Die im Sommer regional sehr lang andauernde Trockenheit und die zahlreichen Tage mit Temperaturen über 30 Grad setzten vielen Kartoffelbeständen zu, besonders in der Westschweiz. Die regionalen Wasserentnahmeverbote verschlimmerten die Situation zusätzlich. Da viele Bestände rasch abreiften, wurde mit der Frites-Verarbeitung und der Einlagerung von Speisesorten ein bis zwei Wochen früher gestartet als gewöhnlich. Aufgrund der tiefen Knollenzahl je Staude sind die Kaliber verbreitet grossfallend und die Raclettes-Anteile tief. Die grösseren Knollen vermögen jedoch den Minderertrag nicht zu kompensieren. Die inneren und äusseren Qualitäten sind erfreulich, und es sind wenig Mängel festzustellen. Regional werden jedoch tiefe Stärkewerte gemessen und die Streuung bei den Backfarben ist gross.
Die Kartoffeln im Bio-Anbau profitierten vom witterungsbedingt tiefen Krautfäuledruck. Es dürfen daher überdurchschnittlich gute Erträge und schöne Qualitäten erwartet werden.
Lagerung
Die hohe Wärmesumme dieses Sommers hat die physiologische Alterung der Kartoffeln stark fortschreiten lassen. Daher ist zu erwarten, dass die Kartoffeln früher aus der Dormanz erwachen und auskeimen werden, was unter den aktuell zugelassenen Keimhemmmitteln eine grosse Herausforderung für die Langzeitlagerung ab Januar darstellen wird.
Das physiologische Alter der Kartoffeln ist aufgrund des heissen Sommers weiter fortgeschritten.
Versorgungssituation
Basierend auf den nationalen Ertragserhebungen von Swisspatat ist bei den Speisesorten mit durchschnittlich 10 bis 20 Prozent und bei den Veredelungssorten mit 20 bis 30 Prozent tieferen Hektarerträgen im Vergleich zum Mittel der letzten Jahre zu rechnen.
Folglich kann die Versorgung mit Inlandware nicht sichergestellt werden, und Ergänzungsimporte werden nötig sein. Im aktuellen europäischen Umfeld wird dies eine grössere Herausforderung darstellen als in der Vergangenheit.
Angepasste Übernahmebedingungen
Um ein Maximum aus der Ernte herauszuholen, wurde bei den Chips-Sorten die untere Kalibergrenze auf 40 mm gesenkt. Bei sämtlichen Veredelungssorten wurde die Gesamttoleranz für die Annahmeverweigerung von 12 auf 14 Prozent erhöht. Bei den Chips-Sorten wird der Mindeststärkegehalt um 0,5 Prozent gesenkt (ohne Hermes, da bereits tiefere Anforderungen gelten). Bei den Frites-Sorten Fontane und Markies werden die Anforderungen an die Mindestbacknote reduziert (0 / 8 / 2 / 0).
Neu fallen die Kalibrierkosten ganz weg; die Sortierkosten werden gesenkt. Bei Paloxen entfallen allfällige Reparaturkosten, die ausserhalb der normalen Abnützung liegen, dafür wurde die Unterhaltsgebühr erhöht. Bei den Speisekartoffeln geht die Waaggebühr künftig zulasten des Abnehmers.
Pflanzgutproduktion Ernte 2022
Der Druck durch virusübertragende Blattläuse war in diesem Jahr sehr hoch. Hier kann das genaue Ausmass noch nicht abgeschätzt werden. Die verfügbaren Mengen gemäss Ernteschätzung von Swisssem per Mitte August liegen unter denen des Vorjahres. Somit kommt es bei allen Segmenten zu Ergänzungsimporten. Der Anteil der kleineren Kaliber ist mit zehn Prozent deutlich geringer als bei der letzten Ernte. Agroscope stellte bei den Bonitierungen der äusseren Mängel keinen Pulverschorf auf den Kartoffeln fest. Von den Sorten Thalessa, Sorentina und Sunshine steht erstmals eine beschränkte Menge an inländischem Pflanzgut zur Verfügung. Für Mengen ab 4400 kg je Sorte kann das Pflanzgut in Big Bags bezogen werden.
Aufgrund des heissen Sommers ist das physiologische Alter der Pflanzkartoffeln in aller Regel weiter fortgeschritten. Die Lagerung in den Wintermonaten sollte daher nur in guten Lagern mit möglichst gleichmässigen Lagertemperaturen erfolgen. Sofern dies nicht möglich ist, kann das Pflanzgut auf Frühling bestellt werden.
Der Wirkstoff von Monceren Pro ist nur noch bis am 30. November 2022 bewilligt. Die Pflanzkartoffeln werden neu mit Sercadis von der Firma BASF gebeizt. Das Mittel wird zusätzlich mit roter Farbe eingefärbt. Die Wirkung ist vergleichbar mit jener von Monceren Pro. Der Preis von Fr. 10.– je 100 kg bleibt unverändert.
Die kommunizierten Preise von Swisssem für konventionelles Pflanzgut steigen auf Stufe Produktion zwischen Fr. 6.– und Fr. 15.– je 100 kg. Mit diesem Schritt soll den hohen Kosten entgegengewirkt werden und die Wirtschaftlichkeit der Pflanzgutproduktion verbessert werden. Die Preisdifferenz Herbst zu Frühling beträgt weiterhin Fr. 7.–.
Anbauplanung für die Kartoffelernte 2023
Frischkonsum
Der Absatz für Frischkartoffeln verharrt leider weiter auf bescheidenem Niveau, was eine Korrektur der Anbaumengen unumgänglich macht. Durch die voraussichtlich knappe Versorgung aus der Ernte 2022 wird der Bedarf an Frühkartoffeln im Sommer 2023 sicher wieder etwas höher liegen, weshalb der Frühanbau auf dem diesjährigen Niveau belassen wird. Insgesamt müssen die Frischkartoffelmengen aber um etwa 10 Prozent reduziert werden, um dem rückläufigen Konsum nach den Corona-Jahren mit einem deutlich höheren Absatz Rechnung zu tragen. Bezüglich der Sortenstruktur sind folgende Entwicklungen zu beachten:
Frühsorten
Der Frühanbau unter Folie, wie auch Freiland, für die Phase 2 (vorwiegend schalenfest) wird in den prädestinierten Lagen auf dem Niveau von 2022 belassen. Die Sorten dazu sind Agata, Lady Christl und Colomba (nur unter Folie) sowie im Anschluss Annabelle (festkochend) und Concordia sowie Fontane (vorwiegend fest-/mehligkochend). Die Sorte Colomba wurde von der Nebensortenliste neu auf die Hauptsortenliste im Segment Frühsorten eingeteilt.
Festkochende Sorten
Die Hauptsorten im festkochenden Bereich bleiben Erika und Venezia sowie als Ergänzung Ditta, Ballerina, Sunshine und Queen Anne. Die Premiumsorten Amandine, Celtiane (APPNAL) erfahren eine Erweiterung um die Sorten Cheyenne sowie Lutine und damit ein zusätzliches Anbaupotenzial.
Mehligkochende Sorten
Das mehligkochende Sortiment setzt sich insbesondere aus den Sorten Concordia, Victoria, Belmonda und Fontane zusammen. Die Sorte Jelly bleibt mit erweitertem Kaliber und Qualitätstoleranzen dem Basic-Anbau vorbehalten. Die eigentliche Low-Input-Sorte Acoustic (Kochtyp B), welche neu auf der Sortenliste ist, verdient bestimmt Beachtung. Die Stärken der Sorte sind insbesondere die sehr gute Krautfäuleresistenz, der deutlich tiefere N-Bedarf und die hohe Virusresistenz. Der Bintje-Absatz kann auf tiefem Niveau gehalten werden. Die Sorte ist neu auf der Nebensortenliste eingeteilt.
Veredelungskartoffeln
Auch dieses Jahr ist der Zeitpunkt für die Anbauplanung eine Herausforderung, da die Übernahme der Ernte 2022 voll im Gange und die Planung für die Ernte 2023 mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet ist. Bei einigen Sorten besteht ein Kampf bei der Übernahme aufgrund absolut ungenügender Backtests. Zurzeit wird hier Ursachenforschung gemeinsam mit Agroscope betrieben. Hauptsächlich betroffen sind in einigen Anbaugebieten die Sorten Fontane, Pirol sowie vereinzelt weitere Chips -Sorten.
Um die Bestellung und Auslieferung des Pflanzgutes nicht zu verzögern, werden über die Anbauberater ab sofort Vertragsmengen vereinbart. Momentan geplant ist ein leicht höherer Bedarf bei den Chips-Kartoffeln wie auch den Frites-Kartoffeln. Der Absatz der verarbeiteten Kartoffelprodukte läuft aktuell auf einem erfreulichen Niveau.
Frites-Sorten
Bezüglich der Sortenstruktur ist im Anbaujahr 2023 Kontinuität angesagt. Die Sorte Babylon wurde neu auf die Nebensortenliste genommen. Die Sorte ist eine Mutation von Agria mit leicht verbesserten Eigenschaften. Das Pflanzgut ist sehr beschränkt verfügbar. Auch im kommenden Jahr wird Agria die Hauptsorte in diesem Segment sein. Daneben stehen Markies und Fontane im Anbau. Die Sorte Innovator macht auch im Jahr 2023 den weitaus grössten Teil mit hellfleischigen Sorten aus, ergänzt durch Ivory Russet.
Chips-Sorten
Die Sorte Lady Rosetta unter Folie und danach im Freiland wird ab Mitte Juni bis Anfang Oktober verarbeitet. Im frühen Segment ist neu Austin auf der Nebensortenliste. Die Hauptsorten für die Lagerung sind Pirol sowie SH C 1010 und für die späte Auslagerung Lady Claire, Kiebitz, Sorentina, Thalessa, Verdi und Kiebitz.
Bio- und Demeter-Anbau
Nebst der allgemeinen Sortenauswahl aus inländischer Bio-Pflanzgutvermehrung stehen für den Bio-Anbau folgende spezifischen Sorten zur Verfügung. Als Frühsorte unter Folie kommt im Rahmen des verfügbaren Pflanzgutes Twinner infrage (neu auf der Nebensortenliste). Für den festkochenden Anbau die beiden Sorten Emanuelle und Simonetta. Beide Sorten stehen sowohl bei den Hauptversuchen von Swisspatat wie auch den Versuchen des FiBL im Versuch. Im vorwiegend festkochenden Bereich ist die bereits erwähnte Sorte Acoustic eine interessante Alternative. Im mehligkochenden Bereich die neu auf der Nebensortenliste stehende Levante. Auch diese Sorte kann als krautfäuleresistent eingestuft werden und benötigt einen deutlich kleineren Aufwand bei der Phytophtora-Bekämpfung.