Die Schweineklinik an der Vet-suisse-Fakultät der Universität Bern bemüht sich um Forschung, die dem Wohl der Schweine, aber auch den Interessen der zahlreichen Schweinehaltenden in der Schweiz dient. Dazu wurden in den letzten Jahren drei Arbeitsgruppen aufgebaut. Diese bearbeiten verschiedene Schwerpunkte, die in der Schweizer Schweineproduktion von grossem Interesse sind. Diese sind Darmgesundheit, solide Reproduktionsleistungen, die Verbesserung der Früherkennung neuer Erkrankungen sowie der glaubhafte Nachweis hoher Tiergesundheit in der Schweizer Schweinepopulation.
Darmgesundheit
Schweinedysenterie
Die Schweinedysenterie als eine der wichtigsten Darmerkrankungen in der Schweiz führt in betroffenen Beständen, insbesondere bei der Aufzucht und Mast von Schweinen, zu hohen direkten und indirekten Kosten. Hinzu kommt eine Einschränkungen des Tierwohls und der oftmals wiederholte Einsatz teils kritischer Antibiotika. Die Schweine wachsen langsamer, brauchen mehr Futter und müssen öfter behandelt werden. Das ist dauerhaft nicht hinnehmbar. Aus diesem Grund hat sich eine Arbeitsgruppe der Vetsuisse-Fa kultät intensiv mit dem Erreger, seiner Verbreitung in der Schweiz, den Risikofaktoren für die Infektion, der Diagnostik sowie der Differenzierung einzelner Stämme des Erregers auseinandergesetzt. Heute können wir die Infektion sehr gut nachweisen, kennen die in der Schweiz vorkommenden Stämme und wissen auch, dass Sanierungen nicht nur ökonomisch ein Erfolg sind, sondern auch die Zufriedenheit der Tierhalter objektiv betrachtet steigern. In weiteren Projekten werden zurzeit die Erregerreservoirs in der Schweiz gesucht, um möglicherweise auch diesen Erreger gänzlich aus der Schweizer Schweinepopulation beseitigen können.
Reproduktion
Einflussfaktoren auf den Geburtsablauf
Reproduktionsstörungen gehören zu den wirtschaftlich bedeutendsten Problemen in der modernen Schweineproduktion und sind die Hauptursache für den Abgang von Sauen in Zuchtbeständen. Insbesondere Erkrankungen nach der Geburt haben einen enormen Einfluss auf die spätere Fruchtbarkeitsleistung der Sau sowie die Ferkelgesundheit. Daher ist es für Tierhaltende wichtig, erkrankte Sauen schnell zu erkennen und früh therapeutische Massnahmen zu ergreifen, um wirtschaftlichen Verlusten vorzubeugen. Aus diesem Grund hat sich eine zweite Arbeitsgruppe intensiv mit den Einflussfaktoren auf den Geburtsablauf und die Phase nach der Geburt auseinandergesetzt. Sie untersuchten zudem einfache und praktikable Testmethoden im Bestand, um den Gesundheitszustand der Sauen besser beschreiben zu können.
Es konnte aufgezeigt werden, dass Zuchtsauen mit einer Rückenspeckdicke (vor der Geburt) von mehr als 12,5 mm häufiger eine Geburtseinleitung benötigen, und es zu verlängerter Geburtsdauer und mehr totgeborenen Ferkeln kommt. Ausserdem zeigen Sauen eine verlängerte Austreibungsphase, wenn die erste Plazenta bereits vor Geburt des letzten Ferkels abgeht. In diesem Fall sollte die Geburt sorgfältig überwacht werden. Durch eine gezielte Geburtsüberwachung und optimiertes Fütterungsmanagement kann das Abferkeln besser und erfolgreicher gestaltet werden.
Beurteilung vom Scheidenausfluss
In einer weiteren Studie wurde die Frage bearbeitet, zu welchem Zeitpunkt ein Scheidenausfluss bei der Sau untersucht werden sollte und möglicherweise auf eine Erkrankung hinweist. Es konnte gezeigt werden, dass am zweiten bis vierten Tag nach der Geburt der Scheidenausfluss bezüglich Menge, Farbe, pH-Wert und Zellgehalt am besten charakterisiert werden kann. Zu lange Geburten (>300 Min.) und manuelle Geburtshilfe führen oft zu einem vermehrten Scheidenausfluss und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Fieber. Ein klarer, weisslicher oder rotbrauner Ausfluss nach der Geburt ist normal. Ist die Farbe hingegen gelb, weist das auf einen erhöhten Gehalt an Entzündungszellen hin. Es wird empfohlen, zur Beurteilung des Gesundheitsstatus der Sau nach der Geburt nie den Scheidenausfluss als einzigen Parameter zu bewerten, denn nicht alle Sauen mit gelblichem Ausfluss sind so krank, dass sie auch behandelt werden müssen.
Weitere Projekte
In laufenden Projekten wird die physiologische (natürliche) sowie pathologische (krankhafte) Rückbildung der Gebärmutter nach der Geburt sowie der Einfluss von Natursprung im Vergleich zur künstlichen Besamung auf die Fruchtbarkeitsleistung von Zuchtsauen untersucht. Ausserdem werden weitere diagnostische Tests zur Beurteilung der Gebärmutter sowie des Gesäuges der Sau erarbeitet.
Ausblick
Daten vernetzen
Die dritte Arbeitsgruppe beschäftigt sich zurzeit mit Datenbanken und der digitalen Transformation in der Schweinemedizin. So wurde zum Bespiel im Projekt «PIG DATA» untersucht, welche neuen Informationen generiert werden können, wenn verschiedene Datenquellen aus der Schweineproduktion miteinander vernetzt werden. Daten von Tierärzten, Tierhaltenden, Vermarktung, Futtermittelindustrie und Schlachtung wurden in einem virtuellen Datenspeicher zusammengeführt und kontinuierlich analysiert. Dies erlaubte die Identifikation von zeitlichen und räumlichen Mustern, Zusammenhängen und Abhängigkeiten, die einen Einfluss auf die Schweineproduktion haben. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass ein langer Transport von Schlachtschweinen mit einer kontinuierlichen Verminderung des Schlachtgewichts und mehr Beanstandungen der Schlachtkörper durch Spuren von Rangkämpfen in Verbindung steht. Ausserdem konnte gezeigt werden, dass sich durch den gemeinsamen Transport von Schweinen aus verschiedenen Beständen für unterschiedliche Empfänger die Gefahr einer Ausbreitung von Tierseuchen in der Schweiz verdoppelt.
Digitale Erfassung für Tierärzte
Im Projekt «Pig Health Info System», das 2019 gestartet wurde, geht es um die Entwicklung einer Anwendung für Smartphones und Tablets, die es den Tierärzten ermöglicht, während einer Bestandsuntersuchung ihre Befunde digital und strukturiert mit einem Smartphone zu erfassen. Sie soll die Tierärzte bei der Befunddokumentation unterstützen und damit auch deren Dienstleistung für den Schweinehalter verbessern. Die anschliessende Analyse der Daten soll das Gesundheitsmonitoring optimieren, der Früherkennung von Krankheiten dienen und damit die Tiergesundheit in Schweizer Schweinebeständen fördern.