Neue Pflanzensorten sollen viel leisten. Hohe und stabile Erträge, Robustheit und Resistenz gegenüber Schädlingen und Krankheiten sind gefragt. Sorten sollen ressourceneffizient und an den Standort angepasst sein.
Darüber hinaus sind Qualitätsanforderungen bestreffend Inhaltsstoffen und Geschmack zu erfüllen. Eine Pflanze an die Wünsche des Menschen anzupassen ist ein langer und aufwändiger Prozess. Inzwischen gibt es aber neben den klassischen Züchtungsmethoden moderne Techniken, die den Züchtungsprozess beschleunigen und vereinfachen können.
Klassische Züchtungsmethoden
Wildpflanzen besitzen oftmals Eigenschaften, die bei Kulturpflanzen fehlen. Dies kann zum Beispiel eine Resistenz gegenüber einem Schadpilz sein. Bei der klassischen Kreuzungszüchtung werden artverwandte Wildpflanzen mit Kulturpflanzen gekreuzt. Die Nachkommen werden auf die gewünschten Eigenschaften selektiert. Da sich in den Nachkommen die Eigenschaften beider Eltern vermischen, sind in den Nachkommen auch die unerwünschten Eigenschaften der Wildpflanzen vorhanden. Durch Rückkreuzungen müssen diese Eigenschaften wieder eliminier werden, ohne dabei die erfolgreich eingekreuzte Resistenz zu verlieren. Dies ist ein langer Prozess: Die Entwicklung einer neuen Sorte durch Kreuzung und Selektion dauert durchschnittlich 10 bis 20 Jahre.
Weitere etablierte Methoden sind die Hybridzüchtung und die Mutationszüchtung. Bei letzterer werden zufällige Mutationen herbeigeführt durch Bestrahlung oder mithilfe von Chemikalien.
Markergestützte Selektion
Zur Unterstützung der klassischen Pflanzenzüchtung werden moderne Technologien eingesetzt. Die Nachkommen einer Kreuzung werden wie bei der klassischen Züchtung im Feld angebaut und bewertet. Zusätzlich werden von den einzelnen Pflanzen Proben aus den Blättern genommen. Für diese Blattproben werden im Labor die DNA nach molekularen Markern untersucht. Ein Marker ist eine Sequenz im Genom der Pflanze, der einfacher nachgewiesen werden kann als ein Gen. Marker vereinfachen so die Suche nach Genen, die für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich sind, wie zum Beispiel Resistenz gegen eine Pilzkrankheit. So können gezielt Pflanzen für die Weiterzüchtung verwendet werden, die die gewünschte Eigenschaft besitzen.
Die markergestützte Selektion verändert das Erbgut der Pflanzen nicht. Mit der Technik werden Eigenschaften schnell erkannt und machen den Züchtungsprozess effizienter. Gen-technik-Kritiker geben aber zu bedenken, dass bei der Entwicklung und Anwendung von Markern Enzyme eingesetzt werden, die oftmals mithilfe von gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden.
Gentechnik
Bei der Gentechnik werden neue Gene in die DNA der Pflanze eingebaut. Natürliche Kreuzungsbarrieren werden dabei überwunden. Das heisst, die Gene mit den gewünschten Eigenschaften können zum Beispiel von anderen Pflanzengattungen oder anderen Organismen wie Bakterien stammen. Zum Gentransfer gibt es verschiedene Methoden. Bei allen muss aber das Gen identifiziert und isoliert sein, damit es in die Pflanze eingebacht werden kann.
Ein bekanntes Beispiel für transgene Pflanzen ist der Bt-Mais, der durch das Einschleusen von Genen des Bakteriums Bacillus thuringiensis resistent gegenüber dem Maiszünsler ist. Entsprechende Sorten werden vor allem in den USA und Südamerika angebaut, in geringerem Umfang auch in europäischen Ländern. In der Schweiz gilt für gentechnisch veränderte (GV) Pflanzen derzeit ein Anbauverbot. Das entsprechende Moratorium gilt vorerst bis Ende 2021. Versuche mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) für Forschungszwecke dürfen nach einer Bewilligung durchgeführt werden.
Produkte, die aus GVO hergestellt sind, müssen entsprechend deklariert werden.
Definition GVO
Das Gentechnikgesetz definiert GVO (gentechnisch veränderte Organismen) wie folgt: «Gentechnisch veränderte Organismen sind Organismen, deren genetisches Material so verändert worden ist, wie dies unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt.» (Artikel 5, Absatz 2)
Neue Pflanzenzüchtungsmethoden
In den letzten Jahren machte die Entwicklung neuer Pflanzenzüchtungsmethoden grosse Fortschritte. Unter dem Ausdruck neue Pflanzenzüchtungsmethoden sind verschiedene Techniken zusammengefasst. Sie setzten alle auf der Ebene der Erbinformation an.
In jüngster Zeit ist vor allem von «Genom Editierung» und «Crispr/ Cas9» die Rede. Unter Genom Editierung versteht man die gezielte Veränderung der DNA. Die DNA der Pflanzen wird dabei nur so angepasst, wie es in der Natur auch zufällig durch zum Beispiel Mutationen geschehen könnte. Es werden also keine artfremden Gene eingesetzt. Das Enzymsystem Crispr/Cas9 ist ein mögliches Hilfsmittel zur Genom Editierung. Es findet bestimmte Stellen in der DNA und trennt diese an der gewünschten Stelle auf. Zellen besitzen ein Reparatursystem und fügen den durchtrennten DNA-Strang wieder zusammen. Dabei können einzelne Bausteine der DNA modifiziert oder entfernt werden. Möglich ist es auch, neue kurze DNA-Sequenzen einzubauen.
Werden bei der Genom Editierung keine grösseren neuen DNA-Sequenzen eingefügt, unterscheiden sich die so entstandenen Pflanzen nicht von solchen, die auch unter natürlichen Bedingungen vorkommen.
Im Zuge neuer Pflanzenzüchtungsmethoden werden auch cisgene Pflanzen diskutiert. Die Züchtung erfolgt wie bei transgenen Pflanzen (siehe Abschnitt Gentechnik), aber im Gegensatz zu transgenen Pflanzen enthalten die cisgenen keine artfremde DNA. Also auch diese Pflanzen könnten theoretisch auf natürlichem Wege entstanden sein.
Gesetzliche Regelung
Sorten, die durch neue Pflanzenzüchtungsmethoden entstanden sind, besitzen keine artfremde DNA. Im Endprodukt kann nicht nachgewiesen werden, ob die Pflanze durch neue Züchtungsmethoden oder auf natürliche Weise entstanden ist. Daher stellt sich die Frage, ob diese Pflanzen dem Gentechnik-Gesetz unterstellt werden sollen oder nicht (Definition GVO siehe Kasten). Dabei wird diskutiert, ob die Einordnung als GVO erfolgen soll auf Grund des Herstellungsprozesses oder auf Grund des Endproduktes.
Kontroverse Diskussion
Der Verein Qualitätsstrategie hielt am 8. September 2017 in Bern eine Tagung ab zum Thema Chancen und Risiken von neuen Pflanzenzüchtungsmethoden. Dabei diskutierten die Referenten die Frage, ob die neuen Pflanzenzüchtungsmethoden unter das Gentechnik-Gesetz fallen sollten oder nicht.
Anne Willemsen von der eidgenössische Ethikkomission für Biotechnologie im Aussenhumanbereich gab zu bedenken, dass vor einer rechtlichen Einordnung zunächst zu klären sei, mit welchen Risiken die neuen Verfahren behaftet sind. Dazu sei Risikoforschung und eine Risikobeurteilung notwendig.
Michael Winzeler von der Agroscope stellte einige Projekte aus der Forschung vor, darunter die cisgenen Kartoffeln, die gegen Kraut- und Knollenfäule resistent sind. Im Allgemeinen sind Züchtungsmethoden sehr vielfältig; daher sieht Winzeler eine Kategorisierung kaum begründbar. Winzeler plädiert daher für eine Risikobeurteilung des Endproduktes und nicht der Technik. Juan Gonzales-Valero von Syngenta sieht in den neuen Züchtungstechniken eine Chance für eine nachhaltigere Landwirtschaft (zum Beispiel durch die Möglichkeit, den Pestizideinsatz senken zu können). Urs Niggli vom FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) sieht in Pflanzen, die verbesserten Eigenschaften durch neue Züchtungsmethoden erhalten haben, kein Widerspruch zu den Zielen einer nachhaltigen Landwirtschaft. Die Ökozüchtung versuche das gleiche zu erreichen, aber mit anderen Methoden. Dennoch gelten die neuen Technologien als nicht anwendbar im Bioanbau. Gründe hierfür sind unter anderem, dass in der Biozüchtung die Intaktheit des Genoms gilt und dass die Transparenz des Züchtungsprozesses erhalten bleiben solle.