Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Krankentaggeldversicherung. Denn diese muss der Arbeitgeber gemäss den kantonalen Normalarbeitsverträgen in der Landwirtschaft (NAV) für seine familienfremden Arbeitskräfte ebenfalls abschliessen. Der NAV enthält auch Bestimmungen zur Wartefrist (meist 30 Tage) und zur Taggeldhöhe (80 % des Lohns).
Darüber hinaus zahlen erwerbstätige Personen ab dem 1. Januar nach ihrem 17. Geburtstag Beiträge an die AHV, IV, EO und Arbeitslosenversicherung sowie Familienzulagen. Hierfür meldet der Landwirt der kantonalen Ausgleichskasse neue Arbeitnehmer bis spätestens zu Beginn des Folgejahres und zwar gestützt auf die Lohnabrechnung. Eine Anmeldung bei Stellenantritt ist vorzunehmen, wenn etwa ein Arbeitnehmer noch keinen AHV-Ausweis hat oder Familienzulagen beantragen kann.
Nicht zu vergessen ist die Unfallversicherung. Denn die familienfremden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft sind ohne Altersbegrenzung und grundsätzlich ab dem ersten Lohnfranken obligatorisch gegen Unfallfolgen zu versichern. Es besteht Deckung für Berufsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitnehmer, die mindestens acht Stunden pro Woche bei demselben Arbeitgeber arbeiten, sind auch gegen Nichtberufsunfälle zu versichern.
Ferner sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber mehr als drei Monate dauert, und die einen AHV-Jahreslohn über 21 330 Franken erhalten, ab dem 1. Januar nach deren 17. Geburtstag für den Risikoschutz und ab dem 1. Januar nach deren 24. Geburtstag auch für das Alterssparen in einer Pensionskasse zu versichern. Unterjährige Anstellungen werden taggenau auf die Anstellungsdauer umgerechnet: Fr. 21 330.–/365 Tage × Beschäftigungsdauer in Tagen. Die ordentliche Beitragspflicht dauert bis zum Ende des Monats, in dem Frauen das Alter 64 und Männer das Alter 65 erreichen.
Unterscheidung der Arbeitskräfte
In der Landwirtschaft ist bei Einzelunternehmen, einfachen Gesellschaften, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften die Unterscheidung von familienfremden und familieneigenen Arbeitskräften zentral. Als familieneigene Arbeitskräfte gelten aus Sicht der betriebsleitenden Person der Ehepartner, die Kinder und Enkel, die Eltern und Grosseltern sowie (im Sinne einer Ausnahmeregelung) Schwiegertochter und Schwiegersohn, die oder der voraussichtlich den Betrieb zur Selbstbewirtschaftung übernehmen wird.
Zu den familienfremden Arbeitskräften in der Landwirtschaft zählen alle anderen – darunter auch solche, die umgangssprachlich als Familienangehörige der betriebsleitenden Person bezeichnet werden, wie etwa Bruder, Schwester, Onkel, Tante oder Konkubinatspartner.
Der Situation anpassen
- Krankenkasse mit Unfalldeckung
- Unfall- und Krankentaggeldversicherung von 110 Franken proTag
- Invalidenrente in der Säule 2b und / oder 3b als Ergänzung zur1. Säule (total mind. 48 000 Franken pro Jahr)
- Sofern Versorgerpflichten bestehen: Hinterlassenenleistungen inder Säule 2b und / oder 3b in Ergänzung zur 1. Säule (total mind.36 000 Franken pro Jahr)
- Alterssparen für einen würdigen Lebensabend
Die oben aufgeführten Richtwerte sind jeweils der familiären, betrieblichen und finanziellen Situation anzupassen. Es ist wichtig, den Aufbau des persönlichen Versicherungsschutzes in jungen und gesunden Jahren vorzunehmen: Bei freiwilligen Versicherungen können die Versicherer Gesundheitsprüfungen vornehmen und Vorbehalte oder Ablehnungen aussprechen.
«Mit eigenem Einkommen haben die Frauen ein Anrecht auf Mutterschaftsversicherung»
Viele Schweizer Bäuerinnen erhalten für ihre Arbeit auf dem Betrieb keine Lohnzahlung. Das führt dazu, dass sie sozial oft schlecht abgesichert sind. Was können die Frauen dagegen tun? Annekäthi Schluep-Bieri, Stiftungsratspräsidentin der Agrisano Prevos und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV), rät, sich genau beraten zu lassen und dabei das Thema der sozialen Absicherung für Mann und Frau zu thematisieren.
Weshalb sind in der Schweiz die Bäuerinnen ungenügend sozialversichert? Wie kommt das?
Aus meiner Sicht liegt es daran, dass viele Bäuerinnen keinen Lohn erhalten oder das Einkommen nicht aufgeteilt wird. Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband macht schon sehr lange auf die Wichtigkeit einer genügenden sozialen Absicherung aufmerksam.
Warum ist es so wichtig, dass diese Frauen auch sozialversichert sind?
Sehr viele Bäuerinnen leisten einen sehr beträchtlichen Beitrag an den Betrieben und deren Weiterentwicklung. Erhalten sie keinen Lohn oder wird das Einkommen nicht aufgeteilt, werden die Frauen als nicht erwerbstätig eingestuft. Das entspricht in keiner Art und Weise der Realität. Darum ist es sehr wichtig, dass Bäuerinnen einen Lohn erhalten und eine genügende soziale Absicherung haben. Sie müssen ebenfalls ein eigenes Bankkonto haben, denn das ist für die Wertschätzung, aber auch für Notfälle sehr wichtig. Wollen wir, dass junge Frauen der Landwirtschaft erhalten bleiben und darin eine Zukunft sehen, muss die Landwirtschaft dieses Problem unbedingt angehen und lösen.
Warum wird dieses Thema in der Öffentlichkeit erst jetzt wirklich behandelt?
Sicher wurde es mit der AP2022+ und der Stellungnahme des SBLV öffentlich. Die Öffentlichkeit wurde so sensibilisiert.
Der Bundesrat will Kürzungen der Direktzahlungen vornehmen, wenn die Bauern ihre Frauen nicht sozialversichern. Wie finden Sie das?
Die Schweizer Landwirtschaft lobt eine nachhaltige Produktion aus, dazu gehört aus meiner Sicht auch eine genügende soziale Absicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Höfen.
Was raten Sie betreffend der beruflichen Vorsorge einem jungen Betriebsleiterpaar, das gerade erst den Hof übernommen hat?
Ich rate ihnen, sich sehr gut beraten zu lassen und das Thema der sozialen Absicherung für beide zu thematisieren. Aber auch in den folgenden Jahren immer wieder neu zu beurteilen. Mit einem eigenen Einkommen haben die Frauen das Anrecht auf Mutterschaftsversicherung. Ferner müssen beide klären, wie der Betrieb weitergeführt werden kann, wenn eines von ihnen wegen Krankheit, Unfall etc. ausfällt. Bei Investitionen in Maschinen und Gebäude muss das Paar genau rechnen, ob die Investitionen für die Zukunft tragbar sind und wie die Arbeitsbelastung wird. Zudem soll sich das Paar überlegen, wie das Zusammenleben in der Familie und auf dem Betrieb zu gestalten ist.
Wie sieht die ideale Lösung aus, damit sich ein Betriebsleiterpaar keine Sorgen über die finanzielle Absicherung machen muss.
Jeder Fall muss genau analysiert werden. Wenn sich die finanziellen Möglichkeiten ergeben, sollte unbedingt auch in die Vorsorge für das Alter einbezahlt werden. Als Selbständigerwerbende können sie Einkäufe in die Säule 2b tätigen. Mir ist es ein Anliegen, dass auch bäuerliche Ehepaare ein gutes und sorgenfreies Alter geniessen können. Das haben sie sich nach einem arbeitsreichen Erwerbsleben verdient.
Interview: Markus Röösli