Ein altes Sprichwort sagt: Die Gesundheit ist das höchste Gut des Menschen. Bäuerinnen und Bauern arbeiten hart und viel: Pro Tag sind es über zehn Stunden, zeigt eine Umfrage in Deutschland von 2018. Zur körperlichen Anstrengung kommt die psychische Belastung hinzu: Die Bäuerinnen und Bauern tragen viel auf ihren Schultern, sind verantwortlich für die Familie, den Betrieb und die Tiere. Der Schutz der Gesundheit hat in der Landwirtschaft deshalb einen hohen Stellenwert. Doch wie gesund und fit sind die Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz? Was können sie tun, um gesund zu bleiben? Und welchen Stellenwert hat der Sport in der Gesundheitsprävention?
Gesund und fit, aber schon jung Beschwerden
Um es vorwegzunehmen: Es gibt in der Schweiz keine aktuelle Studie, die aufzeigt, wie gesund die Bäuerinnen und Bauern sind; dies bestätigt auch Peter Kopp, Leiter Departement Soziales und Dienstleistungen des Schweizer Bauernverbands sowie Generalsekretär Agrisano-Unternehmungen. Das landwirtschaftliche Fachmagazin «agrarheute» führte 2018 in Deutschland eine Umfrage zum Gesundheitszustand von Landwirtinnen und Landwirten durch. Das Fazit: Die meisten bezeichnen sich als gesund.
Und wie fit sind die Schweizer Bäuerinnen und Bauern? «Im Vergleich zu anderen Berufen sind die Landwirtinnen und Landwirte fit», sagt Christian Cotting. «Die deutschsprachigen Klassen sind fitter als die französischen», ergänzt Daniel Bieri. Cotting und Bieri unterrichten seit drei Jahren am Landwirtschaftlichen Institut Grangeneuve (FR) Allgemeinbildung und Sport.
Gerade weil sie den ganzen Tag auf den Beinen sind und körperlich arbeiten, befinden sich die Landwirtinnen und Landwirte auf der Fitness-Skala im oberen Bereich. Aber: «Bereits in jungen Jahren treten regelmässig grosse Beschwerden auf – dies vorweg an Knien und Rücken», halten die beiden Sportlehrer fest. Sie befragen die jungen Berufsleute jeweils im ersten Ausbildungsjahr nach chronischen körperlichen Beschwerden. Die Antwort: Von 20 Auszubildenden antworten drei beim Rücken mit Ja.
Umfrage bei Deutschlands Bäuerinnen und Bauern
2018 publizierte das Fachmagazin «agrarheute» die Resultate einer Umfrage zum Thema «So gesund sind Deutschlands Landwirte». Die Umfrage, an der insgesamt 1323 Personen teilnahmen, zeigte folgendes Bild:
- Grösstenteils gesund Grösstenteils bezeichnen sich die Landwirtinnen und Landwirte als gesund. Die häufigsten chronischen Krankheitsbilder sind Erkrankungen von Muskeln oder am Skelett wie Bandscheibenvorfall (14 %), Herz- und Kreislauf-Erkrankungen (9 %).
- Arbeit ist geistig anstrengend 83 % der Befragten macht ihre Arbeit Spass. 55 % der Befragten betrachten ihre Tätigkeit als körperlich, 66 % als geistig anstrengend. 45 % sehen sich in ihrer Tätigkeit häufig Lärm ausgesetzt.
- 10,5 Stunden Arbeit pro Tag Die durchschnittliche Arbeitszeit pro Tag wird mit 10,5 Stunden angegeben. Eine Minderheit von 40 % der Teilnehmer erhält nach eigenen Angaben ausreichend Schlaf. Als Prävention gegen Krankheiten setzen 70 Prozent der Befragten auf regelmässige gesunde Ernährung und Ruhepausen zur Regeneration (46 Prozent). Entspannungsübungen, Massagen oder Ähnliches werden als Präventionsmassnahmen dagegen kaum genutzt.
- 59 % am Feierabend verbraucht Fragen zu Psyche und emotionaler Belastung zeigten Folgendes: 59 % fühlen sich am Ende eines Arbeitstages verbraucht; 40 % durch ihre Arbeit emotional erschöpft. Trotzt hoher Belastung bejahen 78 % die Frage, ob sie viele lohnende Ziele mit ihrer Arbeit erreicht haben.
Quelle: www.agrarheute.com
Viele hören während der Ausbildung mit Sport auf
Viele Landwirtinnen und Landwirte hören während der Lehre auf, neben dem Beruf regelmässig Sport zu treiben. Die Hauptargumente lauten: Da ich den ganzen Tag körperlich arbeite, brauche ich am Abend nicht noch mehr Sport. Und: Keine Zeit. Christian Cotting sagt dazu: «Nur vom Arbeiten bleibt man aber auch in der Landwirtschaft nicht fit; im Gegenteil, man macht viel kaputt.»
Rund drei Viertel der Landwirtinnen und Landwirte hörten während der Lehre mit regelmässigem Sport neben der Arbeit auf, ergänzt Daniel Bieri. «Ich stelle fest, dass das Viertel, das weiterhin Sport treibt, klar fitter und gesünder ist, als die anderen.»
Zurück zu den Beschwerden, die schon in den jungen Jahren auftreten. Was sind die Hauptursachen? Oft seien die Landwirtinnen und Landwirte zu wenig sensibilisiert, wie sie Beschwerden vorbeugen können, antwortet Daniel Bieri: «Sie wärmen sich vor der körperlichen Arbeit nicht auf, führen die Bewegungen nicht korrekt aus.» Vielfach arbeiten sie alleine auf dem Betrieb. Deshalb werde bereits in jungen Jahren sehr viel «gemurkst» – unsachgerecht gearbeitet – gibt Christian Cotting zu bedenken: «Bei 16-Jährigen ist der Körper noch im Wachstum. Probleme sind vorprogrammiert, wenn sie in dieser Lebensphase von morgens bis abends streng körperlich arbeiten und die Bewegungen falsch ausführen.»
Einfache Ideen für den Alltag mitgeben
Das Fach Sport hat deshalb auch in der landwirtschaftlichen Grundbildung einen festen Platz im Stundenplan. Sport im Unterricht sei wichtig als Ausgleich zu den rein theoretischen Fächern. Denn: «Landwirtinnen und Landwirte sind es nicht gewöhnt, den ganzen Tag in einem Schulzimmer zu sein.» Dies treffe vorweg für das dritte Lehrjahr zu, das die Auszubildenden während fünf bis sechs Monaten vollständig in der Schule verbringen.
Der Sportunterricht verbessere den Klassenzusammenhalt. Jemand, der in den theoretischen Fächern Mühe hat, ist im Sport stark und plötzlich der Leader. Christian Cotting dazu: «Im Sport kann sich die Rollenverteilung verändern.» «Im Sport als Mannschaft eine Aufgabe zu erfüllen, erweitert die Sozialkompetenzen», beobachtet Daniel Bieri.
Das oberste Ziel im Fach Sport ist, körperlichen Beschwerden vorzubeugen. «Wir sensibilisieren die jungen Berufsleute, wie sie 40 Jahre lang einen gesunden Körper erhalten können. Denn den Körper können sie nicht auswechseln», gibt Christian Cotting zu bedenken. Die beiden Sportlehrer geben ihnen die dazu nötigen Werkzeuge, um Rücken-, Knie und Herz-Kreislaufprobleme zu vermeiden.
Bestandteil jeder Lektion sind deshalb Dehnungs- und Kraftübungen. «Wir richten den Unterricht auf die Arbeitswelt aus, lehren sie die korrekte Körperhaltung beim Arbeiten und geben ihnen Ideen mit, die sie leicht in den Alltag einbauen können», erklärt Daniel Bieri.
Und wie gross ist die Begeisterung der jungen Berufsleute für den Sportunterricht? Zu Beginn werde schon etwas gemurrt, erklärt Christian Cotting: «Sie haben wenig Verständnis dafür, wieso sie neben den vielen Stunden körperlicher Arbeit auf dem Betrieb auch noch Sport in der Schule brauchen.» «Nach vier bis fünf Lektionen, in denen wir immer wieder auf das Vorbeugen von Langzeitbeschwerden aufmerksam machen, kommt das Verständnis», weiss Daniel Bieri.
Sich regelmässig Zeit für sich nehmen
In der Umfrage von «agrarheute. com» betrachten 66 % der Befragten ihre Tätigkeit als geistig anstrengend, 59 % fühlen sich am Ende eines Arbeitstages verbraucht, 40 % durch ihre Arbeit emotional erschöpft.
Auch hier kann Sport hilfreich sein. «Beim Sport schüttet der Körper Glückshormone aus», erklärt Daniel Bieri. Deshalb sei es auch für Landwirtinnen und Landwirte wichtig, neben dem Betrieb eine sportliche Aktivität beizubehalten. Und: «Da die Bauern oft den ganzen Tag alleine arbeiten, können sie im Sport mit Kollegen ihre sozialen Kontakte pflegen», fügt Christian Cotting an. Er rät deshalb, in einem Verein mitzumachen.
Überhaupt sei es wichtig, sich immer wieder etwas Abwechslung vom Arbeitsalltag zu gönnen, um das Hirn zu lüften. «Wer sich regelmässig etwas Zeit für sich nimmt, tut sich etwas Gutes», sind die beiden Sportlehrer überzeugt. Das müsse nicht viel Zeit sein; «eine halbe Stunde Joggen oder mit Kollegen ein Bier trinken gehen, genügten.
Die besonderen Tipps, um gesund zu bleiben
«Um im Beruf Landwirtin / Landwirt gesund zu bleiben, braucht es ein vorbeugendes Handeln», sind sich Daniel Bieri und Christian Cotting, Sportlehrer in Grangeneuve FR, sowie Peter Kopp, Leiter Agrisano, einig. Ihre besonderen Tipps lauten:
- In vorbeugende Massnahmen investieren und nicht erst handeln, wenn es zu spät ist.
- Dazu gehört auch, dass die Bauernfamilien entsprechend ihrer jeweiligen Bedürfnisse versichert sind. Das umfasst eine passende Taggeldversicherung, eine bedarfsgerechte Vorsorge, eine Krankenversicherung, aber auch Sach- und Haftpflichtversicherungen.
- Sich auch für sich – und nicht nur für den Betrieb – Zeit nehmen.
- Sport treiben, um den Kopf zu lüften und fit zu bleiben, hilft, gesund zu bleiben und Stress vorzubeugen.
- Die Einstellung ändern, dass die körperliche Arbeit auf dem Landwirtschaftsbetrieb den Sport ersetzt. Landwirtinnen und Landwirte sollten auch neben der Arbeit auf dem Betrieb sportlich aktiv sein.
- «Murksen» – unsachgemässes Arbeiten – unbedingt vermeiden; sich die Arbeit über den ganzen Tag verteilen.
- Umsetzen, was im Sportunterricht der Berufsschule geübt wird.
Informationen und Hilfe
Die BUL-Beratungsstelle in Schöftland AG ist das Schweizer Kompetenzzentrum für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Landwirtschaft und verwandten Gebieten. Telefon 062 739 50 40, bul@bul.ch
Das bäuerliche Sorgentelefon hört zu, hilft, Gedanken und Gefühle zu ordnen, unterstützt bei der Suche nach Lösungswegen, vermittelt Fachstellen. Tel. 041 820 02 15 (anonym), info@baeuerliches-sorgentelefon.ch
Gesund sein – was bedeutet das?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit wie folgt: «Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.» Peter Kopp von Agrisano sagt dazu: «Die Gesundheit ist etwas Individuelles. Körperliche Gesundheit ist ein Aspekt.» Und die Sportlehrer Christian Cotting und Daniel Bieri von Grangeneuve FR ergänzen: «Wenn ein Mensch seinen Alltag beschwerdefrei meistern kann, egal, welchen Beruf und welche Hobbies er ausführt, dann ist er gesund.»