Schwanzbeissen (Kannibalismus) tritt in vielen Beständen saisonal auf. Zum Beispiel führen im Herbst grosse Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht zu Stress. Zugluft und Nässe im Liegebereich, aber auch schlechte Luft erhöhen das Risiko. Klimaaufzeichnungen über mehrere Tage decken die Schwachstellen bei der Lüftung auf. Auch übermässiger Fliegenbefall und direkte Sonneneinstrahlung können Schweine nervös machen. Grossen Einfluss haben auch die Gruppengrösse und die Belegungsdichte. Überbelegung und unstrukturierte Grossgruppen führen häufiger zu Kannibalismus. Ausreichendes und verschiedenes Beschäftigungsmaterial senkt das Risiko für Kannibalismus.
Fütterung
Bei der Fütterung können viele Fehler gemacht werden. Unangepasste Futterkurven, zu tiefe Fütterungsfrequenz, falsche Futterzusammensetzung, Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen, tiefer Rohfasergehalt oder mit Mykotoxinen belastetes Futter steigern das Risiko für Kannibalismus bei Schweinen. Problematisch sind auch zu wenig Fressplätze bei rationierter Fütterung. Einwandfreies Trinkwasser zur freien Verfügung ist zwingend.
Nekrosen
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Entzündungen und Nekrosen (Absterben von Gewebe) oft der Auslöser und die Vorstufe von Kannibalismus sind. Bezeichnet werden die Symptome auch als SINS (swine inflammation and necrosis syndrom). Schuld daran sind Gefässverengungen, welche zur Minderdurchblutung in den betroffenen Körperteilen führen. Die Veränderungen zeigen sich im Bereich des Schwanzes, der Ohren, der Zitzen oder auch der Klauen, oft schon bei Saugferkeln in den ersten Lebenstagen. Sie führen bei den Schweinen zu Schmerzen und Unwohlsein und führen so zu Kannibalismus. Die Entstehung der Nekrosen ist sehr komplex und kann viele Ursachen haben, wobei Toxine im Vordergrund stehen. Es kann sich um Mykotoxine oder Endotoxine handeln. Mykotoxine gelangen über belastetes Futter oder auch über das Stroh ins Tier, werden bei den Sauen auch ins Fettgewebe eingelagert und rund um die Geburt abgebaut. Sie gelangen über das Kolostrum ins Ferkel. Endotoxine sind die Folge von verschiedenen Infektionskrankheiten. Untersuchungen haben gezeigt, dass auch die Genetik bei der Entstehung von Nekrosen eine Rolle spielen kann.
Praktische Tipps
Es ist nicht immer ganz einfach, unter der Vielzahl der möglichen Ursachen die auslösenden Faktoren zu finden und abzustellen. Rechtzeitiges Eingreifen verhindert grössere Schäden. Bewährt hat sich, den oder die «Beisser» ausfindig zu machen und zu separieren. Es ist empfehlenswert, immer ein «Notfallset» mit verschiedenem Beschäftigungsmaterial bereitzuhalten. Neues Beschäftigungsmaterial bringt Abwechslung und ist interessanter als Spielzeug, welches permanent in der Bucht hängt. Bewährt haben sich auch Brennnesseln oder Tannenzweige. Auch andere Massnahmen, die Stress oder Langeweile reduzieren, können helfen. Salz kann einmalig verabreicht werden (15 g / kg Futter). Eine antibiotische Behandlung gebissener Schweine ist nur nötig, wenn es zu einer aufsteigenden Infektion bis an den Schwanzansatz kommt.
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