Erfahrung mit den anspruchsvollen Tieren hat auch die Familie Schärer aus Schongau (LU). Seit knapp 20 Jahren werden auf dem Nebenerwerbsbetrieb Ziegen gehalten. Zuerst als Hobby, nach und nach baute die Familie einen soliden Nebenerwerb daraus auf. Jürg Schärer arbeitet zu 100 Prozent auswärts, aus diesem Grund übernimmt seine Frau Margrit den grössten Teil der Arbeit mit den Ziegen. Aber die Ziegen sind ein Familienprojekt: Auch die vier Kinder des Betriebsleiterehepaars sind öfters im Stall anzutreffen und helfen tatkräftig auf dem Betrieb mit.
Aktuell werden 84 Milchziegen, 22 Aufzuchtziegen, 5 Ziegenböcke und 5 Kühe gehalten sowie jährlich 15 Mastkälber gemästet. Der Grossteil der Milchziegen gehört der Rasse der Saanenziegen an, ein Teil sind Walliser Schwarzhalsziegen.
Da der Tierbestand in den letzten Jahren stetig vergrössert wurde, war eine starke Selektion bis anhin nicht möglich und teils mussten züchterische Kompromisse eingegangen werden. In diesem Frühling konnten Schärers das erste Mal aus den total 145 Gitzi nur die 22 vielversprechendsten Tiere zur Weiterzucht auswählen. Die restlichen weiblichen Gitzi wurden gemeinsam mit den männlichen Tieren gemästet. Die wichtigsten Selektionsparameter sind für Schärers die Milchleistung, das Fundament, die Zellzahlen sowie die Milchgehalte. Die zugekauften Böcke werden stets mit einem Bluttest auf Pseudo-Tuberkulose getestet, da der Betrieb frei von dieser ansteckenden Tierseuche ist und es auch bleiben möchte. Die Leistung der gesamten Herde liegt aktuell bei durchschnittlich 675 kg Milch pro Ziege und Laktation (220 Tage). Rund ein Viertel der Ziegen befinden sich aktuell in der ersten Laktation. Die Streuung in der Herde ist relativ gross, die besten Tiere knackten im letzten Jahr die 1000-Liter-Grenze.
Bei Schärers verbleiben die Ziegen normalerweise problemlos sechs bis sieben Laktationen in der Herde, ältere Tiere sind dann aber eher Ausnahmen. Zwei dieser Ausnahmetiere wurden im vergangenen Jahr mit einem Preis für hohe Lebensleistungen ausgezeichnet, welchen Saanenziegen ab einer Lebensleistung von 11 500 kg Milch erhalten.
Nur das Beste
Da der Betrieb Schärer silofreie Milch produziert, stehen Eingrasen und Dürrfuttergewinnung im Zentrum des Futterbaus. Während der Vegetationszeit erhalten Schärers Milchziegen Frischgras, Dürrfutter, Maiswürfel und Kraftfutter. Die Kinder übernehmen das Eingrasen zum richtigen Zeitpunkt (möglichst trocken). Das Gras wird nach dem Mähen auf ein Dosiergerät abgeladen. Von dort aus kann das Futterband im Ziegenstall bequem per Knopfdruck befüllt werden. Das Futterband wird täglich rund 15 Mal neu beschickt, damit die Ziegen stets frisches Futter zur Verfügung haben. Das Gras wird deutlich besser gefressen, wenn es nicht regennass ist. Zudem darf es nicht überständig und verholzt sein, deshalb wird alle fünf bis sechs Wochen geschnitten. Dürrfutter steht der Herde ad libitum in Raufen zur Verfügung. Maiswürfel, Kolbenschrot und ein UFA-Leistungsfutter werden beim Melken zugefüttert.
Wie einleitend erwähnt, sind Ziegen sehr wählerisch. Sie fressen immer zuerst die schmackhaften Blätter, bevor sie sich an die Stängel des Raufutters machen – und auch bei diesen werden zuerst die jungen Triebe bevorzugt, bevor ältere, verholzte Stängel gefressen werden. Durch dieses Fressverhalten fallen bei der intensiven Ziegenhaltung grosse Mengen an Krippenresten an. Schärers rechnen mit rund 20 Prozent der Grundfutterration. Da die Qualität der Krippenreste immer noch gut ist, reichen diese Resten problemlos, um die fünf Milchkühe zu versorgen. Jürg Schärer erklärt die Fütterung der Milchziegen wie folgt: «Es ist ganz einfach, entweder akzeptiert man die hohen Mengen an Krippenresten, oder man hat weniger Ziegenmilch». Auf die Weidehaltung wird ganz bewusst verzichtet: «Die Parasitenproblematik ist in Kombination mit der Milchproduktion nur schwer zu vereinbaren. Es gibt nur ein zugelassenes Entwurmungsmittel, das keine Absetzfrist auf die Milch hat», erklärt das Betriebsleiterehepaar.
Den Bedarf decken
Die Fütterung der Milchziegen wird vom UFA-Berater Hans-Ueli Baumgartner regelmässig berechnet und angepasst. Dazu nimmt er oft die monatliche Milchleistungskontrolle zur Hilfe. Er sieht dadurch, welches Leistungsniveau die Ziegen aktuell erreichen und anhand der Milchgehalte kann er, ähnlich wie in der Milchviehhaltung, Rückschlüsse auf die Energie-, Protein- und Strukturversorgung der Tiere ziehen. Dass Ziegen mengenmässig nur rund zwei bis vier Kilogramm Trockensubstanz aufnehmen, erschwert die Anpassungen der Ration und lässt nur wenig Spielraum. Besonders zu Beginn der Laktation erreichen die Ziegen hohe Tagesleistungen, die auch erfüttert werden müssen. Ansonsten verlieren die Ziegen sehr schnell Körpergewicht – betroffene Tiere erholen sich oft nicht mehr und müssen ausgemerzt werden.
Nebst der Startphase muss auch auf die letzten zwei Monate der Trächtigkeit ein Augenmerk gelegt werden, vor allem bei Mehrlingsgeburten: Da die ungeborenen Gitzi in den letzten Trächtigkeitsmonaten stark wachsen, erhöht sich der Nährstoffbedarf deutlich. Gleichzeitig sinkt die Futteraufnahme, da die Föten viel Raum einnehmen und das Pansenvolumen sinkt. Deshalb macht es Sinn, die Ration von Ziegen, bei denen Mehrlingsgeburten erwartet werden, mit Kraftfutter zu ergänzen (200 − 600 g/Tier/Tag). Die sogenannte Trächtigkeitstoxikose (Energiemangel) wird oft spät erkannt und führt zu plötzlichen Todesfällen. Schärers beginnen mit der Anfütterung rund einen Monat vor dem Gitzeln. Sie setzen dazu Belüftungsheu und Zuckerrübenschnitzel ein.
Herausforderung: Milchablieferung
Ab Anfang Februar beginnen die Ziegen mit dem Gitzeln, diese Zeit ist sehr arbeitsintensiv und die ganze Familie hilft mit. Die Gitzi werden nach zwei bis drei Tagen vom Muttertier getrennt und mit Kuhmilch (60 %) und dem Vollmilchergänzer UFA 200 (40 %) gemästet. Im Zeitraum von zehn bis zwölf Wochen, möglichst vor Ostern wenn der Schlachtpreis am höchsten ist, erreichen die Gitzi das gewünschte Schlachtgewicht von 5 – 9.8 kg und werden durch Proviande vermarktet. Bei Schärers erreichen die meisten Masttiere die hohe Klassierung H, welche für vollfleischige Tiere steht. Rund 80 Prozent des Fleisches wird aufgrund der Nachfrage durch Proviande im Tessin vermarktet.
Die Milchziegen werden von Anfang Februar bis Ende November gemolken. Gemolken wird auf einem Teil des ehemaligen Anbindelägers der Kühe. Der Schwemmkanal wurde in eine Melkgrube umfunktioniert, damit ist die Arbeitshöhe angenehm. Mit der GEA-Ziegenmelkanlage können jeweils acht Ziegen gleichzeitig gemolken werden und in rund einer Stunde und 15 Minuten hat Margrit Schärer die gut 80 Ziegen gemolken. Jährlich liefern Schärers rund 70 000 kg silofreie Milch an fünf verschiedene Abnehmer ab, die die Milch zu Rohmilchkäse und diversen Spezialitäten weiterverarbeiten. Da Schärers keine Milchlieferverträge haben, liefern sie Milch nach Bedarf an die verschiedenen Abnehmer. Schärers frieren zudem jährlich rund 16 Tonnen Milch ein, um sie bei Bedarf und in den Monaten ohne anfallende Frischmilch (Dez. und Jan.) aufzutauen und auszuliefern.
Das Ausliefern der Milch übernimmt Jürg Schärer: «Es ist manchmal schon eine Herausforderung mit den verschiedenen Abnehmern. Die Abnehmer profitieren auf der Gegenseite von uns, da wir mit der tiefgefrorenen Milch sehr flexibel sind und bei Bedarf eigentlich immer liefern können». Der durchschnittliche Milchpreis liegt bei rund Fr. 1.20 pro kg Ziegenmilch.
Die Familie Schärer hofft darauf, dass die Nachfrage an Ziegenmilch auch in Zukunft anhalten wird und sie ihre Milch gut vermarkten können. Vom Standort her kann der Betriebszweig aktuell nicht mehr weiter ausgedehnt werden, da die Stallfläche mit der aktuellen Tierzahl nicht mehr ausgereizt werden kann. Der Nebenerwerb ist für die ganze Familie eine Bereicherung – und das nicht nur finanziell. Alle beteiligen sich mit viel Engagement und Herzblut am Betrieb und erwirtschaften damit einen guten Nebenerwerb.
In Kürze
- Ziegen fressen selektiv und erreichen dadurch höhere Milchleistungen – das muss im Futterplan berücksichtigt werden
- Hohe Mengen an Krippenresten von 20 % müssen akzeptiert werden • Kritische Phasen sind die Startphase und die beiden letzten Trächtigkeitsmonate
- Ideal wären Leistungsgruppen während der Laktation und der letzten Trächtigkeitsmonate (Mehrlingsgeburten ➔ Trächtigkeitstoxikose)
- Die TS-Aufnahme der Ziegen ist beschränkt und lässt nur wenig Spielraum für Anpassungen der Ration
- Die Mastgitzi sollten vor Ostern ein Schlachtgewicht von 5 – 9.8 kg erreichen (bessere Preise)