optimal auf die intensive Aufzucht vorbereitet sind. Nach ungefähr ein bis zwei Monaten werden sie zudem gegen Flechten geimpft.
Anschliessend durchlaufen die Kälber auf dem Betrieb Müller zwei Phasen. Zu Beginn der ersten Phase kommen die Kälber zwei Wochen in den Quarantänestall. Dort werden sie an die Gruppenhaltung und den Tränkeautomaten gewöhnt. Sie erhalten Milch mit UFA 207 instant und UFA-Kälbermash zur freien Verfügung. Über den Zusatzdosierer wird noch UFA top-paleo, zur Unterstützung des Immunsystems, zugegeben. Nach den zwei Wochen im Quarantänestall wird das UFA toppaleo abgesetzt, ansonsten bleibt die Fütterung gleich. Die Fütterung in dieser ersten Phase (136 Tage) verläuft sehr intensiv. Im Alter von etwa drei Monaten werden sie abgetränkt und erhalten für zwei weitere Monate das UFA-Kälbermash. Die Gesamt-Kosten betragen in dieser ersten Phase rund 7.40 Franken pro Kalb und Tag. Im Preis sind von den Futter- bis zu den Gebäudekosten alle anfallenden direkten und indirekten Kosten einkalkuliert. Auch die Arbeitsstunden von Marcel Müller werden berücksichtigt.
In der zweiten Phase, welche rund 80 Tage dauert, werden die Kälber auf die bevorstehende Fütterungsumstellung vorbereitet und erhalten qualitativ hochwertiges Heu und Kraftfutter. Die Kosten in dieser Phase senken sich auf 4.90 Franken pro Kalb und Tag. Anschliessend, im Alter von rund sieben Monaten, gehen die Tiere im Kanton Graubünden auf zwei verschiedene Aufzuchtbetriebe. Die Vertragsaufzucht auf den beiden Betrieben in Graubünden kostet jeweils drei Franken pro Tier und Tag. Einige Wochen vor dem Abkalben kehren die Rinder wieder auf die jeweiligen Geburtsbetriebe zurück.
Tageszunahmen
Mit der intensiven Aufzucht sollen der Trockensubstanz (TS)-Verzehr und damit die Tageszunahmen in den ersten sechs Monaten möglichst hoch sein. Dadurch wird die metabolische Programmierung optimiert. Ziel ist es, das Erstkalbealter zu senken, eine gesündere und leistungsfähigere Kuh zu erhalten und damit die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion zu steigern. Beim Betrachten der Tageszunahmen in der Grafik, werden die Auswirkungen der intensiven Fütterung ersichtlich. Während den ersten fünf Monaten sind die Zunahmen bei über einem Kilogramm pro Tag. Mit der Fütterungsumstellung auf Heu und dem Verschieben auf die Aufzuchtbetriebe sinken die Tageszunahmen auf 600 bis 800 Gramm. Der Wachstumsverlauf entspricht den heutigen Idealvorstellungen und zeigt, dass bei einer intensiven Aufzucht nicht auf eine Alpung verzichtet werden muss. Die Kälber haben in den ersten sechs Monaten hohe Tageszunahmen, welche anschliessend sinken, aber gegen Ende wieder leicht ansteigen. Dadurch wird die Entwicklung des Kalbes gefördert, ohne dass die Gefahr der Verfettung besteht. Die hohen Zunahmen werden dann verursacht, wenn das Tier sich in der Entwicklungsphase befindet. Bei fortgeschrittener Entwicklung, benötigt das Kalb nicht mehr so viel Energie und würde bei einer intensiven Fütterung verfetten. Auf den zwei Bündner Aufzuchtbetrieben befinden sich Rinder von weiteren Betrieben. Diese werden in der Tabelle 1 als Vergleichstiere dargestellt. Sie sind am Ende der Aufzucht weniger schwer als die Rinder aus intensiver Aufzucht. Sie waren zu diesem Zeitpunkt noch stärker in der Entwicklung und wiesen auch leicht höhere Tageszunahmen auf.
Erstkalbealter
In der Tabelle 1 ist zu erkennen, dass die Tiere mit der intensiven Aufzucht das Besamungsgewicht von 400 kg früher erreichen. Im Schnitt sind die Tiere aus der Aufzucht von Marcel Müller mit 15 Monaten besamungsreif, was ein Erstkalbealter von 24 Monaten ergibt. Die Vergleichstiere zeigen in demselben Alter tiefere Gewichte und erreichen die 400 kg erst mit rund 20 Monaten. Die Vergleichstiere befinden sich somit rund fünf Monate länger in der Aufzucht.
Intensive Aufzucht lohnt sich
Gemäss Agridea kann bei einem Erstkalbealter von 29 Monaten im Durchschnitt von Gesamtkosten für die Aufzucht von 3.20 Franken pro Tier und Tag ausgegangen werden. Die fünf Monate kosten dementsprechend 480 Franken. Werden diese Kosten auf die ersten sieben Monate der intensiven Aufzucht, projiziert, ergibt das 2.10 Franken pro Tag. Das bedeutet für Betriebe, welche umstellen möchten, dass die intensive Variante in den ersten sieben Monaten rund 2.10 Franken pro Tag mehr kosten darf, ohne dass sich die Gesamtkosten verändern. Zusätzlich hat das Tier aus intensiver Aufzucht bereits eine halbe Laktation Milch produziert, wenn das Tier aus normaler Aufzucht erst abkalbt. Marcel Müller ist der Überzeugung, dass erhöhte Ausgaben in den ersten fünf Monaten bei einem tiefen Erstkalbealter keine höheren Aufzuchtkosten verursachen.
Es wird deutlich, dass die Tiere früher besamt werden können und somit früher in die produktive Phase ihres Lebens kommen. Dadurch kann die Lebendtagleistung stark erhöht werden. Es lässt sich sagen, dass sich die intensive Aufzucht lohnt, weil dadurch das Erstkalbealter gesenkt, die Leistung erhöht und die Gesundheit des Tieres verbessert wird. Das Fazit von Marcel Müller ist: «Schöne Euter und tiefe Flanken bei einem Erstkalbealter von 24 bis 26 Monaten, das ist mein erster positiver Eindruck».