Die Schweiz nimmt in vielen Bereichen der Tierhaltung eine Vorreiterrolle ein – so auch in der Schweinehaltung. Schweizer Sauen ferkeln bereits seit mehr als zehn Jahren frei ab und seit 2010 werden die männlichen Ferkel unter Narkose und Schmerzausschaltung kastriert. Für Letzteres wird ein Sachkundeausweis benötigt, damit der Betriebsleiter die Arbeit selbst durchführen darf.
Gruppenhaltung von Sauen
Doch auch in anderen Bereichen der Schweinhaltung haben die Schweizer Landwirte einen Vorsprung. Tragende Sauen müssen in der Schweiz und in den EU-Staaten gemäss den entsprechenden Tierschutz ver ord nun-gen/-richtlinien in Gruppen gehalten werden. Schweizer Zuchtsauen können während der Deckzeit während höchstens zehn Tagen in Kastenständen gehalten werden, danach werden sie in Gruppen eingegliedert. In der EU ist die Gruppenhaltung ebenfalls vorgeschrieben, die Sauen können aber noch vier Wochen nach der Belegung in Kastenständen einzeln gehalten werden.
EU – Ferkelschutzkäfige während Säugedauer
Rund eine Woche vor dem voraussichtlichen Geburtstermin werden die Sauen von der Gruppenhaltung im Galtsauenstall in den Abferkelstall gebracht – das ist in der Schweiz und im Ausland ähnlich. In der EU werden die Sauen im Abferkelstall jedoch in die sogenannten Ferkelschutzkäfige aufgestallt. In diesen sind die Sauen, ähnlich wie in einem Kastenstand, fixiert, damit die Gefahr sinkt, dass die Sauen ihre Ferkel beim Hinlegen erdrücken. Dieses System wird in der EU während der gesamten Säugedauer angewendet.
Bezüglich der Grösse der Kastenstände und der Ferkelschutzkäfige gibt es keine detaillierten Angaben. In der Deutschen Tierschutzverordnung ist einzig definiert, dass sich die Sauen nicht verletzen dürfen, dass sie ungehindert aufstehen, sowie sich hinlegen können und dabei den Kopf und in Seitenlage zusätzlich die Gliedmassen ausstrecken können. Betreffend Beschäftigungsmöglichkeiten müssen Sauenhalter aus der EU den Sauen eine Woche vor dem Abferkeltermin ausreichend Stroh oder anderes Nestbaumaterial zur Verfügung stellen – sofern das Aufstallungssystem den Einsatz zulässt.
CH – freies Abferkeln
In der Schweiz ferkeln Sauen grundsätzlich frei ab. Nur in Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit die Sauen während der Geburtsphase zu fixieren. Der Tierhalter muss dazu jedoch exakte Aufzeichnungen führen, bei denen festgehalten wird, welches Tier aus welchem Grund während der Geburt fixiert werden musste (Bösartigkeit gegen Ferkel, Gliedmassenprobleme). Im Anschluss können sich aber auch diese Sauen frei in der Abferkelbucht bewegen. Den Sauen muss zudem einige Tage vor dem Abferkeln ausreichend Langstroh zum Nestbau zur Verfügung stehen, in der Säugezeit ist ausreichend Einstreu in die Bucht zu geben.
Rund 70 Prozent der Schweizer Sauen, die nicht säugend sind, wurden im Jahr 2015 zusätzlich nach den Anforderungen BTS und RAUS gehalten. Das bedeutet, dass nicht laktierende Sauen unter anderem ständig einen eingestreuten Liegebereich (ohne Perforierung), sowie Zugang zu einem Aussenbereich zur Verfügung haben. Bei den säugenden Sauen ist die Beteiligung am BTS-Programm ähnlich hoch, jedoch erhalten nur rund fünf Prozent der laktierenden Sauen Zugang zu einem Aussenbereich (RAUS).
Andere Dimensionen
Im Ausland nimmt die Ferkelproduktion oft grosse Dimensionen an: In Deutschland werden durchschnittlich mehr als 220 Sauen pro Betrieb gehalten. In den Niederlanden sind dies gar mehr als das Doppelte, in Dänemark lag der durchschnittliche Sauenbestand bei knapp 550 Sauen pro Betrieb. In der Schweiz sieht dies etwas anders aus: 2016 hielten 2424 Betriebe insgesamt 119 635 Sauen, daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Bestand von 50 Sauen pro Betrieb. Weiter wird durch die Höchstbestandesverordnung der Sauenbestand auf 250 Zuchtsauen begrenzt. Im Ausland existieren solche Begrenzungen nicht.
Gesunde Bestände
Der Gesundheitsstatus der Schweizer Nutztiere befindet sich auf einem hohen Niveau. Die Schweiz ist beispielsweise frei vom Porcines reproduktives und respiratorisches Syndrom (PRRS), von der Aujeszkysche Krankheit und von Enzootische Pneumonie (EP). In Deutschland sind PRRS und EP weit verbreitet, die meisten Betriebe impfen ihre Tiere gegen die Krankheiten, in der Schweiz sind keine Impfstoffe für diese Erreger zugelassen. Durch aufwendige Sanierungsprogramme und ständige Überwachung kommen hochansteckende und weitere, wirtschaftlich bedeutende Tierseuchen kaum oder gar nicht mehr vor. Auch züchterisch wird in der Schweiz auf die Tiergesundheit geachtet: Die Schweizer Mutterlinien sind beinahe ausnahmslos resistent gegen den E. Coli-Stamm F18, der die Ödemkrankheit auslöst bei Ferkeln. Dadurch konnten die Tierverluste und der Antibiotikaeinsatz in der Schweinehaltung weiter gesenkt werden.
Kastrieren und kupieren
Männliche Schweine werden kastriert, damit ihr Fleisch genusstauglich wird. Das Kastrieren ohne Betäubung und Schmerzausschaltung ist in der Schweiz seit 2010 verboten. Verschiedene Alternativen wurden getestet, durchgesetzt hat sich die Inhalationsnarkose mit Isofluran in Kombination mit einer vorhergehenden Schmerzausschaltung. Damit die Kastration im eigenen Bestand durchgeführt werden darf, muss der Tierhalter einen Sachkundenachweis erbringen, weiter wird der Eingriff mit dem Tierarzt geübt.
In Deutschland werden Ferkel bis zum achten Lebenstag aktuell noch ohne Betäubung und Schmerzausschaltung kastriert, dies wird jedoch im Jahr 2019 verboten. Ähnlich wie in der Schweiz werden die Systeme Kastration unter Schmerzausschaltung, Impfung gegen den Ebergeruch und die Ebermast diskutiert. Eine Lösung/Tendenz zeichnet sich aktuell noch nicht klar ab. Die Lage der europäischen Länder beim Kastrieren ist sehr heterogen. Einige Länder (Norwegen, Schweden) betäuben ihre männlichen Ferkel, andere Länder setzen auf Schmerzmittel (Österreich, Frankreich, Dänemark) oder Ebermast (Grossbritannien, Spanien, Niederlande), aber auch das Kastrieren ohne Betäubung und Schmerzausschaltung ist noch verbreitet (Tschechien, Slowakei, Estland, Litauen, Slowenien, Ungarn und Polen). Das Kupieren von Schwänzen in den ersten Lebenstagen ist im Ausland ebenfalls weit verbreitet. In der Schweiz ist dies verboten.
Das Ausland macht Fortschritte
Dass im Ausland aktuell viel passiert im Bereich des Tierwohls ist deutlich spürbar. Besonders Deutschland startete mit der Initiative Tierwohl eine Offensive: Mehr Platz, Beschäftigung, Klimakontrollen und organisches Nestbaumaterial sind einige der Massnahmen, die in der Sauenhaltung mit Beiträgen gefördert werden. Aktuell werden 12 Prozent der Deutschen Schweine unter diesem Label gehalten, ab 2018 sollen es bereits 20 Prozent des Bestands sein.
Mit der Umsetzung dieser Massnahmen kommen die deutschen Sauenhalter relativ nahe an die Schweizer Standards der Tierhaltung ran.