Im Jahr 2019 wurde Landwirt A von der Staatsanwaltschaft per Strafbefehl wegen Verletzung der Strassenverkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 600.– verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, als Lenker eines Traktors auf einem Weg zwei Reiterinnen gekreuzt und zu ihnen keinen ausreichenden Abstand eingehalten zu haben, sodass eins der Pferde erschrocken sei und sich aufgebäumt habe. Gegen diesen Strafbefehl erhob A Einsprache. Die Staatsanwaltschaft befragte daraufhin die beiden Reiterinnen sowie A und stellte das Strafverfahren schliesslich ein. Eine Entschädigung für die angefallenen Anwaltskosten erhielt A jedoch nicht. Dies mit der Begründung, dass sich weder rechtlich noch tatsächlich komplexe Fragen gestellt hätten. Auch seien keine Administrativmassnahmen wie beispielsweise ein Führerausweisentzug im Raum gestanden.
Vor Bundesgericht verlangte A nun eine Entschädigung für seine Anwaltskosten von Fr. 4554.10. Der Beizug eines Anwalts sei nötig gewesen. Weil keine Sachbeweise vorgelegen hätten, sei es nötig gewesen, die Aussagen der Reiterinnen kritisch zu hinterfragen, rechtlich zu überprüfen und auf Unstimmigkeiten hinzuweisen. Dies sei für einen juristischen Laien nicht möglich.
Das Bundesgericht teilte die Meinung von A. Das Straf- und Strafprozessrecht stelle für Laien eine Belastung und grosse Herausforderung dar. Wer sich selbst verteidige, sei deshalb prinzipiell schlechter gestellt. Die Abstandsvorschriften zählten zu den wichtigen Verkehrsregeln, weshalb dem Vorwurf eine gewisse Schwere zukomme. Für A sei die Einstellung des Verfahrens nicht absehbar gewesen. Allfällige Administrativmassnahmen, die bei einem Schuldspruch durchaus im Raum gestanden wären, hätten für A berufliche Konsequenzen gehabt. Ausserdem habe A den Anwalt erst nach Erhalt des Strafbefehls beigezogen und leide an gesundheitlichen Beschwerden. Aufgrund der konkreten Umstände sei der Beizug eines Anwalts gerechtfertigt. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde von A insoweit gut und wies die Sache zur Festsetzung einer angemessenen Entschädigung an die Vorinstanz zurück.
Urteil 6B_73 / 2021 vom 28.2.2022