Während der Winterzeit steht auf einem pferdegerechten Futterplan Heu an oberster Stelle. Gutes Pferdeheu vom ersten Schnitt besteht zu ungefähr einem Viertel aus Rohfaser und zu einem Zehntel aus Eiweiss. Der Anteil leicht fermentierbarer Kohlenhydrate (Stärke, Zucker und Fruktan) liegt in der Regel zwischen 10 und 20 Prozent. Das bedeutet, dass die Nahrungsgrundlage der Darmbakterien während des Winters im Normalfall recht stabil und ausgeglichen ist. Im Mikrobiom des Pferdes im Dickdarm stellt sich ein Gleichgewicht ein, das an dieses Nahrungs angebot angepasst ist. Mit dem Wechsel auf die Weide gerät dieses Gleichgewicht ins Wanken. Nebst den starken optischen Unterschieden (viel kürzer, feiner und tiefgrün) ist bei jungem Weidegras auch der Gehalt an Eiweiss und Kohlenhydraten deutlich höher als im Heu, während der Rohfaseranteil deutlich geringer ist.
Da Gras lebendig ist und auf Umwelteinflüsse reagiert, kann sein Nährstoffgehalt auch stark schwanken: Witterung, Sonneneinstrahlung und Intensität der Beweidung können insbesondere auf den Fruktangehalt im Weidegras einen starken Einfluss nehmen (siehe Kasten).
Abrupter Wechsel bringt Darm aus der Balance
Ein optimales Grundfutter stellt das junge Grün im Frühjahr aufgrund seiner Nährstoffzusammensetzung noch nicht dar. Ein plötzliches Umstellen von Heu auf Weidegras bringt den Darm des Pferdes gefährlich aus der Balance. Wenn Pferde von heute auf morgen für mehrere Stunden auf der saftigen Wiese stehen, drohen im schlimmsten Fall Koliken, Durchfall und ein Übersäuern des Dickdarms. Das liegt daran, dass Kohlenhydrate und Eiweisse, die in grossen Mengen unverdaut in den Dickdarm gelangen, die Zusammensetzung der Darmflora verändern. Beim Abbau entstehen mehr Säuren (aus dem mikrobiellen Kohlenhydratabbau) und Gase (aus Kohlenhydrat- und Eiweissabbau) als üblich, die das Gleichgewicht im Darm ebenfalls stören.
Weidezeit schrittweise steigern
Häufig müssen Pferdebesitzer das Anweiden ihrer Pferde selbst in die Hand nehmen. Im Pensionsstall gibt es meist nur ein Datum, zu dem die Weidezeit startet – oftmals beginnend mit einer vollen Stunde oder sogar mehreren Stunden Weidegang. Daher empfiehlt sich, bereits einige Wochen vor Weidebeginn mit dem Angrasen an der Hand zu beginnen und die Weidezeit schrittweise zu verlängern. In den ersten zwei bis drei Tagen beginnt man mit je nur fünf Minuten. Weitere zwei Tage lässt man das Pferd während zehn Minuten grasen. Ungefähr eine Woche nach Beginn des Angrasens ist man so bei 15 bis 20 Minuten angelangt und kann das Pferd in der zweiten Woche bereits 30 Minuten am Tag grasen lassen. Optimalerweise teilt man die Zeitspanne zu Beginn auf zweimal täglich auf – das entlastet den Dickdarm zusätzlich.
Farb- und leichte Kotkonsistenzabweichungen sind normal. Andere Veränderungen (Kot verliert die Form, Durchfall) deuten auf ein zu schnelles Steigern der täglichen Grasaufnahme hin. Dann sollte man zu der Zeitspanne zurückkehren, bei der der Darm noch im Lot war und erst am übernächsten Tag wieder um fünf Minuten steigern.
Was ist eigentlich Fruktan?
Fruktane sind Ketten von Fructosemolekülen. Diese langkettigen Zuckermoleküle sind eine Speicherform von Zucker in der Pflanze. Der Zucker dient als Energie und lässt die Pflanzen wachsen. Ist bei bestimmten Wetterbedingungen kein Wachstum der Pflanze möglich, speichert sie den Zucker in Form von Fruktan.
Fruktan in Gräsern steht im Verdacht, sich negativ auf den Stoffwechsel von Pferden auszuwirken. Es gibt mehrere Arten von Fruktan und es ist nach aktuellen Erkenntnissen nicht klar, ob alle Fruktane die gleichen Risiken bergen. Einer Theorie nach führt eine bestimmte Art zu Weideassoziierten Hufrehen. Weiterer Forschungsbedarf ist hier gegeben, um die Risiken besser einschätzen zu können. Der Gehalt an Fruktan in der Pflanze ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig:
Pflanzenart
Der Fruktangehalt auf europäischen Pferdeweiden variiert stark. Vor allem Italienisches und Englisches Raigras enthalten viel Fruktan. Für die Pferdefütterung besser geeignet wären fruktanarme Gräser wie Timothe, Rotschwingel und Wiesenfuchsschwanz.
Tages- und Jahreszeit
Höhere Fruktanwerte im Frühjahr und Herbst.
Vegetationsperiode
Während der Bildung von Blüten und Samen kommt es zu einer Abnahme der Fruktangehalte.
Klima
Der Fruktangehalt ist abhängig von Temperatur (Frostnächte, gefolgt von sonnigen Tagen), Lichtintensität (durch intensive Sonne wird Fruktan in der Pflanze abgebaut) und Regenintensität. Wird das Wachstum der Pflanze durch zu wenig Regen, zu wenig Sonne oder zu kalte Temperaturen gehemmt, steigt der Gehalt an Fruktan im Gras.
Weidemanagement
Intensives Düngen und Nutzen der Weiden führen zu einer Abnahme des Fruktangehaltes im Gras.
Darmflora durch Rohfaserprodukte stabilisieren
Während des Anweidens sollten Pferde genauso viel Heu zu fressen bekommen, wie im Winter während der Stallzeit. Um eine ungezügelte Grasaufnahme zu vermeiden, sollte man Pferde niemals hungrig auf das junge Grün lassen. Vereinzelt kommt es vor, dass Pensionsställe ohne Ankündigung mit mehrstündigem Weidegang beginnen. Gleichzeitig verringern sie vielleicht sogar die Heumenge oder lassen das Heu direkt weg. Diese Vorgehensweise ist gefährlich und dennoch sind Pferdebesitzern häufig die Hände gebunden, wenn der Stall ein solches Vorgehen praktiziert.
Sofern es gar keine Möglichkeit gibt, das Pferd langsam an das junge Gras heranzuführen, kann ein Ergänzen hochwertiger Rohfaserprodukte die Darmflora zumindest ein wenig stabilisieren. Am besten eignet sich Heu – wenn dieses nicht verfügbar ist, sind Heuersatzprodukte eine gute Alternative.
Nicht jedes Pferd kann bedenkenlos auf die Weide
Auch nach gründlichem Anweiden ist Weidegang nicht für alle Pferde sicher: Insbesondere Ponys sind aufgrund ihrer Neigung zu einer Insulinresistenz und ihrer gierigen Futteraufnahme gefährdet, durch die Aufnahme von fruktanreichem Weidegras an Hufrehe zu erkranken. Für Pferde mit Hufrehe ist Weidegang deshalb tabu. Pferde, die anfällig auf Hufrehe sind, sollten insbesondere bei Übergewicht nur auf rationierten Portionsweiden oder mit Fressbremsen grasen. Auch hier gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht.