Eine Euterentzündung ist eine der weltweit häufigsten und wirtschaftlich bedeutendsten Erkrankungen in Milchviehbetrieben. Entsprechend sind gesunde Euter ein wesentlicher Faktor für eine produktive, profitable und gesunde Kuhherde. Gemäss den Zahlen der Zuchtverbände, blieb die durchschnittliche Zellzahl der einzelnen Kuh in den letzten 15 Jahren konstant und minimale Rassenunterschiede sind ersichtlich. Gemäss Swissmilk werden auf Niveau der abgelieferten Milch etwa drei Prozent der entnommenen Tankmilchproben beanstandet (enthalten mehr als 350 000 Zellen / ml Milch). Der Durchschnittswert aller eingesandten Proben im Jahr 2017 lag bei 130 000 Zellen / ml Milch. Die hochgerechneten Kosten pro Jahr für Euterentzündungen in der Schweiz wurden 2010 auf 129,4 Millionen Franken geschätzt. Die Eutergesundheit – ein Thema das uns fordert und täglich beschäftigt.
Tierärztliche Bestandesbetreuung
Die Grafik zeigt die beiden primären Kennzahlen eines Betriebes mit 40 Holstein-Kühen. Der Betriebsbesuch durch die Tierärztliche Bestandesbetreuung wurde im September 2020 durchgeführt. Neben der Korrektur der Fütterung wurde im Melkstand Kriechstrom gefunden und korrigiert. Die Kühe reagierten erfreulicherweise relativ schnell auf die gemachten Anpassungen. Die Kombination und die Berücksichtigung des Zusammenspiels von Melktechnik, Melkarbeit, Betriebsmanagement und Fütterung sind von entscheidender Relevanz, wenn Betriebe mit Euterproblemen abgeklärt werden.
Die Eutergesundheit ist ein vielschichtiges System mit vielen verschiedenen Einflussfaktoren. Die tierärztliche Bestandesbetreuung tbb (www.tbb-rind.ch) bietet bei Bedarf eine betriebsindividuelle und kontinuierliche Evaluation von den jeweiligen Risikofaktoren an. In Abhängigkeit von der betriebsspezifischen Situation mit dem Ziel einer nachhaltigen Verbesserung respektive Stabilisierung der Eutergesundheit wird mit dem Betrieb gearbeitet.
Was ist eine Euterentzündung?
Eine Euterentzündung (Mastitis) entsteht, wenn Erreger ins Eutergewebe eindringen und dabei das Abwehrsystem aktivieren. Der Zitzenkanal als Barriere soll die Bakterien fernhalten. Bleibt dieser aber offen, was typischerweise für 30 Minuten nach dem Melken der Fall ist, können Erreger ins Euter eindringen. Aber auch Veränderungen der Strichkanalöffnung, zum Beispiel durch eine Verletzung oder eine Hyperkeratose, verursachen, dass der Kanal offen bleibt. Gemäss neueren Studien wird die Öffnungszeit des Strichkanals nach dem Melken von der Kuh und dem Melksystem beeinflusst. Entsprechend sind die 30 Minuten nicht für alle Kühe gültig. Meistens werden diese Erreger beim nächsten Melken mit der Milch wieder ausgespült oder von den Abwehrzellen im Euter unbemerkt beseitigt. Ist die Abwehr zu schwach, beziehungsweise die Bakterien sind zu stark oder zu zahlreich, kommt es zu einer Entzündung.
Die Zellzahl sagt, wie viele Zellen/ml Milch enthalten sind. Milch enthält immer eine gewisse Menge abgestossener Euter- und Abwehrzellen. Bei einem gesunden Euter hat sie weniger als 100 000 Zellen / ml.
Subklinisch und klinisch
Unterschieden wird zwischen subklinischen und klinischen Mastitiden. Bei der subklinischen Form erscheinen Milch und Euter äusserlich unverändert. Aber das Immunsystem reagiert mit einer Erhöhung der Abwehrzellen im Euter.
Bei einer klinischen Mastitis wird die Entzündung durch Veränderungen in der Milch sichtbar. Zudem kann der Allgemeinzustand der Kuh verschlechtert bis stark reduziert sein. Die Diagnostik der Erreger wird mittels bakteriologischer Untersuchung durchgeführt. Aufgrund dieser können die Keime in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden (siehe Tabelle 2).Hefen und Schimmelpilze sind überall in der Umwelt der Kühe verbreitet und finden sich deswegen auch auf Euter- und Zitzenhaut. Häufig kommt es zu einer Infektion mit Hefen während respektive nach einer antibiotischen Behandlung, welche unsachgemäss und ohne adäquate Reinigung der Zitze durchgeführt wurde.
Mangelhafte Reinigung und Desinfektion der Melkanlage scheinen auch zu einem erhöhten Risiko von Hefeninfektionen zu führen. Schimmelpilze kommen in grossen Mengen in der Einstreu von Liegeboxen vor. Bei einer Infektion mit Hefen ist eine Selbstheilung möglich. Es muss aber berücksichtigt werden, dass infizierte Tiere die Hefen über Wochen bis Monate ausscheiden und deshalb immer zum Schluss gemolken werden sollten. Hefen, Schimmelpilze und auch Mykoplasmen müssen bei einer bakteriologischen Untersuchung der Milch separat angefragt werden, da sie auf den routinemässig verwendeten Medien nicht wachsen.
Zielwerte
Zur Interpretation der monatlichen Milchkontrolle dienen die Kennzahlen in Tabelle 1 mit den betriebsspezifischen Zielwerten. Diese sind ein wichtiger Bestandteil der tierärztlichen Bestandesbetreuung und dienen zur Überwachung der Eutergesundheit auf Herdenebene. Je nach Leitkeim sehen die Kennzahlen sehr unterschiedlich aus. Entsprechend kann anhand der Kennzahlen eine erste Verdachtsdiagnose gestellt werden und entsprechende Risikofaktoren können eruiert, überprüft und korrigiert werden.
Wirtschaftlichkeit
Es gibt viele verschiedene Berechnungsmodelle, welche die Kosten für klinische Euterentzündungen schätzen. Je nach Laktationsstadium betragen sie zwischen 150 bis 250 Franken (ohne Berechnung der zusätzlichen Arbeit für den Landwirt). Die berechneten durchschnittlichen Eutergesundheitskosten pro Milchkuh in der Schweiz im Jahr 2010 lag bei 209 Franken.
Tabelle 3 gibt Anhaltspunkte darüber, wie hoch der Milchverlust bei erhöhten Zellzahlen ist, wodurch mit dem Milchpreis die Kosten berechnet werden können.
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