2020 ist ein besonderes Jahr: Viele Schweizerinnen und Schweizer verbringen ihre Ferien im eigenen Land. Viele setzen dabei auf ein Wohnmobil – das eigene oder auch gerne ein gemietetes. Ein solch gut ausgestattetes Gefährt ermöglicht viele Freiheiten. So sind Wohnmobil-Reisende zum Beispiel nicht zwingend auf einen Campingplatz angewiesen, ein einfacher Stellplatz reicht oft. Zum Beispiel auf einem idyllischen Bauernhof.
«Ein Stellplatz ist nicht zu verwechseln mit einer zugewiesenen Parzelle auf einem Campingplatz. Es ist eigentlich nicht viel mehr als ein Parkplatz», sagt Gerry Meyer vom Verein Wohnmobilland Schweiz. Der Begriff «Stellplatz» sorge immer wieder für Verwirrung, denn im Gegensatz zu einem offiziellen Stellplatz wie auf einem Campingplatz, brauche es für einen Stellplatz in der Regel keine baulichen Massnahmen. «Es ist ja nur ein Parkplatz und der Landwirt kann als Besitzer des Grundstückes frei bestimmen, wer bei ihm parkieren darf und wer nicht», sagt Meyer. Diesbezüglich gebe es auch keinerlei kantonalen Unterschiede. «Das Wohnmobil muss aber stets nahe beim Hof stehen, nicht weiter als 30 bis 40 Meter vom Ökonomiegebäude entfernt», sagt Andreas Allenspach, Geschäftsführer von Agrotourismus Schweiz.
Ganz anders sehe es aus, wenn ein Bauernhof einen Campingplatz betreiben möchte. Der müsse gut ins Landschaftsbild passen, also zum Beispiel hinter einer Hecke liegen. «Wer einen Campingplatz eröffnen möchte, sollte frühzeitig mit der Wohngemeinde und den kantonalen Behörden Kontakt aufnehmen», sagt Allenspach. Denn das Übernachten auf dem Bauernhof unterliege grundsätzlich dem Raumplanungsgesetz (RPG), welches von jedem Kanton anders interpretiert würde.
Ein Campingplatz müsse dabei zonenkonform sein. Das heisst, dass Landwirtschaftszonen, wenn sie langfristig als Campingzone genutzt werden, in Freizeitzonen umgezont werden müssen. «Wiesen dürfen nur dann vorübergehend als Zeltplätze genutzt werden, wenn sie weiterhin landwirtschaftlich genutzt und nicht bebaut werden», sagt Allenspach. Er empfehle Landwirten, die neu in den Agrotourismus einsteigen möchten, das Modul «Willkommen auf dem Bauernhof» der kantonalen landwirtschaftlichen Beratungen oder eine persönliche Beratung vor Ort auf dem Hof von Agrotourismus in Anspruch zu nehmen. Auch der Schweizer Bauernverband (SBV) hat dazu ein Angebot: Agriexpert unterstützt Landwirte, welche Campingplätze einrichten möchten, bei raumplanerischen und rechtlichen Fragen.
Stellplatzmangel schon vor Corona
Sind diese Fragen noch offen, ist die Eröffnung eines hofeigenen Campingplatzes für die laufende Saison nicht mehr realistisch. Sehr wohl jedoch die Option auf dem Betrieb einen oder mehrere Stellplätze anzubieten. «Wichtig ist dabei einfach, dass man gerne Gäste auf dem Hof hat», sagt Gerry Meyer. Er hat den Verein Wohnmobilland Schweiz erst vor drei Monaten – zusammen mit einigen Gleichgesinnten – ins Leben gerufen. Mittlerweile zähle der Verband bereits mehr als 300 Mitglieder. «Bereits in den Zeiten vor Corona hat sich ein Mangel an Stellplätzen abgezeichnet. Das hat uns dazu bewogen, diesen Verband zu gründen», sagt Meyer.
Und auch beim SBV wisse man um die Knappheit der Stellplätze, sagt SBV-Mediensprecherin Sandra Helfenstein. Sie sei überzeugt, dass in diesem Bereich für die Schweizer Bauernbetriebe noch viel Potenzial vorhanden sei. Auf der Plattform www.vomhof.ch gibt es seit Neuestem eine eigene Kategorie für Stellplätze und auch Campingplätze auf Schweizer Bauernhöfen. Aktuell findet man dort 28 Stellplätze und 19 Campingplätze. Tendenz steigend. Deshalb sei der SBV aktuell daran eine längerfristige Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus aufzubauen, sagt Helfenstein. Wer einen Stell- oder Campingplatz in landwirtschaftlichem Umfeld sucht, findet auch auf www.myfarm.ch viele Angebote. Doch sind viele Höfe bereits für den die ganze Saison 2020 ausgebucht. «Die Anfragen auf unserer Website haben gegenüber dem Vorjahr um 370% zugenommen», sagt Andreas Allenspach.
Von Grauwasser und Abfalllösungen
Angesichts der hohen Nachfrage nach Stellplätzen auf Bauernhöfen erstaunt die Knappheit auf der Angebotsseite. Es braucht ja wenig, um einen Stellplatz zur Verfügung stellen zu können. Die Wohnmobile sind, wie bereits erwähnt, grundsätzlich autark unterwegs. «Doch freuen sich meisten Wohnmobil-Reisenden über Stromversorgung und eine Möglichkeit, um den Abfall nicht auf der Weiterfahrt mitführen zu müssen», sagt Gerry Meier vom Verein Wohnmobilland Schweiz. Was den Strom angeht, reiche in der Regel eine Kabelrolle als Verlängerung, bezüglich Abfall empfehle sein Verband den Anbietern ihren Übernachtungsgästen den kleinsten offiziellen Gemeinde-Abfallsack zur Verfügung zu stellen und dies bei den Übernachtungsgebühren einfach einzukalkulieren.
Wer zusätzlich noch Frischwasser anbieten möchte, stellt einfach einen Wasserschlauch zur Verfügung. Im Zusammenhang mit Wasser seien viele Campingfreunde zudem froh, wenn sie ihr «Grauwasser» loswerden können, also das Abwasser vom Zähneputzen, Duschen und vom Abwasch. Dieses sollte in der Kanalisation entsorgt werden. «Theoretisch wäre auch eine Entsorgung im Gülleloch möglich, dann muss aber ausgeschlossen werden können, dass chemische Zusätze darin enthalten sind», gibt Meyer zu bedenken.
Auch er rät Landwirten, die künftig auf Agrotourismus setzen möchten, sich beraten zu lassen. Die Experten vom Verein Wohnmobilland Schweiz gehen ebenfalls direkt auf die Höfe, um sich die Voraussetzungen genau anschauen zu können. Die Beratung kostet CHF 190 pauschal.
Im Zuge solcher Beratungen werden zum Beispiel auch der beste Platz für einen oder mehrere Stellplätze auf dem Hofareal gesucht. «Ideal sind Kiesplätze oder ein gut gemähter Rasenbereich, der nahe am Hofgebäude liegt. Und es ist sicher von Vorteil, wenn der Stellplatz relativ flach ist», sagt Meyer, der oft mit seinem Wohnmobil unterwegs ist.
Chance für den Direktverkauf ab Hof
Vor allem, wenn ein Landwirtschaftsbetrieb mehrere Stellplätze anbieten möchte, empfehle er den Anbietern, einige Regeln aufzustellen. Zum Beispiel eine Abreise bis spätestens 10 oder 11 Uhr am Folgetag, wenn keine weitere Übernachtung geplant ist. «Ein Stellplatz ist ja keine Dauerlösung, sondern etwas Saisonales», sagt er.
Auch Sandra Helfenstein vom SBV empfiehlt den Landwirten, solche verbindlichen Hausregeln aufzustellen. «Gerade auf Betrieben mit aktiver Landwirtschaft gilt es auch den Sicherheitsaspekten Rechnung zu tragen, damit es keine Unfälle mit Landmaschinen oder Tieren gibt», gibt sie zu bedenken.
Doch sind diese Regeln erst einmal definiert, steht dem Übernachten auf dem Bauernhof nichts mehr im Wege. «Für die Hofläden sind solche Gäste natürlich ein Segen. Die Camper können sich dort direkt mit frischen und gesunden Produkten eindecken», sagt Gerry Meyer. So profitiere die Bauernfamilie gleich doppelt von den Gästen. Und der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Boom der Hofläden könnte so weitergehen. «Wir gehen davon aus, dass sich sowohl der Boom der Hofläden wie auch der des Agrotourismus etwas abflachen wird, um sich dann auf einem höheren Niveau als vor Corona zu stabilisieren», sagt Sandra Helfenstein. Und auch Andreas Allenspach geht davon aus, dass der Agrotourismus-Trend sich auch im nächsten Jahr noch fortsetzen wird.