Vieles ist über die Krankheit bekannt, aber längst nicht alles. Auch die Genetik scheint eine Rolle zu spielen: Eine klinische Untersuchung vom Klauenpfleger René Pijl zeigt, dass das Risiko, dass die Nachkommen einer betroffenen Kuh mit einer Wahrscheinlichkeit von 41 Prozent auch an Mortellaro erkranken. Somit scheint, dass das Risiko an Mortellaro zu erkranken erhöht ist, wenn Mutter und/oder Grossmutter bereits erkrankt sind.
Erfahrungen stimmen zuversichtlich
Die Erfahrungen des Rindergesundheitsdienstes (RGD) und der UFA zeigen, dass das gemeinsam erstellte «Gesamtkonzept zur Reduktion von Mortellaro» funktioniert. Das Konzept wird ständig aktualisiert, so dass die fünf Massnahmenpunkte verfeinert wurden. Auf den Betrieben, die die Massnahmen umsetzen, konnte der Druck auf ein vertretbares Niveau reduziert werden. Die Erfahrungen zeigen, dass es schwierig ist, ohne Konzept und klaren Plan den Druck von Mortellaro zu verringern. Die Dokumentation ist dabei hilfreich, da Behandlungen, Anwendungen des Klauenbads usw. eingetragen werden können. Bereits kleine Anpassungen können zum Erfolg führen, auch wenn dies bei der täglichen Arbeit auf dem Betrieb nicht immer sofort erkennbar ist. Unterstützend kann der RGD oder der UFA-Milchviehspezialist zugezogen werden, um entsprechende Tipps und Erfahrungen zu teilen.
Konzept weiterentwickeln
Die Erfahrungen und Diskussionen auf den Betrieben zeigen, dass die Betriebe individuell beurteilt werden müssen. Die Hygiene ist und bleibt dabei das Wichtigste.
Ein weiterer Punkt ist der Kuhkomfort. Je besser die Boxenqualität und das Nackenrohr eingestellt ist, desto lieber suchen die Kühe die Liegeboxen auf und desto höher ist die Liegezeit. Eine Kuh, die mehr liegt, produziert mehr Milch und entlastet die Klauen. Diese können trocknen, was sich wiederum positiv gegen Mortellaro auswirkt.
Auch wie häufig der Schieber läuft, spielt bei der Hygiene eine zentrale Rolle, denn je dreckiger und feuchter die Klauen, desto einfacher können sich Bakterien vermehren und zur Ansteckung führen. Dieser Punkt spricht zudem das Thema Biosicherheit an. Biosicherheit spielt für den Schutz der Herde vor Infektionskrankheiten eine zentrale Rolle. Doch was bedeutet Biosicherheit genau und wie kann sie auf Betrieben mit Mortellaroproblemen umgesetzt werden?
Biosicherheit beinhaltet die Analyse bestehender Gefahren der Erregereinschleppung in Tierherden sowie die Umsetzung von Massnahmen, um dieses Risiko zu verkleinern oder zu verhindern (Leitfaden Biosicherheit der Tierärztekammer Niedersachsen). Durch die getroffenen Massnahmen sollen das Tierwohl sowie die Produktivität verbessert und ansteckende Krankheiten von Beständen ferngehalten werden. Die Biosicherheit ist eines der wichtigsten Handlungsfelder im Leitfaden zur Reduktion von Mortellaro im Tierbestand.
Es wird zwischen der externen und internen unterschieden. Externe Biosicherheit bedeutet, dass Betriebe, das Eindringen und Verschleppen von Krankheitserregern von aussen verhindern. Aber auch, dass ansteckende Krankheiten den Betrieb nicht verlassen (geschlossene Herde). Interne Biosicherheit umfasst die Eindämmung bzw. den Schutz vor Ausbreitung und Verschleppung von ansteckenden Krankheiten innerhalb des Betriebes (Kuh – Kuh, Kühe – Aufzuchtrinder) (Universität Gent, www.biocheck.ugent.be).
Die Herausforderung in der Praxis
Die Betriebsgemeinschaft Senn-Gavin legte im November 2015 ihre Herden zusammen und bezog ihren neuen Laufstall. Bereits in den beiden Anbindeställen der Betriebsleiter trat vereinzelt Mortellaro auf: «Durch die Teilnahme an Viehausstellungen und Tierzukauf haben wir die Erreger in die Bestände eingeschleppt», erklärt Gill Senn, Holstein-Meisterzüchter des Jahres 2012. Der Umzug in den gemeinsamen Stall bedeutete für die Kühe Stress: Neue Hierarchie in der Herde und gleichzeitig ein neues Aufstallungssystem. In dieser Phase nahm die Klauenerkrankung sprunghaft zu. Aktuell sind beinahe 40 Prozent der Kühe von Mortellaro betroffen. Viele Kühe lahmen und leisten weniger, da sie weniger Futter aufnehmen.
Systematische Pflege und Fütterung
Im Melkstand haben die Betriebsleiter die Möglichkeit, die Klauen täglich zu überprüfen. Bei Bedarf werden die Klauen anschliessend gereinigt und mit einem antibakteriellen Spray (Klausol) behandelt. Seit etwas mehr als einem Jahr wird der Mischration der Kühe nebst Heu, Emd, Zuckerrübenschnitzel, Körnermais, Luzerne, Kartoffeln und dem Eiweisskonzentrat UFA 248 auch Minex 977 beigefügt. Dieses Mineralsalz wird gut aufgenommen und enthält den Wirkstoff-Komplex «Immunity». Die Mengen- und Spurenelemente des Immu-nity-Komplexes haben einen positiven Einfluss auf Klauengesundheit und die Immunabwehr. «Die Herdengesundheit ist aktuell stabil, eine konkrete Verbesserung ist noch nicht spürbar», teilt Olivier Gavin mit, der nun alle Hebel in Bewegung setzen möchte, um den Mortellarodruck zu reduzieren.
Geplante Schritte
Die Betriebsleiter denken bereits seit längerer Zeit über ein Klauenbad nach. Geplant war ein Klauenbad beim Ausgang des Melkstands, jedoch koten die Kühe dort sehr oft. Die Betriebsleiter, die von Arnaud Senn unterstützt werden, denken darüber nach, ein festes Klauenbad einzurichten. Dieses müssten die Kühe ein bis zwei Mal pro Woche durchlaufen. «Damit wäre das Handling einfacher und Mortellaro müsste klar reduziert werden können», sind sich die Betriebsleiter einig.
Beispiel Alpung als Gefahr
Zahlreiche Betriebsleiter klagten im vergangenen Herbst, dass die Aufzuchtrinder mit Mortellaro befallen von der Alp zurückkehrten. Grundsätzlich sinkt mit der Weidehaltung der Mortellarodruck. So stellt sich die Frage, wie Mortellaro überhaupt auf die Alp kommt. Die einzige plausible Erklärung ist, dass befallene Rinder die Krankheit im Frühling auf die Alp schleppten und sich die Erreger an feuchten Stellen, wie beispielsweise bei unbefestigten Tränkestellen verbreiten konnten und weitere Rinder angesteckt wurden. Nach dem Alpabzug sollten an Mortellaro erkrankte Rinder nicht sofort in die Milchviehherde integriert werden, um eine weitere Verbreitung der Erkrankung zu vermeiden. Die Läsionen müssen vorher abgeklungen sein. Erkrankte Rinder sind also nach der Alpung/Weide in einem Klauenstand zu kontrollieren und zu behandeln. Für die Biosicherheit auf den Mortellarobetrieben gelten folgende Risikofaktoren und Massnahmen zur Vermeidung von Erregereintrag und -verschleppung:
Externe Biosicherheit – Schutz vor Einschleppung in den Betrieb
- Geschlossene Herde – beinhaltet auch den Austausch und dasVerstellen von Tieren
- Quarantäne und allfällige Behandlung von Mortellaro vorIntegration in die bestehend Herde: • Rinder aus Aufzuchtvertrag •Nach Alpung • Nach Zukauf und Ausstellung von Tieren
- Klauenpflege: Sicherstellung von Reinigung und Desinfektion,des verwendeten Werkzeugs nach der Klauenpflege und zwischen denBetrieben (Verwendung von zwei Sets: eins für gesunde Kühe und einweiteres für betroffene Kühe)
- Klauenstand, Transportwagen etc. nicht mit anderen Betriebenteilen; falls unumgänglich, vor Gebrauch konsequente und angepassteReinigung und Desinfektion der Gerätschaften
- Bei Stallbegehung durch Externe (BesamerIn,FuttermittelberaterIn, KlauenpflegerIn, Tierarzt/ärztin etc.):betriebseigene Bekleidung und Stiefel anbieten oder Fussbadinstallieren und auf saubere Bekleidung achten.
Mortellaro nachhaltig reduzieren
- Gute Hygiene und Kuhkomfort im Stall
- Einhaltung der Biosicherheit
- Sofortige Behandlung der aktiven Läsionen und Dokumentation – auch bei den Rindern
- Korrekter Einsatz des Klauenbads
- Regelmässige funktionelle Klauenpflege und Dokumentation
- Optimierte Fütterung mit korrekter Mineralstoff- und Spurenelement versorgung
Beim Jungvieh beginnen
Bei bereits befallenen Herden muss die Bekämpfungsstrategie unbedingt bei der Aufzucht ansetzen. Wird das Konzept nur bei den Kühen umgesetzt und bei den Rindern vernachlässigt, wird dies nicht zielführend sein. Denn mit dem Eingliedern von befallenen Rindern erhöht sich der Druck, was eine Reduktion von Mortellaro im Bestand stark erschwert. In der zweiten Hälfte des Winters ist der Druck in den Ställen am höchsten. Hier gilt es, die Augen offen zu halten und bei einer allfälligen Infektion schnell zu reagieren, um ein Ausbreiten zu verhindern.
Interne Biosicherheit – Schutz vor Ansteckung und Verschleppunginnerhalb des Betriebes
- Innerhalb des Betriebes Stiefel gründlich waschen, wennzwischen Tiergruppen gewechselt wird (von laktierenden Kühen zuKälbern, Rindern …).
- Aufzuchtrinder unbedingt auf Mortellaroläsionen hinuntersuchen, bevor sie in die laktierende Herde integriertwerden.
- Kranke/verletzte Tiere frühzeitig aus der Herde nehmen, inKrankenboxen unterbringen und behandeln.
- Klauenstand, Klauenbad nach jedem Gebrauch beziehungsweise nach100 Durchgängen konsequent reinigen und desinfizieren.
- Bei der Klauenpflege bietet sich aus hygienischen Gründen derEinsatz von Einwegmaterialien an, sofern praktikabel.
- Klauenmesser vor bzw. nach dem Einsatz reinigen unddesinfizieren.
- Hände und Arbeitsmaterialien regelmässig reinigen.
- Kein gemeinsames Weiden mit Schafen, Schweinen, Kamelen oderZiegen.
Das Immunsystem ist zentral
Sowohl beim Rind, als auch bei der Kuh nimmt das Immunsystem vor allem in Bezug auf Mortellaro eine zentrale Rolle ein. Denn Stress und ein geschwächtes Immunsystem haben einen bedeutenden Einfluss auf den Zustand der Haut und somit auf die Gefahr, dass Bakterien in die Haut eindringen können. Oder anders formuliert: Je stärker das Immunsystem, desto besser die Tiergesundheit, die Hautqualität und somit auch der Infektionsschutz. Dabei ist die Mineral- und Wirkstoffversorgung zentral. Eine Unterversorgung mit Spurenelementen (v. a. Zink, Mangan und Kupfer) und Vitaminen hat einen Einfluss auf das Immunsystem sowie auf die Klauengesundheit und die Haut- und Hornqualität. Diese Elemente sind in gut verfügbarer organischer Form zuzufüttern.