Seit dem 7. September 2021 ist es in der EU wieder erlaubt, «verarbeitetes tierisches Protein» von Schweinen an Geflügel zu verfüttern und umgekehrt Protein auf Geflügelbasis an Schweine. Ausserdem dürfen Proteine von Insekten ausser an Fische neu auch an Schweine und Geflügel verfüttert werden. Gleichzeitig wurde die Verfütterung von Wiederkäuerkollagen an «Nichtwiederkäuer» zugelassen. Weiterhin verboten bleibt die Verfütterung von tierischen Proteinen an Wiederkäuer.
Für die Herstellung von «futtertauglichen» Proteinen dürfen ausschliesslich sichere tierische Nebenprodukte verwendet werden, die im Rahmen der Gewinnung oder Verarbeitung von Lebensmitteln anfallen. «Tiermehle» aus risikoreichen Materialien müssen auch künftig verbrannt werden.
Potenzial für die Praxis?
Zur Gewährleistung der «Sortenreinheit» der Proteine und Vermeidung von Kreuzkontaminationen gelten strenge Anforderungen an die Trennung der Produktionsketten nach Tierarten. Sie betreffen alle Stufen von der Gewinnung des Rohmaterials in Lebensmittelbetrieben über die Verarbeitung der Proteine, die Futtermittelbetriebe, die Transportlogistik bis zur Verfütterungspraxis in den Tierhaltungen. So dürfen zum Beispiel Tierhaltende, die schweineproteinhaltige Futtermittel an Geflügel verfüttern möchten, grundsätzlich weder Wiederkäuer noch Schweine halten.
Diese strikten Auflagen sind aus fachlicher Sicht gerechtfertigt: Das Ziel der sinnvollen Wiederverwertung darf unter keinen Umständen dazu führen, dass Wiederkäuer für sie verbotene tierische Proteine aufnehmen. Dies würde die Bemühungen zum Schutz des Konsumenten vor BSEtypischen Prionen untergraben, die auch für den Menschen gefährlich sein können. Zudem würde es den BSE-Status «vernachlässigbares Risiko» gefährden, welcher der Schweiz im Mai 2015 nach 25 Jahren Bekämpfung vom Welttierseuchenamt wieder anerkannt worden ist.
Wie schnell und in welchem Umfang die verschiedenen neuen Möglichkeiten tatsächlich genutzt werden, hängt aber auch von weiteren Faktoren ab. Dazu gehören die Verfügbarkeit von (günstigen) alternativen Proteinquellen und auch die Akzeptanz der Produzenten, Verarbeiter und Konsumenten.
Was macht die Schweiz?
Im Rahmen der bilateralen Verträge wird die Schweiz die in der EU geänderten Bestimmungen ebenfalls umsetzen. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV bereitet aktuell die dafür notwendige Revision der Verordnung über tierische Nebenprodukte (VTNP, SR 916,441,11) vor. Parallel dazu werden in zwei Arbeitsgruppen mit Vertretern aus Ämtern, Vollzugsbehörden und betroffenen Branchen Fragen zur Umsetzung besprochen.
Für die gleichzeitige Haltung von mehreren Tierarten, für welche die jeweiligen tierischen Proteine und Futtermittel nicht zugelassen sind, sollen unter strengen Auflagen Ausnahmen vorgesehen werden.
Bis der Bundesrat über die Inkraftsetzung der neuen Möglichkeiten in der Schweiz entscheiden kann, wird aus verfahrenstechnischen Gründen noch einige Zeit vergehen. Die öffentliche Vernehmlassung ist für 2023 geplant, in Kraft treten werden die neuen Bestimmungen frühestens am 1.1.2024.
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