In den EU-Tierschutzrichtlinien und in der Deutschen Tierschutzverordnung finden sich keine detaillierten Regelungen zur Haltung von Rindern, die älter als sechs Monate sind. Somit ist ein Vergleich im Bereich der Milchviehhaltung zwischen den Schweizer Haltungsvorschriften und den ausländischen Vorschriften im konkreten Fall mit Abmessungen, Flächenangaben, etc. nicht möglich. Deshalb wird in diesem Teil der Serie mehr auf die unterschiedliche Fütterung, Weidehaltung sowie die verschiedenen Haltungsformen eingegangen. Weiter wird ein kurzer Exkurs zum umstrittenen Thema des Schächtens gemacht.
Käse und Co.
Die Schweiz ist das Land der Kühe, des Käses und der Schokolade. Weidende Kühe nehmen eine wichtige Rolle im Landschaftsbild der Schweiz ein. Die Milchproduktion ist der wichtigste Sektor der Schweizer Landwirtschaft, er macht rund 20 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Erzeugung aus. Mit gut 21 000 Milchproduzenten, wird auf mehr als 40 Prozent der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe Milch produziert.
Viel Weidehaltung
Mehr als 70 Prozent der Schweizer Milchproduzenten hielten 2015 ihre Kühe in Anbindeställen. Wird jedoch die Anzahl der Milchkühe betrachtet, sieht das bereits etwas anders aus: nur noch 55 Prozent aller Milchkühe werden in Anbindeställen gehalten. Dieser Unterschied entsteht dadurch, dass die Tierbestände in den Anbindeställen oft kleiner sind als in Laufställen. In der Schweiz müssen Rinder in Anbindehaltung laut Tierschutzverordnung in der Vegetationsperiode während 60 Tagen und in der Winterfütterung während 30 Tagen Auslauf erhalten. In der Laufstallhaltung muss jede Kuh einen weichen, eingestreuten Liegeplatz zur Verfügung haben, Überbelegungen sind nicht erlaubt. Zu Boxengrösse, Fressplatz, Laufgängen und Abkalbeboxen, etc. gibt es in der Schweizer Tierschutzverordnung detaillierte Vorgaben.
Die Haltung in Laufställen wird durch die Tierwohl-Beiträge BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) gefördert. Die Beteiligung am Programm steigt jährlich an.
Nebst dem BTS-Programm, das 1996 eingeführt wurde, gibt es bereits seit 1993 das Tierwohlprogramm RAUS (regelmässiger Auslauf). Die Beteiligung ist bei diesem Programm noch grösser: Mehr als 83 Prozent der Schweizer Milchkühe haben im Sommer regelmässigen Zugang zur Weide und im Winter Zugang zu einem Laufhof. Rund 110 000 Milchkühe (rund 1/5 der Schweizer Milchkühe) verbringen die Sommermonate auf der Alp.
Exkurs Schlachtung
Die Milchproduktion ist immer an die Fleischproduktion gekoppelt. Sei dies direkt durch die Abgänge in der Milchviehherde, oder indirekt durch die (männlichen) Nachkommen, die in die Mast gelangen.
In der Schweiz ist klar geregelt, dass Wirbeltiere vor dem Töten/Entbluten wirksam betäubt werden müssen. Sei dies mit einem Bolzenschussgerät, mit einer Elektrozange oder im CO2-Bad – für jede Tierkategorie sind die erlaubten, geeigneten Methoden in der Tierschutzverordnung festgelegt. Damit ist das Schächten von Tieren in der Schweiz nicht erlaubt – bereits seit mehr als 125 Jahren. Die einzige Ausnahme bildet dabei das Geflügel. Es muss grundsätzlich auch betäubt werden, jedoch sind Ausnahmen bei rituellen Schlachtungen erlaubt. Zudem ist es erlaubt, koscheres und Halal-Fleisch zu importieren – der Bund gewährt jährliche Zollkontingente zu diesem Zweck.
In Deutschland müssen Wirbeltiere vor dem Töten auch betäubt werden. Jedoch sind Ausnahmegenehmigungen für Schlachtbetriebe möglich, die den Bedürfnissen bestimmter Religionsgemeinschaften nachkommen. Diese Regelung gilt für weitere europäische Länder, einzig in Schweden, Norwegen, Island, Dänemark und in den Niederlanden ist das Schächten verboten.
Deutschland: Kleine Betriebe mit Anbindehaltung
In Deutschland bietet sich ein ähnliches Bild der Haltungssysteme: 2010 hielten 63 Prozent der Betriebe ihre Kühe in Anbindeställen, in absoluten Milchkuhzahlen waren es jedoch nur noch gut 27 Prozent.
Der grosse Unterschied zur Schweiz ist, dass Kühe in deutschen Anbindehaltungen keinen Auslauf haben müssen.
Milch aus viel Grundfutter
Dadurch, dass die Schweiz topographisch gesehen ein Grasland ist, liegt der Grundfutteranteil der Milchviehrationen überdurchschnittlich hoch. Fast 98 Prozent des Grundfutters stammen aus der Schweiz. Wird das Kraftfutter miteinbezogen, liegt die Inlandversorgung der Schweizer Tierhaltung immer noch bei 86 Prozent. Seit vier Jahren wird der Grundfutteranteil durch die Produktionssystembeiträge der «Graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion» (GMF) weiter gefördert.
Das Programm begrenzt den Kraftfutteranteil der Ration auf zehn Prozent und legt einen Wiesen- und Weidefutter-Anteil von 75 Prozent für Talbetriebe fest (Bergebiet 85 Prozent). Dadurch wird zusätzlich der Einsatz von Mais und Saftfutter eingeschränkt. Die Beteiligung am Programm war von Beginn weg sehr hoch – bereits im ersten Jahr nahmen weit über 80 Prozent der Verkehrsmilchbetriebe am Programm teil. Eine aktuelle Auswertung, die Agroscope im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft durchführte zeigt auf, dass 50 Prozent der teilnehmenden Verkehrsmilch-Betriebe bereits vor Programmstart die Auflagen von GMF erfüllten.
Durchschnittlich werden pro Kilogramm Milch weniger als 150 g Kraftfutter eingesetzt. Grundfutterleistungen von rund 6000 kg Milch sind bei guter Grundfutterqualität problemlos möglich. Interne Auswertungen der UFA im Rahmen des UFA Herd Support (155 Betriebe) ergaben im 2016 – bei unterdurchschnittlicher Grundfutterqualität – Grundfutterleistungen von 6800 kg Milch. Diese Betriebe erreichen eine sehr hohe Grundfutterleistung unter anderem auch dank idealer Ergänzung des Grundfutters. An der Landwirtschaftlichen Schule Plantahof erreichte die Raufutterherde in den Versuchsjahren 2003 – 2007 gar eine Leistung von über 8000 kg Milch – ohne Kraftfutter.
Gemäss Zahlen des Bundesamtes für Statistik und swissmilk liegt der Kraftfuttereinsatz in der Schweiz bei rund 800 kg pro Milchkuh und Jahr. In der EU dürfte er 2000 – 2500 kg/ Kuh/Jahr erreichen.
Die Deutschen Zielwerte liegen bei 250 g Kraftfutter/kg Milch und 3000 – 4000 kg Grundfutterleistung. Damit wird verdeutlicht, dass die Schweizer Milchproduzenten dem Grasland Schweiz Rechnung tragen und das Optimum aus topografischen und klimatischen Gegebenheiten herausholen.
Ein weitere Pluspunkt der Schweizer Milch ist die GVO-freie Produktion: Milch wird zu 100 Prozent aus GVOfreien Futtermitteln produziert. In Deutschland sind nur zwölf Prozent der abgelieferten Rohmilch GVOfrei. Die deutschen Landwirte erhalten für die GVO-freie Milch einen höheren Milchpreis (Ø +3 Cent).
Fazit
Ein direkter Tierschutzvergleich zwischen Deutschland und den EU-Richtlinien ist in der Milchviehhaltung nicht möglich, da nur in der Schweiz spezifische Tierschutzvorschriften vorhanden sind. Deutschland und die EU-Richtlinien regeln innerhalb der Rinderhaltung ausschliesslich die Kategorie der Kälber (bis zum Alter von 6 Monaten).
Bezüglich der Haltungsformen gibt es keine grossen Unterschiede – in der Schweiz und in Deutschland werden Milchkühe in Laufställen und Anbindeställen gehalten. Dabei ist der Unterschied bei der Anbindehaltung der regelmässige Auslauf, den alle Schweizer Kühe geniessen können. Weiter profitiert ein sehr grosser Teil der Milchkühe von den Tierwohlprogrammen BTS (45.8 %) und RAUS (83.3%). Beide Programme erfreuen sich an weiterem Zuwachs.
Bei der Fütterung unterscheiden sich die beiden Länder grösstenteils durch den Einsatz von Kraftfutter. In Deutschland liegt dieser klar höher als in der Schweiz. Viele Schweizer Betriebe beteiligen sich an der GMF, die den Raufutteranteil festlegt und den Kraftfuttereinsatz einschränkt.